Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108046/10/Br/Ni

Linz, 18.02.2002

VwSen - 108046/10/Br/Ni Linz, am 18. Februar 2002

DVR. 0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier, über die Berufung des Herrn P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 13. November 2001, Zl. VerkR96-636-2001-Wam, nach der am 18. Februar 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, wegen der Übertretung nach § 99 Abs.3 lit.a iVm § 97 Abs.5 StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S (entspricht 72,67 Euro) und im Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, und ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 22. Dezember 2000 um 10.45 Uhr den Pkw, Audi 80, Kennzeichen, von Braunau am Inn, auf den Straßenzügen Michaelistraße, Osternbergerstraße, Buchenwaldweg, Brühlweg und

Ölschlagerweg nach Ranshofen gelenkt und dabei den mittels Lichthupe und Blaulicht gegebenen Aufforderungen zum Anhalten zwecks Lenkerkontrolle durch Organe der Straßenaufsicht keine Folge geleistet, indem er auf dieser zumindest 1,2 km weiten Wegstrecke sämtliche dieser Anhaltezeichen ignorierte und seine Fahrt bis zu seinem Wohnhaus, fortsetzte.

1.1. Die Erstbehörde vertrat in der Begründung des Schuldspruches im Ergebnis die Rechtsauffassung, dass die Verwendung der Lichthupe, des Blaulichtes und des Folgetonhorns, für den Berufungswerber als Aufforderung zum Anhalten gegolten hätte. Es wurde demnach der Verantwortung des Berufungswerbers nicht gefolgt, welcher diese Zeichen gegen einen anderen Fahrzeuglenker gerichtet, erachtet haben will. Der Strafzumessung wurde mangels Angaben ein Monatseinkommen von 10.000 S grundgelegt, sodass angesichts fehlender Strafmilderungs- u. Straferschwernisgründe die Geldstrafe tat- und schuldangemessen erachtet wurde.

2. In der dagegen fristgerecht protokollarisch eingebrachten Berufung erklärt der Berufungswerber, er sei sich keiner Schuld bewusst. Er habe das Dienstfahrzeug von Anfang an bemerkt und auch gesehen. Er habe aber das Fahrzeug mit Blaulicht hinter sich ignoriert und sei den kürzesten Weg nach Hause gefahren. Er habe das Blaulicht nicht auf sich bezogen und habe gemeint, es sei "irgendwas geschehen (Überfall etc)".

Abschließend lässt der Berufungswerber durchblicken, diese Amtshandlung als einen Willkürakt der Gendarmerie erachtet zu haben.

3. Da keine 726 Euro (entspricht 9.989,98 S) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch ein Einzelmitglied zu erkennen. Eine Berufungsverhandlung war angesichts der Bestreitung von Tatsachen in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte durchzuführen (§ 51 Abs.1 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt und Verlesung von Aktenteilen, sowie durch Erörterung der im Rahmen eines durch Befahren der Wegstrecke abgesondert durchgeführten Ortsaugenscheins aufgenommenen Lichtbilder. Beweis erhoben wurde ferner durch zeugenschaftliche Vernehmung des RevInsp. W und des BezInsp. E anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18.2.2002, an welcher neben dem als Beschuldigten befragten Berufungswerber auch zwei Organe der Behörde erster Instanz teilnahmen.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte am 22.12.2000 um 10.45 Uhr seinen Pkw im Bereich der HTL und HBLA Braunau auf der Osternbergerstraße. Durch ein auffälliges und auf aggressive Fahrweise schließen lassendes Fahrmanöver im Zuge der Vorbeifahrt an einem Lkw, entschloss sich die zu diesem Zeitpunkt hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers nachfahrende Besatzung eines Dienstkraftwagens des Gendarmeriepostens Braunau am Inn, zur Kontrolle dieses Fahrzeuges bzw. dessen vermutlichen - amtsbekannten - Lenkers, der sichtlich auch nicht angegurtet war. Durch die nachfolgende Abgabe von Lichtzeichen mittels Lichthupe und ebenfalls der anschließenden Verwendung von Blaulicht und Folgetonhorn wurde versucht, den Fahrzeuglenker zum Anhalten seines Fahrzeuges zu veranlassen. Der Berufungswerber setzte jedoch seine Fahrt auf einer als entlegen zu betrachtenden und durch die Beschilderung mit einem Fahrverbot für Kraftfahrzeuge legal nur für Anrainer benutzbaren Wegstrecke unbeirrt fort. Ein Zeichen mit der sogenannten Winkerkelle oder etwa eine Aufforderung zum Anhalten per Lautsprecher erfolgte nicht.

Auszugehen ist davon, dass auf dieser Wegstrecke in dieser Phase kein Gegenverkehr herrschte, sodass angesichts der geringen Straßenbreite von teilweise nur zwei Meter und der Tatsache der Nachfahrt des Einsatzfahrzeuges unter Verwendung des Blaulichts notgedrungen angehalten werden hätte müssen, um ein Vorbeifahren zu ermöglichen. Zutreffend beträgt die Wegstrecke von der HTL in der Osternbergerstraße bis zum Wohnort des Berufungswerbers beträchtlich über einen Kilometer.

Indem der Berufungswerber ausdrücklich einräumt, das Einsatzfahrzeug hinter sich wahrgenommen zu haben, kann nicht nachvollzogen werden, dass er dieses Einsatzfahrzeug nicht auf sich bezogen hätte. Gänzlich unglaubwürdig wäre das Berufungsvorbringen, diese Einsatzfahrt auf einen Überfall zurückgeführt zu haben, aber dennoch das Einsatzfahrzeug offenbar am Vorbeifahren bzw. Überholen gehindert zu haben.

4.2. Der Meldungsleger RevInsp. W legte im Rahmen der Berufungsverhandlung zeugenschaftlich in gut nachvollziehbarer Weise die Umstände, die zum Anhalteentschluss des Berufungswerbers führten, dar. Die Weiterfahrt des Berufungswerbers trotz zahlreicher Licht- und akustischer Zeichen des offenkundig wahrgenommenen Einsatzfahrzeuges, und ebenfalls auf einem für Kraftfahrzeuge durch ein am Beginn des Buchenwaldweges angebrachtes Verkehrszeichen (ausgenommen Anrainer) verbotenen Weg, ließ wohl glaubhaft den Schluss auf einen Alkolenker zu. Beide Zeugen erklärten übereinstimmend, dass sie keine Anhaltekelle verwendeten und auch kein sonstiges Anhaltezeichen von Hand, aus dem Einsatzfahrzeug gaben. Durchaus zu Recht konnte erwartet werden, dass ihnen der Lenker des Vorderfahrzeuges das Überholen bzw. Vorbeifahren ermöglichen würde, um dann die Anhaltung in geeigneter Weise vorzunehmen. Dass seitens der Meldungsleger ein konkretes Anhaltezeichen (Handzeichen oder Winkerkelle) nicht gegeben wurde, bestätigte insbesondere der Zeuge Rev.Insp. W ausdrücklich. Auch der Berufungswerber bestritt nicht, das Einsatzfahrzeug hinter ihm wahrgenommen zu haben und dennoch die Fahrt vor diesem fortgesetzt zu haben. Er ließ in diesem Zusammenhang sogar erkennen, dass ihm das nachfahrenden Einsatzfahrzeug - welches er vorgeblich nicht auf sich bezogen sah - gleichgültig blieb und/oder ihm die Vorschrift des Verhaltens gegenüber Einsatzfahrzeugen nicht hinreichend evident war.

6. Nach § 97 Abs.5 StVO 1960 sind Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlung (u.a.........) zur Anhaltung auffordern.

Schon aus der Wortfolge "zur Anhaltung auffordern" gelangt zum Ausdruck, dass es dazu einer unmittelbaren Zeichensetzung eines dazu legitimierten Organs bedarf.

Im Nachfahren eines Einsatzfahrzeuges mit Blaulicht und Folgetonhorn alleine, ergibt sich eine exklusive Pflicht zum Anhalten jedoch nicht.

Da § 97 Abs.5 StVO nicht nur von Verkehrsposten spricht, können Anhaltezeichen wohl auch von in einem Kfz sitzendem Organ der Straßenaufsicht abgegeben werden. Weil in dieser Gesetzesstelle (nur) von Zeichen die Rede ist, werden in der Literatur darin folgende Möglichkeiten von Zeichengebungen genannt:

1. Aufrichten einer Tafel im Heckfenster des Zivilstreifenwagens

"Stop Polizei"

2. Armzeichen

3. Handzeichen

4. Deuten mit dem Zeigefinger

5. Kopfnicken oder -drehen

6. Zeichen mit der roten Signallampe.

Wird beim Nachfahren vom Lenker des Zivilstreifenwagens das Blaulicht und/oder das Folgetonhorn eingeschaltet, hat der Lenker des verfolgten Fahrzeuges keine Anhalteverpflichtung. Er muss lediglich § 26 Abs.5 erster Satz StVO (Platzmachen!) beachten (ausführlich dazu GRUNDTNER in ZVR 1992, 321 mit umfangreichen Judikatur- und Literaturhinweisen).

Im konkreten Fall hätte dies angesichts der geringen Straßenbreite für den Berufungswerber wohl zwangsläufig ein Heranfahren und Anhalten am rechten Fahrbahnrand bedingt. Ein dagegen obwaltendes Zuwiderhandeln kann aber dennoch nicht als Verstoß nach § 97 Abs.5 StVO umgewandelt werden.

In weiterer Folge wäre als Ergebnis dieser Nachfahrt beim Berufungswerber durch entsprechende Haltezeichen die Anhaltung herbeizuführen gewesen. Dazu konnte es hier jedoch wegen der offenkundigen Hinderung des Einsatzfahrzeuges am Überholen bzw. Vorbeifahren nicht kommen.

Die bloße Nachfahrt mit Blaulicht an sich, vermag aber trotz der hier auch vom Berufungswerber wohl zweifelsfrei zu erahnen gewesenen Anhalteabsicht der Besatzung des Einsatzfahrzeuges dennoch nicht als Anhalteaufforderung iSd § 97 Abs.5 StVO gelten.

Ein solcher Umstand könnte in einem so weiten normativen Verständnis in vielen Fällen auf eine größere Zahl von (nicht gemeinten!) Fahrzeuglenkern auf sich bezogen erachtet werden (etwa im Fall einer Nachfahrt auf der Autobahn). Dem Gesetzgeber kann mit Blick auf die Regelung der Anhalteverpflichtung in der hier angezogenen Gesetzesbestimmung kein so weiter, nämlich in zwei Verhaltensvarianten (Platz machen und gleichzeitig auch anhalten) zum Ausdruck gelangender, imperativer Regelungsinhalt zugesonnen werden.

Auch mit den im Rahmen der Schlussausführungen dargelegten und schriftlich noch nachgereichten wohl durchaus "ergebnisorientierten" Rechtsansichten vermag daher die Behörde erster Instanz, insbesondere mit Blick auf das im Strafrecht geltende Analogieverbot, nicht durchzudringen.

Auch die Formulierung des Spruches in der Strafverfügung vom 22.5.2001 als binnen sechs Monaten gesetzten Verfolgungshandlung, wonach "trotz der Abgabe von Lichtzeichen, Blaulicht der Aufforderung zum Anhalten nicht nachgekommen wurde", wird dem Konkretisierungsgebot mit Blick auf die Tatbestandselemente des § 26 Abs.5 StVO 1960 nicht in hinreichender Weise gerecht. Ein Austausch der Rechtsnorm scheitert somit auch daran. Wesentliches Tatbestandselement der zuletzt genannten Schutzvorschrift ist es, "einem Einsatzfahrzeug Platz zu machen", wobei dies gegebenenfalls auch ein Anhalten bedingen kann. Dies wurde dem Berufungswerber aber nie zur Last gelegt, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die Tatidentität so ausreichend bestimmt ist, dass für den Beschuldigten die Verteidigungsmöglichkeit innerhalb der Frist nach § 31 Abs.2 iVm § 32 Abs.2 VStG gewahrt und die Gefahr einer Doppelbestrafung ausgeschlossen werden kann. Die hier verfehlte Tatanlastung - § 97 Abs.5 StVO 1960 anstatt zutreffend § 26 Abs.5 StVO 1960 - ist somit mangels einer Umschreibung des offenkundig hier gesetzten Fehlverhaltens nicht mehr sanierbar, sodass, trotz der hier besonders gebotenen inhaltlichen Umsetzung des staatlichen Strafanspruchs hinsichtlich zweier Übertretungspunkte, aus formalrechtlichen Gründen aber dennoch unterbleiben muss. Der hier zusätzlich zur Anzeige gelangte Verstoß gegen das "allgemeine Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge" (ausgenommen Anrainer) wurde im Anschluss an das ordentliche Ermittlungsverfahren (im Straferkenntnis) fallen gelassen.

Eine Aufrechterhaltung des Schuldspruches durch Austausch der Übertretungsnorm, der nicht ohne der Neuformulierung des Tatverhaltens geschehen könnte, ist daher dem Unabhängigen Verwaltungssenat als Berufungsbehörde verwehrt.

Mangels einer Tathandlung im Sinne des § 97 Abs.5 StVO ist das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen gewesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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