Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240244/2/WEI/Bk

Linz, 18.03.1998

VwSen-240244/2/WEI/Bk Linz, am 18. März 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des K vom 27. Februar 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. Februar 1997, Zl.  SanRB 96-3-1995-Fu, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelgesetz 1975 (BGBl Nr. 86/1975, zuletzt geändert mit BGBl Nr. 756/1992) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 10. Februar 1997 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG verantwortlicher Beauftragter der Firma E, aufgrund einer am 4.10.1994 erfolgten Bestellung durch die Firma W am 5.10.1994 an die Firma W, 6 Packungen (zwischen 250g und 280g) Goldbarsch geräuchert und vakuumverpackt geliefert und damit in Verkehr gebracht, ohne diese verpackten Lebensmittel der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 entsprechend leicht verständlich an gut sichtbarer Stelle deutlich lesbar und dauerhaft gekennzeichnet zu haben, da die Kennzeichnungselemente gemäß § 4 Ziffer 1 LMKV 1993 - die handelsübliche Sachbezeichnung und Ziffer 5 LMKV 1993 - der Zeitpunkt bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält (Mindesthaltbarkeitsdatum) fehlten." Dadurch erachtete die belangte Behörde § 1 Abs 1, § 4 Z 1 und 5 LMKV 1993 iVm § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975 eine Geldstrafe von S 1.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit (gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG) eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden. 1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seiner Rechtsvertreter am 18. Februar 1997 zugestellt wurde, richtet sich die am 3. März 1997 rechtzeitig zur Post gegebene Berufung vom 27. Februar 1997, die am 4. März 1997 bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung bekämpft den Schuldspruch und beantragt die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG. 1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Das Lebensmittelaufsichtsorgan der BH Rohrbach hat mit Schreiben vom 22. März 1995, SanLP-96-103/45-1995, über eine Beanstandung anläßlich der am 24. Jänner 1995 durchgeführten lebensmittelpolizeilichen Revision im WM-W 11, berichtet. Es stellte fest, daß 6 vakuumverpackte geräucherte Goldbarsche (zwischen 250 g und 280 g) ohne ordnungsgemäße Kennzeichnung nach § 4 Abs 1 (handelsübliche Sachbezeichnung) und Abs 5 (Mindesthaltbarkeitsdatum) LMKV 1993 zum Verkauf angeboten wurden. Beigelegt wurde die Kopie einer Vakuumverpackung mit aufgeklebter, offenbar stark beschädigter und teilweise fehlender Etikette (Beilage I) sowie eine Kopie der Rechnung vom 5. Oktober 1994 der E, an W. Diese als Beilage II bezeichnete Rechnung mit der Belegnummer 3718 führt unter den Rubriken "Ihre Bestellung" und "Bestelldatum" die Vermerke "Abholung" und "04.10.94" an. Sie enthält den Posten "1,000 Krt Goldbarsch ger. 2kg" und verweist ausdrücklich auf "Lieferschein Nr. 4097 vom 04.10.1994".

2.2. Die belangte Behörde, der das Strafverfahren nach § 29a VStG abgetreten wurde, erließ zunächst gegen den Bw als gemäß § 9 Abs 2 VStG verantwortlich Beauftragten die Strafverfügung vom 27. Juni 1995, gegen die der noch nicht begründete Einspruch vom 7. Juli 1995 erhoben wurde. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13. Juli 1995 hat die belangte Behörde wie schon in der Strafverfügung folgende Tat angelastet:

"Sie haben als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter der Firma E am 5.10.1994 vom Betrieb der vorgenannten Firma in, an die Firma W, mindestens 6 Packungen Goldbarsch angeliefert und damit in Verkehr gebracht, ohne diese Ware der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 entsprechend gekennzeichnet zu haben, da die Kennzeichnungselemente gemäß § 4 Ziffer 1 - handelsübliche Sachbezeichnung und Ziffer 5 - der Zeitpunkt bis zu dem die Ware ihre spezifische Eigenschaft behält (Mindesthaltbarkeitsdatum) fehlten." In der durch seinen Rechtsfreund eingebrachten Stellungnahme des Bw vom 5. September 1995 wurde dazu vorgebracht, daß auf den Packungen Goldbarsch am 5. Oktober 1994 Etiketten angebracht waren, auf denen die handelsübliche Sachbezeichnung und das Mindesthaltbarkeitsdatum ersichtlich gewesen wären. Veränderungen durch die Firma WM W entzögen sich dem Einflußbereich des Einschreiters. Es wurde die Einstellung, hilfsweise die zeugenschaftliche Einvernahme des Filialleiters des SB Marktes W beantragt.

Mit Rechtshilfeersuchen vom 11. September 1995 ersuchte die belangte Behörde die BH Rohrbach um Einvernahme eines Verantwortlichen der Firma WM W. Die BH Rohrbach leitete das Rechtshilfeersuchen an die Marktgemeinde A weiter, die am 25. September 1995 den Kaufmann W äußerst dürftig befragte. Zum Gegenstand des Rechtshilfeersuchens wurde nur der folgende Satz protokolliert: "Die Verpackung der Ware wurde von uns in keiner Weise verändert." In der Stellungnahme des Bw vom 30. Oktober 1995 wird diese spärliche Einvernahme für ungeeignet gehalten, seine Verantwortung zu widerlegen. Die Beanstandung des Aufsichtsorganes, die mehr als drei Monate nach Lieferung stattgefunden hätte, könne auch auf Tiefkühlung oder andere Faktoren (Entfernung der Etikette durch Kunden) zurückzuführen sein. Der Goldbarsch wäre nicht für Letztverbraucher bestimmt gewesen, weil es zwei Arten von Verpackungen (20 dag und 1 kg) gäbe. Die belangte Behörde gehe von einem unrichtigen Zeitpunkt aus, weil lediglich die Rechnung Nr. 3718 vom 5. Oktober 1995 stamme. Innerhalb der einjährigen Verfolgungsfrist wäre keine ordnungsgemäße Verfolgungshandlung gesetzt worden.

Die belangte Behörde hat nach Ausweis der vorgelegten Akten keine weiteren Erhebungen durchgeführt und das Straferkenntnis vom 10. Februar 1997 erlassen. Zu den Einwendungen des Bw meinte die belangte Strafbehörde, daß im Falle der Ablösung der Etikette die Kennzeichnung jedenfalls nicht ordnungsgemäß erfolgt wäre, da diese dauerhaft hätte ausgeführt werden müssen. Die Lagerung wäre vom Lebensmittelaufsichtsorgan nicht bemängelt worden, weshalb kein Zweifel bestehen könne, daß sie ordnungsgemäß erfolgt wäre und darin kein Grund für die Ablösung der Etikette gelegen sein könnte. Bei Entfernung einer dauerhaft angebrachten Etikette durch einen Kunden, hätte dieser die Verpackung beschädigen müssen, wofür es keine Hinweise gäbe. Zum bemängelten Tatzeitpunkt räumt die belangte Behörde ein, daß die Lieferung möglicherweise noch am Bestellungstag, dem 4. Oktober 1994, erfolgt sein könnte. Wahrscheinlicher sei jedoch, daß sie am Tag darauf, dem 5. Oktober 1994, durchgeführt wurde. Der Tatvorwurf sei damit hinreichend konkretisiert und hätte der Bw den genauen Liefertermin feststellen und mitteilen können. Er hätte auch hinreichend Gelegenheit gehabt, zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen und Beweise anzubieten. Eine Verwechslungsgefahr sei nicht realistisch.

2.3. Die Berufung rügt zunächst eine Verletzung des § 44a VStG und bringt dazu vor, daß die Tatumschreibung unrichtig wäre. Wie aus der Rechnung hervorgehe, sei die Ware am 4. Oktober 1994 bestellt und abgeholt worden. Sie wäre jedenfalls nicht am 5. Oktober 1994 in Verkehr gesetzt worden. Wegen der ständigen Geschäftsbeziehung zwischen der Firma W und der Firma E GmbH und einer Reihe von Lieferungen Goldbarsch könne vom Bw nicht nachvollzogen werden, wann die gegenständlichen Packungen Goldbarsch in Verkehr gesetzt wurden. Dies sei auch deshalb unklar, weil das Produkt erst am 24. Jänner 1995 und sohin beinahe 4 Monate nach der angeblichen Tatzeit vorgefunden wurde.

Der Tatvorwurf sei durch das Beweisverfahren nicht gedeckt. Nach den Angaben des Aufsichtsorganes stehe nur fest, daß die Ware am 24. Jänner 1995 um 08.30 Uhr ohne entsprechende Kennzeichnung vorgefunden wurde. Daß die Ware am 5. Oktober 1994 von der Firma E bezogen worden sei, werde schon durch den Lieferschein widerlegt. Es sei auszuschließen, daß das Produkt ohne die entsprechende Kennzeichnung nach der LMKV ausgeliefert wurde. Die Firma E verfüge über eine moderne Verpackungsstraße, auf der die Fische maschinell vorbehandelt und abgewogen werden. Wenn ein Fisch auf die Waage gelangt, werde automatisch ein Etikett ausgedruckt, auf dem das Gewicht, die handelsübliche Sachbezeichnung und das Mindesthaltbarkeitsdatum stehen. Dieses Etikett werde dann auf die Vakuumverpackung geklebt und vor der Verpackung in Schachteln nochmals durchgesehen. Selbst wenn man annimmt, daß das beanstandete Produkt mit der Rechnung vom 5. Oktober 1994 verkauft wurde, könne nicht gesagt werden, daß die Ware ohne entsprechende Kennzeichnung in Verkehr gesetzt worden wäre. Aus dem Beweisverfahren ergebe sich, daß die Firma W die Produkte abgeholt hat. Sie wäre daher auch für den Transport, das Auspacken und die Lagerung verantwortlich gewesen. Da auf der Verpackung auch das Etikett mit dem Hinweis "ca. 30 min vor dem Genuß aus dem Kühlschrank nehmen, vakuumverpackt, Lagertemperatur 0ï‚° bis 6ï‚°" vorhanden war, könne ausgeschlossen werden, daß die Etikettiermaschine nicht funktionierte. Es werde nicht unterstellt, die Firma W hätte die Verpackung verändert. Es könne aber angenommen werden, daß die Etikette beim Auspacken oder durch nicht ordnungsgemäße Lagerung abgelöst wurde. Die Ansicht der belangten Behörde, es sei eine ordnungsgemäße Lagerung erfolgt, könne nicht auf eine Stellungnahme des Lebensmittelaufsichtsorganes gestützt werden. Bei zu niedrigen oder zu hohen Temperaturen könne die Etikette auch ohne Beschädigung abgelöst werden. Auch der extrem lange Lagerzeitraum sei ein deutliches Indiz dafür, daß die Ware ordnungsgemäß in Verkehr gesetzt worden wäre.

Zum Verschulden meint die Berufung ferner, daß der Bw im Hinblick auf die automatische Etikettierung und die nachfolgende Kontrolle annehmen hätte können, daß es zu keiner Verwaltungsübertretung kommt. Der Bw habe den Abteilungsleiter laufend beaufsichtigt und überwacht, wobei es zu keinerlei Beanstandungen gekommen sei. Zumindest hätte gemäß § 21 VStG eine bloße Ermahnung ausgesprochen werden müssen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs 5 LMG 1975 begeht im Falle der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen, wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs 7 oder 8 lit a oder b, 19 oder 31 Abs 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

Die verfahrensrelevante LMKV 1993 wurde nach ihrer Präambel auf Grund der §§ 7 Abs 2, 10 Abs 1 und 19 Abs 1 LMG 1975 erlassen. Sie hat demnach ihre Grundlage in gesetzlichen Vorschriften, die entweder unter die Blankettstrafnorm des § 74 Abs 4 Z 1 oder unter die des § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 fallen. Im Hinblick auf zwei in Betracht kommende gesetzliche Strafbestimmungen mit verschiedenen Strafrahmen muß bei Heranziehung von Gebots- oder Verbotsnormen der LMKV 1993 genau differenziert werden, welche Bestimmung auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht.

Die gegenständlich relevanten Gebotsnormen der §§ 3 und 4 LMKV 1993 betreffen erkennbar die bloße Kennzeichnung von verpackten Waren, die für den Letztverbraucher bestimmt sind (vgl § 1 Abs 1 LMKV 1993). Sie haben ihre gesetzliche Grundlage im § 19 LMG 1975, der die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen regelt und eine Verordnungsermächtigung enthält. Hingegen ermächtigt der § 10 LMG 1975 den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz besondere Vorschriften für das Inverkehrbringen mit Verordnung zu erlassen, die zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung oder zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder Täuschung geboten sind. Dabei geht es an sich nicht um bloße Kennzeichnungsvorschriften. Beim Schutz des Verbrauchers vor Täuschung bestehen aber fließende Übergänge zur Kennzeichnung. Die LMKV 1993 gibt demnach auch den §10 LMG 1975 als gesetzliche Grundlage an. Die gegenständlich maßgeblichen §§ 3 und 4 LMKV 1993 regeln die Kennzeichnung iSd § 19 LMG 1975, weshalb die belangte Behörde die Strafnorm des § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 heranzuziehen hatte.

Nach dem § 4 LMKV 1993 haben verpackte Waren, die ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt sind (vgl § 1 Abs 1 LMKV 1993), sofern die §§ 5 bis 7 dieser Verordnung nichts anderes bestimmen, bestimmte Kennzeichnungselemente zu enthalten, die in mehreren Ziffern ausführlich beschrieben werden. § 4 Z 1 LMKV 1993 schreibt die Angabe der handelsüblichen Sachbezeichnung und § 4 Z 5 LMKV 1993 die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums - das ist nach der einleitenden Begriffsbestimmung jener Zeitpunkt, bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält, - mit den Worten: "mindestens haltbar bis ..." vor.

Nach § 3 Abs 1 lit a) LMKV 1993 müssen die Kennzeichnungselemente leicht verständlich sein und an gut sichtbarer Stelle deutlich lesbar und dauerhaft auf der Verpackung oder auf einem mit ihr verbundenen Etikett angebracht werden.

4.2. Nach dem Spruch und der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ging die belangte Behörde in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß die Kennzeichnungselemente gemäß § 4 Z 1 (handelsübliche Sachbezeichnung) und § 4 Z 5 (Mindesthaltbarkeitsdatum) LMKV 1993 auf den am 5. Oktober 1994 durch Lieferung an den W M, in Verkehr gebrachten Waren (6 vakuumverpackte Goldbarsche) nicht angebracht waren. Ohne nähere Begründung vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß dieser Lieferungstag wahrscheinlicher als der 4. Oktober 1994 wäre, an dem die Ware nach einem Vermerk in der aktenkundigen Rechnung Nr. 3718 vom 5. Oktober 1994 bestellt wurde. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde diesen Schluß nicht ohne plausible Gründe ziehen durfte, hat sie offenbar übersehen, daß die bezeichnete Rechnung unter der Rubrik "Ihre Bestellung" den Vermerk "Abholung" enthält. Damit sollte höchstwahrscheinlich zum Ausdruck gebracht werden, daß keine schriftliche Bestellung, sondern eine mündliche Bestellung anläßlich der Abholung erfolgt war. Diese naheliegende Deutung sowie der im Rechnungstext ausdrücklich erwähnte Lieferschein Nr. 4097 vom 4. Oktober 1994 sprechen für ein Inverkehrsetzen ab Betrieb anläßlich der Abholung und Bestellung am 4. Oktober 1994. Wie die belangte Behörde unter diesen Umständen das Datum der Rechnung mit dem Lieferdatum gleichsetzen konnte, ist nicht nachvollziehbar. Die Berufung ist daher auch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates schon mit ihrem ersten Einwand im Recht, wonach die gegenständliche Ware jedenfalls nicht am 5. Oktober 1994, wie es dem Bw stets nur angelastet wurde, von der Firma E GmbH in Verkehr gesetzt wurde.

Ebenso trifft der Berufungseinwand zu, daß der Tatvorwurf durch das strafbehördliche Beweisverfahren nicht gedeckt erscheint. Aufgrund des Berichtes des Lebensmittelaufsichtsorgans vom 22. März 1995 über die lebenmittelpolizeiliche Revision vom 24. Jänner 1995 im W kann nur festgestellt werden, daß die 6 vorgefundenen Vakuumpackungen Goldbarsch geräuchert an diesem Tag um 08.30 Uhr ohne die Kennzeichnungselemente nach § 4 Z 1 und Z 5 LMKV 1993 zum Verkauf angeboten wurden. Das vom Lebensmittelaufsichtsorgan unter Hinweis auf die aktenkundige Rechnung (Beilage II) angegebene Bezugsdatum 5. Oktober 1994 ist schon nach dieser Rechnung nicht wahrscheinlich. Weitere Feststellungen hat das Lebensmittelaufsichtsorgan nicht getroffen. Auch die äußerst dürftige aus einem einzigen Satz bestehende Einvernahme des W hat keinerlei Aufklärungen gebracht. Daß W, der selbst das Inverkehrbringen nicht ordnungsgemäß gekennzeichneter Ware zu verantworten hatte, bei seiner Einvernahme angibt: "Die Verpackung der Ware wurde von uns in keiner Weise verändert", war zu erwarten. Über die im gegenständlichen Fall wesentlichen Umstände wurde er gar nicht befragt. Seine Aussage hat nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates keinen Beweiswert.

4.3. Die belangte Behörde konnte bei einer dem rechtsstaatlichen Grundsatz "in dubio pro reo" verpflichteten Beweiswürdigung weder aus der Aussage des Zeugen W noch aus dem Bericht des Lebensmittelaufsichtsorganes Tatsachen zum Nachteil des Bw feststellen. Zu den Lagerbedingungen hat das Lebensmittelaufsichtsorgan keine Aussage gemacht. Es hat die beanstandete vakuumverpackte Ware offenbar im Verkaufsraum (vgl Revisionsbericht vom 22.03.1995: "... , daß Goldbarsch ger. ( 6 Packungen, zwischen 250 und 280g) zum Verkauf angeboten wurde, ...") und nicht in einem Lagerraum am 24. Jänner 1995 um 08.30 Uhr vorgefunden. Geht man vom Tatvorwurf auf der Grundlage der Rechnung Nr. 3718 vom 5. Oktober 1994 aus, so bedeutet dies, daß die vorgefundene Ware im Zeitraum vom 5. Oktober 1994 bis 24. Jänner 1995 in der Verfügungsgewalt des W stand. In einem so langen Zeitraum von drei bis vier Monaten ist es umso eher denkbar, daß durch Umstände, die nicht in der Einflußsphäre der Firma E liegen, eine Ablösung der ursprünglich ordnungsgemäß angebrachten Etikette mit Sachbezeichnung und Mindesthaltbarkeitsdatum erfolgte. Wenn die belangte Behörde aus der Nichtbeanstandung von Lagerbedingungen, die das Lebensmittelaufsichtsorgan in der kurzen Zeit der Revision gar nicht abschließend beurteilen konnte, schließt, daß die Lagerung ordnungsgemäß erfolgte und kein Grund für die Ablösung der Etikette gewesen wäre, so handelt es sich dabei um eine willkürliche Feststellung auf dem Niveau einer Vermutung zu Lasten des Täters. Ebensowenig trifft die pauschale Erwägung zu, daß eine dauerhaft angebrachte Etikette bei Ablösung beschädigt hätte werden müssen. Die Berufung hat dazu mit Recht vorgebracht, daß bei falschen (schwankenden) Temperaturverhältnissen auch eine Ablösung ohne Beschädigung möglich ist. Da die Vakuumpackung samt vorhandener Beschriftung nur abgelichtet wurde und diese aktenkundige Ablichtung auch noch von schlechter Qualität ist, kann zur Ablösung mit oder ohne Beschädigung der Etikette ohnehin nichts festgestellt werden. Die belangte Strafbehörde irrt auch, wenn sie die dauerhafte Anbringung der Kennzeichnungselemente nach dem § 3 Abs 1 lit a) LMKV 1993 so streng versteht, daß die Ablösung einer aufgeklebten Etikette unter keinen Umständen ohne Beschädigung möglich sein darf. Die dauerhafte Anbringung muß natürlich im Zusammenhang mit den angegebenen Lagerbedingungen gesehen werden.

Die Berufung hat den Etikettierungsvorgang im Betrieb der Fa E auf einer modernen Verpackungsstraße geschildert und vorgebracht, daß für jeden abgewogenen Fisch automatisch ein Etikett mit Gewicht, Sachbezeichnung und Mindesthaltbarkeitsdatum ausgedruckt wird, das dann noch aufzukleben ist. Vor dem Abpacken der Vakuumverpackungen in Kartons werde noch einmal kontrolliert. Da sich auf den Verpackungen ein Etikett mit dem Hinweis "ca. 30 min vor dem Genuß aus dem Kühlschrank nehmen, vakuumverpackt, Lagertemperatur 0ï‚° bis 6ï‚°" befand (vgl Beilage I), sei auszuschließen, daß die Etikettiermaschine nicht funktionierte. Da eine ordnungsgmäße Auslieferung erfolgt sei, müsse angenommen werden, daß die Etikette mit den fehlenden Kennzeichnungselementen beim Auspacken bzw. durch nicht ordnungsgmäße Lagerung abgelöst wurde. Der extrem lange Lagerzeitraum sei auch ein deutliches Indiz dafür, daß die Ware ordnungsgemäß in Verkehr gesetzt wurde.

Diesem schlüssigen Berufungsvorbringen hat die belangte Strafbehörde nichts entgegen gehalten. Es ist auch aus der vom erkennenden Verwaltungssenat vorgefundenen Aktenlage in keiner Weise widerlegbar. Für die ordnungsgemäße Kennzeichnung durch die Firma E spricht schließlich, daß der W Markt nicht reklamiert hat. Da der Zeuge W selbst verpflichtet ist, nur ordnungsgemäß gekennzeichnete Ware zum Verkauf anzubieten, wäre zumindest für den gegenständlichen Fall, daß einige (und nicht bloß eine einzige) Vakuumpackungen Goldbarsch nicht mit der handelsüblichen Sachbezeichnung und nicht mit dem auch für den Weiterverkäufer ganz wichtigen Mindesthaltbarkeitsdatum etikettiert wurden, eine Reklamation bei der Firma E zu erwarten gewesen.

5. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß die dem Bw angelastete Verwaltungsübertretung nach dem Ausweis der vorgelegten Akten nicht erwiesen werden kann. Das angefochtene Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Gemäß § 66 Abs 1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

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