Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108043/6/BI/KM

Linz, 26.02.2002

VwSen-108043/6/BI/KM Linz, am 26. Februar 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Ing. A S, vertreten durch Frau Dr. C G, vom 21. Dezember 2001 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 6. Dezember 2001, S-29541/01 VP, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 70 Euro (963,22 S) und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 42 Stunden herabgesetzt wird.

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 7 Euro (96,32 S); ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG,

zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. MIt dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.2 zweiter Satz iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.500 S (64 Stunden EFS) verhängt, weil er am 14. Juni 2001 um 7.45 Uhr in L, Richtung H, im Bereich der Kreuzung R/H/S den Pkw, Kz. , gelenkt und es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 150 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber (Bw) - nach entsprechender Verbesserung durch die Vertreterin - fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 726 Euro (9.989,98 S) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, dem schon im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Beweisantrag auf Einholung eines technischen sowie eines medizinischen Sachverständigen-Gutachtens für den Fall, dass die Behörde das Nichteintreten einer unfallskausalen Verletzungsfolge bezweifle, sei aus ihm unbekannten Gründen nicht entsprochen worden, was er ausdrücklich rüge.

Bei einem Auffahrunfall reiche eine Geschwindigkeitsänderung von 6 bis maximal 12 km/h nicht aus, um eine Halswirbelsäulenverletzung hervorzurufen. Dies sei durch Sachverständige in vielen Gerichtsverfahren einhellig festgestellt worden. Es sei auf Grund der minimal eingetretenen Schäden an beiden Fahrzeugen nicht von einer höheren Differenzgeschwindigkeit auszugehen. Die subjektiv an der Unfallstelle von der Zeugin S erwähnten Beschwerden seien daher nicht als unfallskausal zu beurteilen. Beantragt wird daher Verfahrenseinstellung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich vom Bw unwidersprochen, dass sich am 14. Juni 2001 um 7.45 Uhr ein Verkehrsunfall insofern ereignete, als der Bw als Lenker seines Pkw in L vor der genannten Kreuzung wegen Rotlicht der VLSA anhielt, während die hinter ihm fahrende Zeugin T nach eigenen Angaben vom Gaspedal abrutschte, ihren Pkw nicht mehr rechtzeitig zum Stillstand bringen konnte und gegen den Pkw des Bw stieß. Bei diesem wurde ein Sachschaden im Bereich der hinteren Stoßstange und des Blechs festgestellt, beim Pkw der Zeugin im Bereich der vorderen Stoßstange. Die Polizei wurde durch eine Verletzungsanzeige des AKH Linz, betreffend die Zeugin M S, vom Verkehrsunfall verständigt.

Die Zeugin T gab beim VUK am 5. Juli 2001 an, sie sei mit ca 30 km/h unterwegs gewesen und mit Schrittgeschwindigkeit gegen den Pkw des Bw gestoßen. Nach der Schadensbesichtigung an der Unfallstelle habe M S, Beifahrerin im Pkw des Bw, über Übelkeit geklagt, jedoch keine Verständigung von Rettung oder Polizei gewollt. Sie selbst habe darauf bestanden, dass die Zeugin ein Krankenhaus aufsuche. Sie habe am Nachmittag die Nachricht erhalten, dass die Zeugin zur Vorsorge im Krankenhaus gewesen sei, dort jedoch keine Verletzung festgestellt worden sei.

Der Bw gab beim VUK am 27. Juni 2001 an, seine Schwiegermutter habe nach dem Unfall Schmerzen verspürt, sie hätten aber auf eine Verständigung der Polizei und Rettung verzichtet. Sie hätten sich an der Unfallstelle ausgeglichen und danach das AKH Linz aufgesucht. Seine Gattin und er seien nicht verletzt worden.

Die Zeugin S gab am 27. Juni 2001 beim VUK an, sie habe den Anstoß als heftig empfunden und sofort nach dem Unfall Schmerzen im Bereich des Nackens verspürt. Sie habe aber keine Verständigung der Rettung und Polizei gewollt, was sie auch der Zeugin T gegenüber gesagt habe. Sie habe das AKH Linz aufgesucht und sei bis dato in ihrer Gesundheit beeinträchtigt.

Die Zeugin S gab beim VUK am 27. Juni 2001 an, sie habe von hinten einen heftigen Anstoß verspürt und ihre Mutter habe sofort nach dem Unfall auf Schmerzen im Bereich des Nackens hingewiesen. Auf die Verständigung von Polizei und Rettung sei aber verzichtet worden und sie seien dann ins AKH gefahren.

Laut Verletzungsanzeige des AKH Linz vom 15. Juni 2001 erfolgte die Erstbehandlung der Zeugin M S, geboren am , am 14. Juni 2001, 9.07 Uhr. Die Patientin sei in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen und habe sich im Bereich der Halswirbelsäule verletzt, Diagnose: Dist. col.vert. cerv. Die Verletzung sei dem Grade nach leicht.

Laut Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Linz vom 21. August 2001, 44BAZ 535/01d-2 (AZ), wurde die gegen die Zeugin T wegen § 88 Abs.1 StGB erstattete Anzeige gemäß § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt.

Im fristgerecht eingebrachten Einspruch des Bw gegen die Strafverfügung der Erstinstanz vom 7. August 2001 wird geltend gemacht, beim Auffahrunfall sei minimaler Sachschaden entstanden und seine Schwiegermutter sei auch nicht verletzt worden. Es sei ausschließlich die Aufregung, die es ihm angesichts ihres Alters als notwendig erscheinen habe lassen, das AKH aufzusuchen. Jeder technische und medizinische Sachverständige werde feststellen, dass Unfalls-kausalität nicht gegeben sei. Auf die der Vertreterin eigenhändig zugestellte Ladung der Erstinstanz sind ohne Angabe von Gründen weder diese noch der Bw erschienen, sodass schließlich das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erging.

Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 4 Abs.2 2. Satz StVO haben (ferner) alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn dabei Personen verletzt worden sind, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienst-stelle sofort zu verständigen.

Im gegenständlichen Fall hat der Bw das Vorliegen eines Verkehrsunfalles mit Personenschaden bestritten und sich darauf gestützt, bei einer derart geringen Anstoßgeschwindigkeit des auffahrenden Pkw sei auszuschließen, dass die Zeugin S, die in seinem Pkw hinten gesessen war, eine Verletzung davongetragen habe. Zunächst ist zu sagen, dass sich der Bw als Lenker eines Pkw, der noch dazu die Möglichkeit hatte, im Rückspiegel das Herannahen des Pkw T mitzuverfolgen, insofern auf einen Anstoß einstellen konnte, als er zB eine eventuelle Verletzung verhindernde Abstützhaltung einnehmen konnte. Die zur Vorfallszeit 85jährige Zeugin S hatte diese Möglichkeit nicht und wurde daher vom Anstoß überrascht, ohne diesbezüglich zB durch Festhalten oder Abstützen Vorsorge treffen zu können. Auch wenn die Zeugin angegurtet war, wie sie selbst bestätigt, war ihr diese Möglichkeit genommen. Zum einen ist davon auszugehen, dass Personen dieses Alters verlangsamt reagieren, zum anderen aber auch, dass zB durch mangelnde Beweglichkeit Anstoßfolgen negativ verstärkt werden.

Die Zeugin S hat an der Unfallstelle allen Unfallsbeteiligten gegenüber und auch ihrer Tochter, der Gattin des Bw, mitgeteilt, dass sie Schmerzen im Nacken verspürt. Die "Übelkeit", die die Zeugin S bei ihrer Einvernahme beim VUK erwähnt hat, kann sehr wohl auf unfallbedingte Aufregung zurückzuführen sein; keinesfalls aber entstehen allein durch Aufregung Nackenschmerzen. Immerhin war für den Bw die Klage der Zeugin über Schmerzen so glaubhaft, dass er mit ihr das AKH aufgesucht hat, um sich diesbezüglich abzusichern. In der Verletzungsanzeige steht die Diagnose "Zerrung der Halswirbelsäule" und "Verletzungsgrad leicht". Damit ist jedenfalls gesichert, dass die Schmerzen im Nackenbereich, über die die Zeugin klagte, keineswegs auf Einbildung zurückzuführen waren.

Damit steht aber auch fest, dass es sich um einen Verkehrsunfall mit Personenschaden handelte. Ob die Anstoßgeschwindigkeit mehr oder weniger gering war oder nach Auffassung von Sachverständigen üblicherweise Verletzungen hervorzurufen geeignet ist oder nicht, ist in diesem Zusammenhang irrelevant, sodass sich auch die Einholung der beantragten Sachverständigengutachten erübrigte - im Übrigen ist die sich für den Bw am Unfallsort konkret darstellende Situation zur Beurteilung des Sachverhalts heranzuziehen und nicht eine "ex post-Betrachtung" im Lichte eventuell der Vertreterin des Bw bekannter im Rahmen verschiedener Gerichtsverfahren erstellter Sachverständigengutachten.

Tatsache ist, dass die Zeugin S schon an der Unfallstelle über Schmerzen im Nacken klagte, die sie zum einen vor dem Anstoß nicht hatte, und die zum anderen auf Grund des Unfallherganges nachvollziehbar waren. Auf dieser Grundlage ist auch von der Unfallskausalität der Nackenschmerzen der Zeugin auszugehen. Schon aus diesen Überlegungen hätte der Bw nicht darauf "verzichten" dürfen, die nächste Sicherheitsdienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen, um eine Unfallsaufnahme zu gewährleisten.

Die Meldepflicht des § 4 Abs.2 2. Satz StVO besteht auch bei "nicht nennenswerten" oder "geringfügigen" Verletzungen (vgl VwGH v 20. April 1988, 87/02/0118, ua) unabhängig vom Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls (vgl VwGH v 12. April 1973, 1833/72). Erst wenn keine äußeren Verletzungen erkennbar sind und die Frage nach Verletzungen verneint wird, besteht keine Verständigungspflicht (vgl VwGH v 11. Mai 1984, 83/02/0515). Die Meldepflicht dient auch dazu sicherzustellen, mit wem sich die/der Verletzte hinsichtlich eventueller Schadener-satzforderungen auseinander zu setzen haben wird und zur Beweissicherung - die Zeugin T war aber nicht einmal verpflichtet, der Zeugin S ihre Identität nachzuweisen. Eventuelle Ansprüche wären im gegenständlichen Fall gar nicht an den Bw, sondern an die Zeugin T zu richten gewesen, die den Auffahrunfall verursacht hat. Schon aus diesen Überlegungen ist der "Verzicht" des Bw auf die Meldung des Verkehrsunfalles mit Personenschaden eher unverständlich.

Die Vertreterin des Bw wurde mit h Schreiben vom 29. Jänner 2002 auf diese Rechtsansicht hingewiesen und zur Stellungnahme dazu eingeladen. Sie hat sich dazu aus welchen Überlegungen immer (wie auch im Verfahren vor der Erstinstanz) nicht geäußert.

Der Unabhängige Verwaltungssenat vertritt auf dieser Grundlage die Auffassung, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal ihm auch nicht gelungen ist, mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs.1 VStG glaubhaft zu machen. Auch von geringfügigem Verschulden im Sinne des § 21 VStG kann aber keine Rede sein.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 lit.a StVO von 36 Euro (500 S) bis 2.180 Euro (30.000 S) Geldstrafe bzw 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses - zutreffend - die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw als mildernd und, hingegen nichts als erschwerend gewertet und mangels irgendwelcher Angaben des Bw dessen monatlichen Einkünfte auf 10.000 S netto monatlich bei Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten geschätzt. Dem hat der Bw nicht widersprochen, sodass diese Schätzung auch im Rechtsmittelverfahren heranzu-ziehen war.

Der Unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, dass die von der Erstinstanz verhängte Strafe insofern überhöht ist, als der Bw sich selbst durch die Nichtmeldung keinen Vorteil verschafft hat, zumal die Nichtfeststellung eines Personenschadens nicht explizit in seinem Interesse liegen konnte. Er hat damit bloß fahrlässig gehandelt, was eine Herabsetzung der Strafe rechtfertigt.

Die nunmehr verhängte Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG sowohl general- wie auch spezialpräventiven Überlegungen stand. Weitere Milderungs- oder Erschwerungsgründe wurden weder geltend gemacht noch waren solche zu finden.

Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde im Verhältnis zur Geldstrafe gemäß dem gesetzlichen Strafrahmen bemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Schmerzen im Nacken nach Unfall verpflichten unfallbeteiligten Lenker zur Meldung - Strafherabsetzung wegen bloßem Formaldelikt (Bw hatte keinen Vertreter, weil Ansprüche der verletzten Beifahrerin gegen Schuldtragende Unfallgegnerin)

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