Unabhängiger Verwaltungssenat
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VwSen-108143/2/SR/Ri

Linz, 25.03.2002

VwSen-108143/2/SR/Ri Linz, am 25. März 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des P H K, Edorf , P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach, VerkR96-2855-2001, vom 1. Februar 2002, wegen Übertretung des Führerscheingesetzes (im Folgenden: FSG), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben. Die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe wird aufgehoben und statt dessen eine Ermahnung erteilt.

II. Ein Beitrag zu den Kosten entfällt.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001 - AVG iVm § 24, § 21, § 51c und § 51e Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 2.11.2001 um 16.20 Uhr bei der Fahrt auf der B-Bundesstraße B bei Str.Km als Lenker des Pkw's mit dem amtlichen Kennzeichen den für das von Ihnen gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein auf der Fahrt nicht mitgeführt und auf Verlangen dem Organ der Bundesgendarmerie zur Überprüfung nicht ausgehändigt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 37 Abs.1 i.V.m. § 14 Abs.1 Ziffer 1 Führerscheingesetz - FSG, BGBl.Nr. 120/1997 i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

21,80 Euro 9 Stunden § 37 Abs.1 FSG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

2,18 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe

(je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 14,53 Euro bzw. 200 S angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

23,98 Euro (329,97 Schilling)."

2. Gegen dieses dem Bw am 22. Februar 2002 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 25. Februar 2002 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass der Bw die angelastete Übertretung nicht bestritten habe. Da eine Abmahnung nicht stattgefunden hätte, habe die Behörde erster Instanz den Bw mit 300 Schilling bestraft (Strafverfügung vom 22.11.2001). Dabei sei die gesetzliche Mindeststrafe um 200 Schilling unterschritten worden. Der Bw habe rechtzeitig Einspruch erhoben und die Tat als solche wiederum nicht bestritten. Bei der gegenständlichen Übertretung würde es sich um ein Ungehorsamsdelikt handeln und durch das Vergessen des Führerscheins wäre der Tatbestand bereits erfüllt. Die Behörde erster Instanz würde von einem fahrlässigen Verhalten ausgehen. Das Nachreichen des Führerscheines könne nicht als Strafmilderungs- bzw. Strafausschließungsgrund angesehen werden.

2.2. Dagegen wendet der Bw ein, dass er bei der der Anzeige zugrunde liegenden Amtshandlung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung beanstandet worden wäre. Bei der Anhaltung habe er den Führerschein nicht mitgeführt und daher auch nicht vorweisen können. Eine Bestrafung "wegen dieses Tatbestandes sei nie in Rede" gestanden, weil er die Möglichkeit bekommen habe, den Führerschein beim Posten H vorzuweisen. "Berechtigterweise könne er die Aufforderung, am Posten den Führerschein vorzuweisen, als Abmahnung werten".

Ihm sei bekannt, dass "der VwGH in zahlreich judizierten Fällen den Tatbestand des Nichtmitführens des Führerscheins auch dann erfüllt erachtet hat, wenn der Führerschein später beim zuständigen Posten vorgezeigt worden ist". Der Gendarmerie wäre es aber sofort möglich gewesen, zu prüfen, ob er die erforderliche "Lenkerberechtigung besitzen" würde.

Abgesehen von der Aufforderung habe die Amtshandlung nur die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung betroffen. Dies hätte der einschreitende Beamte auch noch in der Niederschrift gesagt. Anstatt die "vorgehaltene Straftat" zu konkretisieren und die genaue Gesetzesstelle zu benennen, hat die Behörde einen falschen Tatbestand angeführt. Eine Anzeige wegen Nichtmitführens des Führerscheines sei nur deshalb erfolgt, weil er die geforderten 300 Schilling nicht bezahlen wollte.

2.3. Das o.a. Straferkenntnis wurde am 7. Februar 2002 hinterlegt. Die Berufung wurde am 25. Februar 2002 (Poststempel) zur Post gegeben.

Die Behörde erster Instanz hat dem Bw mit Schreiben vom 27. Februar 2002, zugestellt am 1. März 2002, mitgeteilt, dass sie beabsichtigen würde, den "Einspruch gegen das Straferkenntnis als verspätet zurückzuweisen, da die Einspruchsfrist mit Ablauf des 21.2.2002 verstrichen sei". Innerhalb offener Frist hat der Bw zu den Vorhaltungen eine Stellungnahme eingebracht und sinngemäß ausgeführt, dass der erste Zustellversuch am 6.2.2002 erfolgt sei. Weder zum Zeitpunkt des ersten noch des zweiten Zustellversuches wäre er an der ständigen Abgabestelle (Wohnadresse) anwesend gewesen. Bedingt durch Lehrveranstaltungen und Prüfungen sei er nur alle zwei Wochen nach Hause gekommen. Die Abwesenheit sei dem Zusteller der Post bekannt gewesen. Dieser Umstand (zweiwöchige Abwesenheit) sei dem Zusteller auch bei beiden Zustellversuchen von der Mutter mitgeteilt worden. Dennoch wäre die Hinterlegung vorgenommen worden. Er habe erstmalig am 22.2.2002 von der versuchten Zustellung Kenntnis erlangt und die Sendung unverzüglich bei der Post behoben. Die Hinterlegung sei nicht rechtmäßig, da der Zusteller von der Abwesenheit Kenntnis gehabt hatte. Mangels regelmäßiger Anwesenheit an der Abgabestelle hätte das behördliche Schriftstück an die Behörde zurückgesandt werden müssen. § 17 Abs.3 ZustellG würde nicht zur Anwendung kommen, da eine hinterlegte Sendung nicht vorliegen würde.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Rohbrach hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Der Bw war zum Zeitpunkt der beiden Zustellversuche nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhältig. Dieser Umstand war dem Zusteller bei der Vornahme der Zustellversuche bekannt. Das behördliche Schreiben (oben angeführte Straferkenntnis) ist dem Bw am 22. Februar 2002 tatsächlich zugekommen. Die Berufung wurde am 25. Februar 2002 zur Post gegeben.

Das Nichtmitführen des Führerscheins (entsprechend der Tatanlastung) wurde vom Bw nicht bestritten. Der einschreitende Gendarmeriebeamte hat den Bw nicht "abgemahnt".

3.2. Der die Verwaltungsübertretung betreffende Sachverhalt ist unbestritten.

Die Ausführungen zum Hinterlegungsvorgang sind teilweise widersprüchlich. Folgt man den Angaben des Bw, dann wäre er jedenfalls am Wochenende nach den beiden "Zustellversuchen" an die Abgabestelle zurückgekehrt. Dieser Rückschluss ist deshalb zwingend, da der Bw eine regelmäßige zweiwöchige Abwesenheit von der Abgabestelle behauptet hat. Als glaubwürdig zu werten war die Abwesenheit bei beiden Zustellversuchen und die erfolgte Mitteilung an den Zusteller.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Zustellung:

Gemäß § 4 ZustellG ist die Wohnung nur dann und nur so lange als Abgabestelle zu betrachten, wenn sich der Empfänger von "relativ kurzfristigen Ausnahmen abgesehen" dort tatsächlich aufhält.

Von einem regelmäßigen Aufenthalt kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn sich der Empfänger relativ häufig an der Abgabestelle aufhält. Hiefür bedarf es eines ständigen - abgesehen von periodischen, aber relativ kurzen Absenzen - Aufenthaltes an der Abgabestelle.

Die "regelmäßige zweiwöchige" Abwesenheit von der Wohnung beseitigt - vorübergehend - die Qualität eines Ortes als Abgabestelle. Dies bedeutet aber keineswegs eine Änderung der Abgabestelle.

Durch die Mitteilungen der Mutter hätte der Zusteller nicht von der Regelmäßigkeit eines Aufenthaltes an der Abgabestelle ausgehen dürfen. Anstelle der Hinterlegung gemäß § 17 Abs.1 ZustellG wäre das zuzustellende Schriftstück an die Behörde zurückzustellen gewesen.

Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt diese gemäß § 7 ZustellG in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist, tatsächlich zugekommen ist.

Die mehrtägige Abwesenheit von der Abgabestelle zum Hinterlegungszeitpunkt hat eine Zustellung durch Hinterlegung unwirksam gemacht. Der aufgetretene Mangel wurde durch das tatsächliche Zukommen des behördlichen Schriftstückes geheilt.

Das angefochtene Straferkenntnis ist somit am 22. Februar 2002 zugestellt worden.

Die am 25. Februar 2002 eingebrachte Berufung ist rechtzeitig.

4.2. Gemäß § 14 Abs.1 Z1 FSG hat jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges den für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug vorgesehenen Führerschein mitzuführen und auf Verlangen den gemäß § 35 Abs.2 FSG zuständigen Organen zur Überprüfung auszuhändigen.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht aus (VwGH 24.5.1989, 89/02/0017, 24.2.1993, 92/03/0011, siehe auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 759).

Im Zuge des Verfahrens hat der Bw behauptet, dass von der Vorgangsweise des zuständigen Beamten auf eine Abmahnung geschlossen werden könne.

Nach vergleichbarer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt der bloßen Zusage des die Fahrzeugkontrolle durchführenden Organs gegenüber dem Lenker, der kein Verbandzeug mitführt, bei fristgerechter Vorlage des Verbandzeuges von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der Erstattung einer Anzeige abzusehen, keine rechtliche Bedeutung zu, weil daraus nicht abgeleitet werden kann, die - bereits vorher verwirklichte - Tat sei unter den Voraussetzungen des § 21 Abs.1 und 2 VStG begangen worden. Aus den Ausführungen, der Meldungsleger habe Straffreiheit zugesichert, geht schließlich einwandfrei hervor, dass der Meldungsleger den Bf. noch nicht nach § 21 Abs.2 VStG abgemahnt hat (VwGH 29.9.1989, 85/18/0153; Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band II, 2. Auflage, § 21 VStG, E 102).

Im gegenständlichen Verfahren hat das einschreitende Organ dem Bw nicht einmal ein Absehen von der Strafe in Aussicht gestellt. Auch wenn es nicht nachvollziehbar ist, dass während der Amtshandlung nur über die Geschwindigkeitsüberschreitung gesprochen worden ist und der Beamte den Bw nicht von der Anzeigeerstattung der angelasteten Verwaltungsübertretung in Kenntnis gesetzt hat, kann nicht allein deshalb auf eine Abmahnung geschlossen werden.

Da der Bw nicht abgemahnt worden ist, lag keine abschließende Erledigung des Verwaltungsstrafverfahrens vor und die Behörde erster Instanz hat zu Recht das Verfahren eingeleitet und das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

Der Bw hat den Tatvorwurf nicht bestritten. Er hat tatbeständsmäßig gehandelt. Es ist von leicht fahrlässigem Verhalten auszugehen.

4.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Im Verfahren sind keine Hinweise auf einschlägige Verwaltungsübertretungen hervorgekommen. Die Behörde erster Instanz hat richtigerweise keine Erschwerungsgründe festgestellt. Eine abschließende Beurteilung nach § 19 VStG kann jedoch unterbleiben, da wie nachfolgend dargestellt, Anspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG besteht.

4.4. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Die leichte Fahrlässigkeit induziert geringfügiges Verschulden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Schuld nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Im Gegensatz zum grundsätzlich typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt der übertretenen Normen bleibt die Schuld hier erheblich zurück. Das Verhalten des Bw zeigt auch deutlich, dass es aus Gründen der Spezialprävention keiner Geldstrafe bedurfte und mit einer Ermahnung unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens das Auslangen gefunden werden konnte. Es bestand daher ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG und der unabhängige Verwaltungssenat hatte von der Verhängung einer Strafe abzusehen und die Ermahnung auszusprechen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung: Zustellung, Abmahnung