Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108109/2/WEI/Ni

Linz, 26.08.2002

VwSen-108109/2/WEI/Ni Linz, am 26. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des T., Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 17. Jänner 2002, Zl. Cst.-20.790/01, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 103 Abs 2 iVm § 134 Abs 1 KFG 1967 (BGBl Nr. 267/1967 idF BGBl I Nr. 32/2002, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 80/2002) zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat im Berufungsverfahren eine weiteren Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 7,20 Euro zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 64 Abs 1 und 2 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als Zulassungsbesitzer des KFZ, auf Verlangen der Behörde, BPD L, nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung der schriftlichen Aufforderung - zugestellt am 13.07.2001 bis zum 27.07.2001 - Auskunft darüber erteilt, wer dieses KFZ zuletzt vor dem 20.03.2001 um 9.36 Uhr in L, abgestellt hat."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 103 Abs 2 KFG 1967 als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen des § 134 Abs 1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 36 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 3,60 Euro vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw nach dem aktenkundigen Zustellnachweis am 22. Jänner 2002 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig per Telefax am 5. Februar 2002 eingebrachte Berufung vom 1. Februar 2002, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

In der Sache bringt der Bw vor, dass er mit Stellungnahme vom 31. Oktober 2001 mitgeteilt hätte, keine Auskunft im Sinne des § 103 Abs 2 KFG 1967 leisten zu wollen, weil die Gefahr bestünde, dass er sich selbst belastet müsste. Der Bw vertritt die Ansicht, dass er sich durch die erwünschte Auskunft nicht selbst belasten müsse, weil dies der EMRK widerspreche. In weiterer Folge führt der Bw näher aus, wieso seiner Ansicht nach der § 103 Abs 2 KFG 1967 gegen den Gedanken des fair trial, das Anklageprinzip, das Recht auf Selbstverteidigung und auf Zeugnisverweigerung verstoße. Diese Grundrechte erachtet er alle unter dem Aspekt des Art 6 EMRK als verletzt. Schließlich regt er an, den § 103 Abs 2 KFG 1967 wegen Verstoßes gegen die Grundprinzipien der Verfassung beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Anzeige vom 8. April 2001 des Wachzimmers Hauptbahnhof wurde der belangten Behörde bekannt gemacht, dass der PKW M, grau, am 20. März 2001 um 09.36 Uhr in L ohne Parkscheibe in einer Kurzparkzone abgestellt war.

Mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 28. Juni 2001 wurde der Bw mit Geldstrafe von S 500,-- (18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft und ihm angelastet, er habe am 20.03.2001 um 09.36 Uhr in L, das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen in der Kurzparkzone abgestellt und nicht dafür gesorgt, dass es für die Dauer des Abstellens mit einem entsprechenden Kurzparknachweis gekennzeichnet ist. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 2 Abs 1 Z 1 der Kurzparkzonen-Überwachungsverordnung (KPZ-ÜVO) iVm § 99 Abs 3 lit a) der StVO 1960 begangen.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw rechtzeitig den per Telefax am 10. Juli 2001 eingebrachten unbegründeten Einspruch.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2001, zugestellt am 13. Juli 2001, hat die belangte Behörde folgende Lenkeranfrage an den Bw gerichtet:

"Sie werden als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, der Behörde binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wer das Kraftfahrzeug (den Anhänger)

mit dem Kennzeichen

zuletzt vor dem 20.03.2001 um 9.36 Uhr

in L,

abgestellt hat."

Bitte benutzen Sie zur Auskunftserteilung nach Möglichkeit beiliegenden Vordruck.

Ihre Auskunft muß den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten. Können Sie die verlangte Auskunft nicht erteilen, so benennen Sie bitte jene Person, welche die Auskunft tatsächlich erteilen kann. Diese trifft dann die Auskunftspflicht.

Bitte beachten Sie, dass Sie sich strafbar machen, wenn Sie die verlangte Auskunft überhaupt nicht, unvollständig, unrichtig oder nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens geben."

2.2.Da diese Lenkeranfrage unbeantwortet blieb, erließ die belangte Behörde in weiterer Folge die mit dem angefochtenen Straferkenntnis inhaltsgleiche Strafverfügung vom 7. August 2001, zugestellt am 8. August 2001, wegen Übertretung des § 103 Abs 2 KFG 1967, gegen die der Bw rechtzeitig am 14. August 2001 per Telefax einen unbegründeten Einspruch einbrachte. Die belangte Behörde leitete daraufhin das ordentliche Ermittlungsverfahren ein, in dem der Bw die Stellungnahme vom 31. Oktober 2001 erstattete. Sie lautet inhaltlich:

"Der Beschuldigte ist nicht verpflichtet, sich in einem Strafverfahren sich selbst zu belasten. Aus diesem Grunde wurde die Auskunftspflicht verweigert. Die entsprechende Bestimmung steht zwar im Verfassungsrang, widerspricht aber der EMRK. Es ist daher beabsichtigt, diese Bestimmung in Straßburg anzufechten."

Daraufhin erging das angefochtene Straferkenntnis vom 17. Jänner 2002. In der Begründung wird u.a. darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission für Menschenrechte festgestellt hätte, dass die Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG nicht gegen Art 6 EMRK, insbesondere nicht gegen die Unschuldsvermutung verstoße.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt schon nach der Aktenlage hinreichend geklärt ist.

4. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Nach § 134 Abs 1 KFG 1967 in der seit 1.Jänner 2002 geltenden Fassung des Art 10 des BGBl I Nr. 32/2002 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bist zu sechs Wochen zu bestrafen,

wer dem KFG 1967, den auf Grund des KFG erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1, sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, Abl. Nr. L vom 17. Dezember 1990, S 12, zuwiderhandelt.

Nach der Vorschrift des § 103 Abs 2 KFG 1967 kann die Behörde vom Zulassungsbesitzer Auskunft darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Fahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt von einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, haben den Namen und die Anschrift der betreffenden Person zu enthalten. Kann der Zulassungsbesitzer diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die diese Auskunft erteilen kann, welche dann die Auskunftspflicht trifft. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen. Wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück (Verfassungsbestimmung).

§ 103 Abs 2 KFG soll sicherstellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (VwGH 29.9.1993, 93/02/0191).

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der Bw nicht die von der belangten Behörde verlangte Auskunft innerhalb der Frist von zwei Wochen ab Zustellung erteilt hat. Vielmehr erklärte er in seiner Stellungnahme vom 31. Oktober 2001 ausdrücklich, dass er die Auskunftspflicht gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 verweigert, weil er nicht verpflichtet sei, sich selbst zu belasten. Da die vom Bw als Zulassungsbesitzer verlangte Lenkerauskunft dem Gesetz entsprach, war mit der Nichterstattung der Auskunft iSd § 103 Abs 2 KFG 1967 die Übertretung gegeben.

4.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Nichterfüllung der Auskunftspflicht ein Unterlassungsdelikt, wobei Erfüllungsort der Sitz der anfragenden Behörde ist. § 103 Abs 2 KFG 1967 sieht keine bestimmte Form für die Erfüllung der Auskunftspflicht vor. Der Zulassungsbesitzer kann die Auskunft mündlich, schriftlich durch Abgabe in der zuständigen Kanzleistelle, durch Einwurf in einen Einlaufkasten, mit der Post oder auch fernmündlich erteilen, wobei er sich auch eines Bevollmächtigten oder Boten bedienen kann. Die Auskunftspflicht wird aber nur dann erfüllt, wenn die geschuldete Auskunft auch tatsächlich bei der Behörde einlangt. Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft ist somit der Sitz der anfragenden Behörde (vgl u.a. verst. Sen. VwGH 31.1.1996, 93/03/0156 = ZVR 1996/74; VwGH 10.5.1996, 96/02/0055; VwGH 5.7.1996, 96/02/0023).

4.3. Mit Erkenntnis vom 3. März 1984, G 7/80 u.a. Zlen., hat der Verfassungsgerichtshof den 2. Satz des § 103 Abs 2 KFG 1967 idF vor der 10. KFG-Novelle als verfassungswidrig aufgehoben, weil er den Beschuldigten im Ergebnis unter Strafsanktion zwinge, ein Geständnis abzulegen, was dem Anklageprinzip des Art 90 Abs 2 B-VG in seiner materiellen Bedeutung widerspreche. Auch die nachfolgende und derzeit noch geltende Fassung des § 103 Abs 2 KFG 1967 durch die 10. KFG-Novelle wurde vom Verfassungsgerichtshof zwar gleichermaßen qualifiziert, jedoch im Hinblick auf die Verfassungsbestimmung des letzten Satzes nunmehr als zulässige Durchbrechung zu Art 90 Abs 2 B-VG und damit sowohl als mit den Baugesetzen iSd Art 44 Abs 3 B-VG als auch mit Art 6 EMRK vereinbar angesehen (vgl näher VfGH 29.09.1988, G 72/88 u.a.Zlen. = VfSlg 11.829/1988). Auch die europäischen Instanzen im Rahmen der EMRK leiten aus Art 6 (Abs 2) EMRK eine Verbot zur Selbstbezichtigung nicht ab (vgl mwN unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 103 Abs 2 KFG 1967 Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar2, 1996, 283 RN 159).

Der Oö. Verwaltungssenat sieht sich daher nicht veranlasst, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

5. Im Ergebnis war die Berufung als unbegründet abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen. Bei der geringen Strafe von 36 Euro bedurfte es keiner weiteren Ausführungen zur Strafbemessung.

Im Berufungsverfahren war gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG ein weiterer Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß

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