Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-108058/11/Br/Ni

Linz, 19.03.2002

VwSen-108058/11/Br/Ni Linz, am 19. März 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer (Vorsitzender Dr. Langeder, Beisitzer Dr. Weiß, Berichter Dr. Bleier) über die Berufung des O, geb. 15.8.1955, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B, vom 17. Jänner 2002, Zl: VerkR96, nach der am 12. März 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht:

  1. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der erstinstanzliche Tatvorwurf bei unverändertem Text im Atemluftalkohol-
    gehalt auf "0,57 mg/l" abzuändern ist. Die Geldstrafe wird auf 700 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf neun Tage ermäßigt; als Strafnorm gelangt § 99 Abs.1b StVO 1960 zur Anwendung.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf 70 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§16 Abs.2, 19, 24 und 51e Abs.1 VStG

zu II: § 65 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft B am Inn hat mit dem o.a. Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine auf § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1a gestützte Geldstrafe in Höhe von 872,07 Euro und für den im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von dreizehn Tagen verhängt und folgendes Tatverhalten zur Last gelegt:

"Sie lenkten am 1. 12. 2001 um 05.07 Uhr den Pkw, im Gemeindegebiet von B und haben sich hiebei aufgrund des bei Ihnen gemessenen Atemluftalkoholgehaltes von 0,60 mg/l in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden."

Die Behörde erster Instanz erblickte das zur Last gelegte Tatverhalten durch Messung mit einem zugelassenen und geeichtem Messgerät (Alkomat) als erwiesen.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit der fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung nachfolgenden Inhaltes:

"Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B am Inn vom 17.1.2002, VerkR96, erhebe ich binnen offener Frist

BERUFUNG

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Da der in Verwendung gestandene Alkomat als Messgerät den Bestimmungen des MEG unterliegt, ist der Beweis der erfolgten fristgerechten und erfolgreichen Eichung durch Urkundenbeweis zu führen, nämlich durch Einholung des Eichscheines bzw. einer eichamtlichen Bestätigung des BEV, ein Verweis auf einen Eichstempel am Gerät reicht nicht aus.

Diesbezüglich ist das erstbehördliche Ermittlungsverfahren ergänzungsbedürftig geblieben.

Ich habe nicht bestritten, vor der gegenständlichen Fahrt Alkohol konsumiert zu haben, dies aber zwischen 20.00 Uhr und etwa 05.00 Uhr der gegenständlichen Nacht, also über eine Zeitspanne von rund sieben Stunden hindurch in einem Ausmaß, welches nicht annähernd geeignet ist, einen Atemluftalkoholgehalt von 0,6 mg/l zu bewirken, ich war bei dieser Fahrt nicht alkoholbeeinträchtigt.

Vor Fahrtantritt habe ich das genannte scharfe Zuckerl in den Mund genommen, vom Gendarmeriebeamten wurde ich nicht gefragt, ob ich etwas lutsche, diesem sei lediglich nicht aufgefallen, wie er als Zeuge ausführt, dass ich ein Zuckerl im Mund hatte, was aber nicht geeignet ist, einer Beweiswürdigung dahingehend zugrundegelegt zu werden, dass entgegen meiner Behauptung festgestellt werden kann, dass ich das Zuckerl der Marke "fishermans friends" innerhalb einer viertel Stunde vor Testbeginn nicht genossen habe.

Ich habe nicht gewußt, dass man das nicht tun soll, hierüber wurde nicht gesprochen, von "sonstigen Substanzen" war keine Rede und wäre eine diesbezügliche Belehrung auch realitätsfremd und nicht klar definiert.

Ich gehe daher davon aus, dass das Meßergebnis durch jene Substanzen, welche sich durch das Lutschen des Zuckerls auf den Mund- und Rachenschleimhäuten befanden, zu meinen Ungunsten beeinflußt wurde; die Bedienungsanleitung wurde demnach nicht eingehalten, weswegen ein verwertbares Meßergebnis nur dann angenommen werden könnte, wenn - wie ich bereits beantragt habe - ein technisches Amtssachverständigengutachten zum Ergebnis kommt, dass der Genuß dieses Zuckerls nicht geeignet war, das Meßergebnis zu meinen Ungunsten zu beeinflussen.

Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass selbst ein Hundertstel Milligramm pro Liter, welcher aus dem Genuß dieses Zuckerls resultiert, weitreichende Folgen auf das Lenkberechtigungsentzugsverfahren (vier Wochen statt drei Monate) hat und im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren eine andere, für mich günstigere Strafnorm zur Anwendung käme.

Ein Wert von 0,6 mg/l AAG ist schon deshalb nicht der Bestrafung zugrundezulegen, weil im Sinne des Punktes H. Z. 1 lit.a die Eichfehlergrenzen für den Bereich zwischen 0 und 2 mg/l plus/minus 5 % vom Meßwert betragen, nicht jedoch weniger als plus/minus 0,02 mg/l (Zulassung des BEV vom 27.06.1990, ZI. 41 483/90, veröffentlicht im Amtsblatt für das Eichwesen Nr. 6/1990).

Diese Verkehrsfehlergrenze gilt für alle in Österreich zur Eichung zugelassenen Bauarten von Atemalkohol-Meßgeräten.

Beweis: beiliegendes Schreiben des BEV vom 05.06.1998, GZ 3904/98 sowie Schreiben des BEV an den Präsidenten und Senatsvorsitzenden des UVS Salzburg im damaligen Verfahren UVS-3/11.480/6-2000 vom 19.07.2000;

Die Frage der Notwendigkeit der Berücksichtigung der sogenannten Eich- bzw. Verkehrsfehlergrenzen ist eine Sach- und keine Rechtsfrage, welche mittels Sachverständigen zu lösen ist, das BEV muß im gegebenen Zusammenhang als Zulassungsbehörde auch als Sachverständiger angesehen werden.

Spricht das BEV somit in den Zulassungsbestimmungen aus, dass die 5 %-ige Verkehrsfehlergrenze berücksichtigt werden muß, so entspricht die Berücksichtigung dieses Umstandes nicht nur der einfachgesetzlichen Bestimmung des § 25 Abs. 2 VStG, sondern würde deren Nichtbeachtung zu einer Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein fair trial iSd Art. 6 Abs. 3 lit.d EMRK bedeuten, zumal diese Bestimmung den Zeugen- und Sachverständigenbeweis umfaßt.

Vor kurzem hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil festgestellt, dass der in Rede stehende Alkomat im Gegensatz zu jenem der Marke Dräger, welcher auch in der BRD eingesetzt wird, lediglich über einziges Meßsystem verfügt, welches nicht ausschließt, dass Fremdsubstanzen auf das Ergebnis nehmen. Diesem Urteil lag ein Meßergebnis von 0,96 mg/l AAG zugrunde, was laut Urteil einem Blutalkoholgehalt von sage und schreiben 0,71 bis 3,5 Promille gleichkommen kann.

Vor kurzem konnte mein Rechtsvertreter als Verteidiger eines Angeklagten in einem Strafprozeß im Zuge des Berufungsverfahrens vor dem OLG Linz, in welchem der Sachverständigenbeweis ergänzt wurde, mittels medizinischem Gutachten nachweisen, dass im damaligen Fall ein Umrechnungsfaktor zwischen Atemluft- und Blutalkoholgehalt von 1 : 1735 und nicht wie üblicherweise angenommen von 1 : 2000 vorlag, was dazu geführt hat, dass das Erreichen der 0,8 Promille-Grenze nicht erwiesen werden konnte (§ 81 Z. 2 iVm § 88 Abs. 4 StGB).

Es ist daher nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit davon auszugehen, dass mit diesem Alkomaten ein verwertbares Meßergebnis erzielt wurde.

Beweis: meßtechnisches Amtssachverständigengutachten, weitere Beweise vorbehalten;

Die von der Erstbehörde geschätzten Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse werden akzeptiert.

Ich stelle daher höflich den

ANTRAG,

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge meiner Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B am Inn vom 17.01.2002 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

Mattighofen, am 24.01.2002 O"

OrtmWa/LBE

Dr.P/In

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. März 2002. Im Rahmen der Berufungsver-handlung wurde der Meldungsleger RevInsp. als Zeuge und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen. Wegen des Hinweises auf Aussagen zur Atemluftmessung in der deutschen Rechtsprechung wurde auch das Urteil des VG München, Zl. M6b beigeschafft und durch Ausfolgung einer Kopie auch an die Behörde erster Instanz mit dem ebenfalls verfügbar gemachten, darin zitierten Gutachten von Prof. Dr. Jochen Wilske, "Die beweissichere Atemluftprobe", veröffentlicht in DAR (Deutsches Autorecht) 1/2000 verlesen und einer ausführlichen Erörterung durch den Amtssachverständigen, TOAR A, unterzogen. Zur Frage der Verkehrsfehlergrenze wurde angesichts dem in den Medien bekannt gemachten Urteil des VG München die vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (im Folgenden kurz BEV genannt) an das BMfI gerichtete Stellungnahme eingeholt und mit dem Sachverständigen erörtert. Beigeschafft und verlesen wurde ferner eine Bestätigung des BEV die belegt, dass für den hier einsatzrelevanten Zeitraum geeicht war.

An der Berufungsverhandlung nahm auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil.

4. Zum Sachverhalt hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Unbestritten steht fest, dass der Berufungswerber am 1. 12. 2001 um 05.07 Uhr im Stadtgebiet von B am Inn einen Pkw lenkte und vom Meldungsleger RevInsp. im Zuge einer routinemäßigen Anhaltung um 05.26 und 05.27 Uhr einer Atemluftuntersuchung mit dem ordnungsgemäß geeichten Alkomaten der Marke Siemens unterzogen wurde. Diese erbrachte ein Ergebnis von 0,61 mg/l und 0,60 mg/l.

Entgegen der diesbezüglich vom Berufungswerber geäußerten Bedenken ist von einer Beeinflussung der Messung durch sogenannte Quersubstanzen (hier in Form eines gelutschten Zuckerls nach der Anhaltung und/oder bei der Beatmung des Alkomaten) nicht auszugehen. Letzteres insofern, als einerseits der Berufungswerber selbst erklärte zum Zeitpunkt der Beatmung des Alkomaten das Zuckerl bereits fertig gelutscht gehabt zu haben. Da andererseits der Berufungswerber gemäß der praxisnahen Darstellung durch den Meldungsleger während der Amtshandlung bis zu der fast eine halbe Stunde später erfolgten Atemluftuntersuchung unter ständiger Beobachtung stand und dabei ein Lutschen eines Zuckerls nicht auffiel, ist im Lichte der Beurteilung durch den Sachverständigen eine Auswirkung auf das Messergebnis auszuschließen. Unter Bedachtnahme auf die allgemeine Lebenserfahrung wird für das "Ablutschen" eines Zuckerls wohl kaum ein fünf Minuten übersteigender Zeitraum beansprucht. Wenn daher der Berufungswerber tatsächlich vor Fahrtantritt ein solches Zuckerl in den Mund genommen hätte, wäre immer noch der nach den Verwendungsbestimmungen vorgeschriebene Zeitraum gewahrt geblieben. Darüber hinaus ergab sich aus den Ausführungen des Sachverständigen, dass Zuckerl der Marke "fisherman´s friends" keine alkoholische Substanz enthalten. Mit Blick darauf vermag der Berufungswerber einen Verstoß gegen die Verwendungsrichtlinien bzw. die Unverwertbarkeit dieser Messung nicht darzutun.

Gemäß der Stellungnahme des BEV war das Gerät zum Zeitpunkt der hier verfahrensgegenständlichen Verwendung auch ordnungsgemäß geeicht und laut Amtsblatt für das Eichwesen zugelassen. Die Verwendung erfolgte nach den Ausführungen des Meldungslegers, im Sinne der Zulassungsbedingungen.

Aus diesen geht aber andererseits auch hervor (und damit ist dem Berufungswerber in seinen Ausführungen zu folgen), dass bei diesem Gerät von einer Eich- bzw. Verkehrsfehlergrenze im hier verfahrensgegenständlichem Umfang von +/- 5% vom Messwert, jedoch nicht weniger als +/- 0,02 mg/l auszugehen ist. Dies ist bei der Beweiserhebung bzw. Würdigung zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang legte auch der Sachverständige erklärend dar, dass bei einem grenzwertigen Ergebnis das tatsächliche Ergebnis im Umfang des Verkehrsfehlers geringer sein kann, wenngleich in aller Regel das tatsächliche Ergebnis auch dem angezeigten entsprechen wird. Im Sinne des im Strafrecht geltenden Grundsatzes "im Zweifel zu Gunsten des Beschuldigten" ist demnach von einer gesicherten Beweislage nur bei einem Messwert unter Berücksichtigung (abzüglich) des Verkehrs- bzw. Eichfehlers auszugehen.

Dem darüber hinaus gehenden Einwand in der Berufung, wonach der Alkomat der Marke Siemens keine ausreichende Beweissicherheit einer Atemluftalkohol-konzentration (folglich kurz AAK) liefern könne, ist aber nicht zu folgen. Dafür lassen auch die Ausführungen im Urteil des VG München keine sachlichen Anhaltspunkte gewinnen, zumal dort im Ergebnis lediglich die Konvertierbarkeit einer Atemluftalkoholkonzentration (folglich kurz AAK) auf die Blutalkoholkonzentration (BAK) verneint wird. Nach den im genannten Urteil bezogenen wissenschaftlichen Untersuchungen seien Schwankungen zwischen 0,740 zu 1 bis 3,290 zu 1 nachgewiesen worden (Hinweis auf das Gutachten von Prof. Wilske, Institut für Rechtsmedizin, Universität des Saarlands, Homburg ("Die beweissichere Atemalkohol-probe - Wie beweissicher ist sie?" in DAR 2000, 16, 19).

In der deutschen Judikatur wird beim Alkomaten vereinzelt die Grenzwertsicherheit in Frage gestellt und weitergehend als nicht ausreichendes Beweismittel für eine richterliche Überzeugungsbildung erachtet (Beschluss des OLG Stuttgart v. 6.7.2000, 2 Ss 295/00, sowie Dr. W. Mathias, Presseinformation der Universität Köln 120/1996).

Weil gemäß der deutschen Rechtslage die Fahrunfähigkeit auf den BAK gestützt wird, muss wegen der fehlenden Konvertierbarkeit eine formelhafte Umrechnung einer Atemalkoholkonzentration auf eine Blutalkoholkonzentration im Rahmen der Beweiswürdigung ausscheiden. Vor diesem Hintergrund scheint es jedoch zwingend, den Verkehrsfehler eines Alkomaten im Rahmen der Beweiswürdigung zu Gunsten des Berufungswerbers zu berücksichtigen, womit aber bei sachlicher Betrachtung die Messtauglichkeit als solche nicht in Frage gestellt wird.

Laut Stellungnahme des BEV vom 16.1.2002 an das Bundesministerium für Inneres wurde dieser Alkomat im Rahmen des Zulassungsverfahrens ausführlichsten Prüfungen unterzogen. Für den Oö. Verwaltungssenat ergeben sich im Rahmen dieser Problematik keine nachvollziehbaren Hinweise, wonach der Alkomat der Marke Siemens nicht geeignet wäre, den Atemalkoholgehalt innerhalb der gesetzlichen Grenzen in einer für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zu messen.

Auf die in Österreich einzuhaltende und in diesem Fall auch tatsächlich eingehaltene Wartepflicht bis zur Abgabe der Atemluft, nehmen die kritischen Stellungnahmen aus der Bundesrepublik Deutschland aber nicht Bezug.

Das Thema Querempfindlichkeit ist laut BEV auch in international durchgeführten wissenschaftlichen Arbeiten behandelt worden.

Der Sachverständige legte zum Thema Querempfindlichkeit nachvollziehbar dar, dass die - hier eingehaltene - Wartepflicht eben dazu dient, den Einfluss sogenannter Quersubstanzen auf das Messergebnis zu eliminieren.

Die fehlende Konvertierbarkeit eines AAK-Wertes in einen BAK-Wert führt aber im Sinne des Berufungsvorbringens zwingend zum Ergebnis, dass ein sogenannter Gegenbeweis (Freibeweis) durch eine Blutabnahme wegen der obgenannten möglichen Abweichungen sachlich nicht haltbar ist. Auch das BEV gelangt am Schluss der o.a. Stellungnahme an das Innenministerium zur Auffassung, dass eine Umrechnung von Atemalkoholmesswerten in eine Blutalkoholkonzentration, "weder nötig noch zulässig" wäre und "auch nach den internationalen Gepflogenheiten unüblich" sei.

Damit kommt aber im Lichte des oben Gesagten der Frage der Verkehrsfehlergrenze eine andere Bedeutung auf der Beweisebene zu. Diesbezüglich ist dem Berufungswerber ebenfalls mit seinem Hinweis auf die Stellungnahme des BEV an den Vorsitzenden des Unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg zu folgen. Darin wird zur Frage der Verkehrsfehlergrenze die Auffassung vertreten, wonach bei einem bestimmten Testergebnis dieses um 0,02 mg/l sowohl nach oben aber auch nach unten abweichen kann. Dies wurde auch vom Sachverständigen im h. Verfahren klar und nachdrücklich bestätigt. Daraus folgt für den gegenständlichen Fall, dass hier bei beiden Messungen (0,61 mg/l und 0,60 mg/l) das tatsächliche Ergebnis (gerundet) 0,58 mg/l und 0,57 mg/l lauten könnte (Schreiben des BEV vom 19. Juli 2000, GZ. 4779/2000).

Somit kann im vorliegenden Fall lediglich eine Atemluftkonzentration von 0,57 mg/l als erwiesen gelten.

Diese Beweiswürdigung stützt sich auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Amtssachverständigen Ing. A und auf die bezogenen Quellen.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

§ 5 Abs.1 Z1 StVO lautet:

"Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt."

Nach § 5 Abs.3 leg.cit. ist die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mit einem Gerät vorzunehmen, das den Alkoholgehalt der Atemluft mißt und entsprechend anzeigt (Alkomat).

§ 99 Abs.1a und 1b lauten:

(1a) "(Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 12 000 S bis 60 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

(1b) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 8 000 S bis 50 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt."

Schon bisher wurde eine starre Beweisregelung in Grenzwertbereichen des Atemluftalkoholgehaltes mit Blick auf Art. 6 EMRK als verfassungsrechtlich problematisch erachtet. Es sei mit einem fair trial unvereinbar einen häufig nicht oder nur schwer erbringbaren Gegenbeweis in Form einer als "Freibeweis" beizuschaffenden Blutuntersuchung auf dem Beschuldigten zu überzuwälzen, weil damit im Ergebnis eine Bindung an eine starre Beweisregel einhergehe (vgl. Steindl/Neuninger/Missliwetz/Kreuzer/Ellinger, Der Alkomat aus der Sicht des Gerichtsmediziners ZVR 1991, 289, mit Hinweis auf VfGH v. 1.3.1991, G 274/90 u.a.).

Der gesetzliche Wortlaut (Blutalkoholgehalt 0,8 g/l [0,8 Promille] und demgegenüber 0,4 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft) lässt auf die Annahme einer weitgehenden Korrelation der Werte und auch auf eine "Gleichwertigkeit" der Atemalkoholmessung und Blutuntersuchung schließen. In nunmehriger Kenntnis eines möglicherweise, weitgehenden Auseinanderklaffens dieser Werte, kann die Messfehlergrenze nicht mehr im Rahmen der rechtlichen Beurteilung in Form einer analogen Vergleichbarkeit mit dem Blutalkoholgehalt gesehen werden (so aber VwGH 23.7.1999, 96/02/0016 mit ausführlichem Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu 19. StVO-Novelle).

Damit würde auf der Rechtsebene und wohl entgegen der Intention des Gesetzes der beizubringende Blutalkoholwert dem Atemluftergebnis als übergeordnet gegenübergestellt. Die Verneinung der Relevanz des Verkehrsfehlers schafft für den Betroffenen eine in der Praxis vielfach unzumutbare Beweislast, zumal eine Krankenanstalt zur Blutabnahme für den Betroffenen vor allem auf dem Land und zur Nachtzeit vielfach nicht erreichbar sein dürfte. Damit würde letztlich auch eine Beweisregel allein für die Atemluftmessung aufgestellt, obwohl diese gesetzlich der Blutalkoholmessung (anders als offenbar in Deutschland) gleichwertig ist.

Die aus der Beweislage folgende Feststellung einer Alkoholbeeinträchtigung iSd § 5 Abs.1 StVO ist schon bei einem Blutalkoholgehalt von unter 0,8 Promille bzw. einem Atemluftalkoholgehalt von unter 0,4 mg/l denkbar, wenn eine die Fahruntauglichkeit bedingende Beeinträchtigung nach den Umständen des Einzelfalls vorliegt (VwGH 28.5.1993, 93/02/0092 mit weiteren Judikaturhinweisen). Da es für diese Annahme auf der Sachebene aber eines weiteren Tatsachenbeweises (etwa in Form einer klinischen Untersuchung) bedarf, ist es folglich inkonsequent und die im gesetzlich definierten Messwert gründende "unwiderlegbare Rechtsvermutung" unterlaufend, den Verkehrsfehler des Alkomaten zu ignorieren und dem Betroffenen die Beweislast im Grenzwertbereich über den zweiten Wert (Blutalkoholwert) zu übertragen.

Eine solche Rechtsauslegung wäre nicht zuletzt auch mit Blick auf das Selbstbeschuldigungsverbot iSd Art. 90 Abs.2 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich.

Da, wie auch aus der Judikatur des VwGH ersichtlich, der Atemalkoholwert und der Blutalkoholwert, als ein vom Gesetz definierter jeweils "selbstständiger" Wert anzusehen ist, haben diese, messtechnisch gewonnenen Werte unter Berücksichtigung der Mess- u. Verkehrsfehler zu Gunsten eines Beschuldigten auf der Tatsachenebene als verfahrensrelevant zu gelten.

Die bisherige Judikatur, wonach auch eine grenzwertige Alkomatmessung im Rahmen des "angezeigten Wertes" als Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung gilt - es sei denn, dass eine Bestimmung des Blutalkoholgehaltes etwas anderes ergibt - scheint angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit dieser Werte sachlich nicht mehr vertretbar (vgl. jüngst h. Erk. VwSen, mit Hinweis auf VwGH 20.5.1993, 93/02/0092) .

Die Vornahme eines Abzuges vom festgestellten Atemalkoholgehalt im Ausmaß von Eich- und Verkehrsfehlergrenzen - wie etwa bei Radar- und Lasermessungen und auch bisher schon bei Grenzwerten in Verfahren betreffend Alkohol beim Lenken eines KFZ innerhalb der Grenzen des Führerscheingesetzes (0,25 mg/l) - muss angesichts einer nunmehr als erwiesen geltenden, weitgehend fehlenden Korrelation dieser Werte, wohl auch bei den sich aus § 99 Abs.1 ff StVO ergebenden Grenzbereichen gelten. Dies folgt vor allem mit Blick auf die weitreichenden Rechtsfolgewirkungen in den verschiedenen Strafrahmen einerseits und die gravierenden Unterschiede in der Entzugsdauer im Administrativverfahren über die Lenkberechtigung andererseits.

Dabei kommt aber auch den rechtlichen Argumenten des Berufungswerbers mit Hinweis auf Art.6 Abs.3 lit.d EMRK ganz besondere Bedeutung zu. Mit dem Geist eines fairen Verfahrens scheint es kaum vereinbar, einen Verkehrsfehler zum Nachteil des Beschuldigten unberücksichtigt zu lassen und von ihm einen Entlastungsbeweis zu verlangen, der in vielen Fällen nicht erbringbar ist und mit einem physischen Eingriff in den eigenen Körper und mit hohen Kosten verbunden ist.

Gleichzeitig geht mit der fehlenden Korrelation der BAK und der AAK, die in der StVO verselbstständigte Wertparameter sind, der vom Berufungswerber gemachte Hinweis auf ein Ergebnis eines Berufungsverfahrens beim OLG Linz iZm § 84 Abs.4 iVm § 81 Z2 StGB ins Leere.

6. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Da nunmehr von einem anderen strafsatzbegründenden, jedoch im oberen Bereich liegenden Alkoholisierungsgrad auszugehen ist, erscheint nunmehr eine den gesetzlichen Mindeststrafsatz von 581 Euro (bis 3.633 Euro) um ca. 120 Euro und die Mindestersatzfreiheitsstrafe um zwei Tage übersteigende Ersatzfreiheitsstrafe mit Blick auf das eher unterdurchschnittlich anzunehmende Einkommen tatschuldangemessen. Die Ersatzfreiheitsstrafe konnte mit Blick darauf im Verhältnis zur Geldstrafe geringfügig höher bemessen werden.

Abschließend sei festgestellt, dass die Anwendung des a.o. Milderungsrechtes (§ 20 VStG) lediglich bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe zulässig wäre. Mangels beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kommt die Anwendung dieses Rechtsinstitutes nicht in Betracht. Ebenso wenig ist hier im anzunehmenden Wissen um eine mögliche Alkoholbeeinträchtigung von keinem geringen Verschuldensgrades und ebenfalls bei Lenken im alkoholisiertem Zustand von keinen bloß unbedeutenden Tatfolgen auszugehen. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG liegen somit nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. L a n g e d e r

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 25.01.2005, Zl.: 2002/02/0142-5