Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108127/4/Br/Ni

Linz, 11.03.2002

VwSen -108127/4/Br/Ni Linz, am 11. März 2002

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des R, vertreten durch die Rechtsanwälte gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, AZ. VerkR96, vom 31. Jänner 2002, wegen Übertretungen der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 137/2000 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 137/2001 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber zwei Geldstrafen (145 Euro und 72 Euro) und im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen (72 und 48 Stunden) verhängt und sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 19.10.2001 um ca. 9.15 Uhr mit dem Pkw Kennzeichen im Zuge des Ausparkens vom Parkplatz vor dem Amtsgebäude den abgestellten Kombi beschädigt und habe es folglich unterlassen,

  1. sofort an der Unfallstelle anzuhalten und
  2. von diesem Vorfall die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein Identitätsnachweis mit dem zweitbetroffenen (geschädigten) Fahrzeuglenker nicht stattgefunden habe.

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte ihre Schuldsprüche auf die Anzeigeangaben der Zweitbeteiligten vom 19. Oktober 2001 und der darauf gestützten Anzeige des Gendarmeriepostens Vöcklabruck vom 9. 11. 2001. Der Berufungswerber folgte der Vorladung für den 13.12.2001 zur Rechtfertigung unentschuldigt nicht, sodass sich die Behörde erster Instanz, ohne seine weitere Anhörung, zur Erlassung des Straferkenntnisses veranlasst sah.

2. In der dagegen fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung rechtfertigt sich der Berufungswerber dahingehend, vom Anstoß - so ein solcher überhaupt stattgefunden habe - wegen seiner Geringfügigkeit nichts bemerkt zu haben. Er verweist gleichzeitig auf mehrere mit seiner Berufung vorgelegten Fotos, welche einen Sachschaden am zweitbeteiligten Fahrzeug nicht erkennen ließen und beantragt die Verfahrenseinstellung.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshaupt-mannschaft Vöcklabruck. Ferner wurde Beweis erhoben durch Vornahme eines abgesonderten Ortsaugenscheins am Vorfallsort und Anfertigung von Fotos von diesem. Ebenfalls wurde angesichts der vorgelegten Fotos vom zweitbeteiligten Fahrzeug, aus verfahrensökonomischen Überlegungen vor der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, fernmündliche Rücksprache mit der Halterin des zweitbeteiligten Fahrzeuges zwecks Abklärung des angeblichen Sachschadens gehalten und das Ergebnis der Erstbehörde mitgeteilt. Das Ergebnis dieser Beweiserhebung wurde mit h. Schreiben vom 6. März 2002 der Behörde erster Instanz zur Kenntnis gebracht. Ebenfalls wurde diesem Schreiben ein mit der Berufung vorgelegtes Foto von der Fahrzeugvorderseite des zweitbeteiligten Fahrzeuges beigelegt und die vorläufige Beurteilung dieses Beweisergebnisses zum Ausdruck gebracht. Dazu äußerte sich die Behörde erster Instanz mit der per E-Mail übermittelten Kurzmitteilung vom 7. März 2002.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber dürfte am 19. Oktober 2001 um ca. 09.15 Uhr mit seinem Pkw beim Ausparken vom Parkplatz vor der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck geringfügig gegen das ebendort abgestellte Fahrzeug der Zweitbeteiligten S gestoßen sein. Dies vermutlich in der Schaltphase von Retour- in den ersten Gang, sodass der Fahrzeugkontakt, wohl auf Grund des Gewichtes des Fahrzeuges des Berufungswerbers, subjektiv nicht bemerkt worden sein dürfte.

Aus den vom Berufungswerber mit der Berufung vorgelegten Fotos ist ein Schaden am Fahrzeug der Zweitbeteiligten nicht ersichtlich. Lediglich die Kennzeichentafel und die Halterung derselben weisen eine geringfügige - durchaus verkehrsübliche - Verformung auf. Die Zweitbeteiligte erklärte - anlässlich einer aus verfahrens-ökonomischen Gründen motivierten vorläufig fernmündlichen Befragung - keinen Sachschaden erlitten zu haben. Der Berufungswerber habe sich anlässlich dieses Vorfalles bei ihr gemeldet und es sei für sie alles geklärt. Mit diesem Beweisergebnis konfrontiert, erklärte die Behörde erster Instanz, in entsprechender Würdigung dieses Beweisergebnisses einer Verfahrenseinstellung nicht entgegenzutreten.

4.2. Auf Grund des vorliegenden Beweisergebnisses liegt glaubhaft und schlüssig dar, dass der Berufungswerber einerseits den Fahrzeugkontakt tatsächlich nicht bemerkt haben dürfte. Andererseits kann angesichts des vorliegenden Fotomaterials in Verbindung mit der Mitteilung der Zweitbeteiligten von einem quantifizierbaren Sachschaden tatsächlich nicht ausgegangen werden. Der Tatvorwurf der Fahrerflucht erweist sich demnach als nicht zutreffend.

Es kann demnach dahingestellt bleiben, dass der Berufungswerber sich ohne Angaben von Gründen bei der Behörde erster Instanz nicht in das Beweisverfahren einließ und dadurch seitens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, gestützt auf den Hinweis im Ladungsbescheid vom 28. November 2001, auf die Rechtsfolgen nach § 41 VStG mit einer Bestrafung auf Grund der Anzeigefakten vorgegangen werden konnte.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen,

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder

Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Voraussetzung für die Erfüllung der Tatbestände iSd § 4 Abs.1 lit. a und § 4 Abs.5 StVO ist der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden sowie die Kenntnis des Täters hievon. Hinsichtlich des letzteren Umstandes genügt es, wenn ihm objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte. Es reicht also die Schuldform der Fahrlässigkeit aus - VwGH 11. 9. 1979, ZfVB 1980/4/1233. Schon davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Voraussetzung für die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO ist darüber hinaus auch das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens. Das Verbiegen einer Kennzeichentafel impliziert keinen Sachschaden (VwGH 31. Oktober 1990, Zl. 90/02/0119, VwGH 24.10.2001, 2000/03/0280).

Ferner ist diese Frage eines Sachschadens selbst dann zu verneinen, wenn eine verbogene Kennzeichentafel ohne nennenswerten Aufwand in ihre ursprüngliche Lage zurückgebogen werden kann, wobei das Zurückbleiben ganz geringfügiger Spuren beim Zurückbiegen jedenfalls nicht ins Gewicht fällt. Im gegenständlichen Fall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die verbogene Kennzeichentafel bzw. der Rahmen nicht ohne nennenswerten Aufwand in ihre ursprüngliche Lage zurückgebogen werden konnte; die Verbiegung der Kennzeichentafel kann daher nicht als Sachschaden angesehen werden (ebenfalls VwGH 5.11.1997, 97/03/0170).

Das Verwaltungsstrafverfahren war demnach mangels strafbaren Tatbestandes nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Dahingestellt könnte im Lichte dieser Sachlage bleiben, dass - wie von h. bereits mehrfach ausgeführt - nicht jeder zu einer Meldepflicht nach § 4 Abs.5 StVO führender Vorfall gleichsam auch die Beurteilung der Anhaltepflicht nach § 4 Abs.1 lit.a StVO nach sich ziehen würde. Es wird mit Blick auf künftige vergleichbare Fälle aus verfahrensökonomischen Erwägungen abermals festgestellt:

Die Pflicht an der Unfallstelle auch anzuhalten, dient der nachfolgenden Feststellung von Sachverhaltselementen in aller Regel gemeinsam mit dem Zweitbeteiligten, insbesondere zur Sicherung von Spuren oder sonstiger konkreter Beweismittel die für die 'Aufklärung des Unfallgeschehens' erforderlich sind (vgl. auch VwGH 27.10.1977, 2002/76, VwGH 13.3.1981, 02/2245/80 sowie VwGH 20.2.1991, 90/02/0152 mit Hinweis auf VwGH 15.5.1990, 89/02/0048 und 89/02/0164, sowie VwGH 22.4.1999, 97/03/0353). Bei einem bloßen sogenannten Parkschaden - der gegebenenfalls subjektiv tatsächlich unbemerkt bleibt - ist im Hinblick auf die Schadensregulierung schon mit der Meldung bei der nächsten Gendarmerie-dienststelle genüge getan, sodass für das Schutzziel des § 4 Abs.1 lit.a StVO kein Raum mehr bleibt. Ein kumulativer Tatvorwurf auch hinsichtlich § 4 Abs.1 lit.a und c. StVO wird daher vielfach bei bloßen Parkschäden unzutreffend sein, weil die Erfüllung der Verpflichtung nach Abs. 5 leg.cit. geradezu zwingend ein Verlassen der Unfallstelle bedingt (vgl. h. Erk. v. 5. 8. 1999, 106532/2/Gf/Km, zit. in VwSen-107540 v. 20.4.2001 betr. ein Verfahren der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck).

Einem Anhalten an der Unfallstelle könnte bei derartig gelagerten Fällen schon aus der Natur der Sache heraus nur plakativer Charakter zukommen, wobei im Hinblick auf den Schutzzweck des § 4 Abs.5 StVO keine substanzielle Bedeutung erkennbar ist. Im Falle einer ordnungsgemäßen Meldung nach § 4 Abs.5 StVO wäre das die Meldung entgegennehmende Organ wohl kaum verhalten zu fragen, ob und wie lange nach einem objektiv zu bemerken gewesenen Parkschaden nun auch tatsächlich angehalten wurde und was der betroffene Lenker in dieser Phase getan hat. Entscheidend ist, ob es zu einer Meldung eines solchen Vorfalles bei der nächsten Polizei- oder Sicherheitsdienststelle kommt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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