Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108161/11/Br/Rd

Linz, 29.04.2002

VwSen-108161/11/Br/Rd Linz, am 29. April 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 22. Februar 2002, Zl: VerkR96-8786-2001-Wam, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 22. April 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch, BGBl. I Nr. 65/2002 - VStG.

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 11,60 Euro (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 58 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt und ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 20.11.2001 um 07.40 Uhr das Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen in der Gemeinde L auf der L 508 bei Strkm 3,680 gelenkt und dabei einem Kind, welches erkennbar den dort gelegenen Schutzweg benutzen wollte, nicht das ungehinderte Überqueren der Fahrbahn ermöglicht, indem er vor dem Schutzweg nicht anhielt.

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn stützte ihre Entscheidung auf die auf dienstlicher Wahrnehmung eines Gendarmeriebeamten des Gendarmeriepostens Friedburg-Lengau beruhenden Anzeige und die zeugenschaftlichen Angaben dieses Beamten im Rahmen seiner Vernehmung vor der Behörde erster Instanz. Strafmildernd oder straferschwerend seien keine Umstände zu werten gewesen. Unter der Annahme eines Monatseinkommens in der Höhe von geschätzten 1.200 Euro erachtete die Behörde erster Instanz die verhängte Geldstrafe als der Tatschuld angemessen.

2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung. Sinngemäß führt er aus, sich nicht schuldig zu fühlen, weil er die beiden Beamten in der Nähe des Schutzweges wahrgenommen habe. Es sei unerfindlich, dass diese nicht den Schutzweg gesichert hätten, sondern vielmehr darauf aus gewesen sein dürften, Strafen zu kassieren. Man sei ihm mit Blaulicht nachgefahren und habe ihn folglich angehalten.

Im Zuge der Mitteilung seiner Verhinderung führte der Berufungswerber noch ergänzend aus, dass der Beamte ca. acht bis zwölf Meter vor dem Schutzweg gestanden sei. Er habe die "schmale Seite" des Beamten gesehen und gedacht, dass er den Schutzweg regle. Er habe sich auf Höhe des Beamten befunden als er die Überquerungsabsicht des Kindes bemerkt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Anhalten vor dem Schutzweg nicht mehr möglich gewesen.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien angesichts der Bestreitung des Tatvorwurfes für die umfassende Wahrheitsfindung geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den oben genannten Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der, verbunden mit einem Ortsaugenschein, durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. An dieser nahm der Berufungswerber in entschuldigter Weise krankheitsbedingt nicht teil; er verzichtete jedoch in der Folge auf die neuerliche Anberaumung einer Berufungsverhandlung. In Wahrung des Parteiengehörs wurde ihm das anlässlich der Berufungsverhandlung festgestellte Beweisergebnis mit dem im Rahmen der Berufungsverhandlung aufgenommenen Foto zur Erstattung einer abschließenden Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Der Standort des Meldungslegers und die bezughabenden Distanzen zum Schutzweg bzw. die Entfernung, ab welcher die Überquerungsabsicht des Kindes als erkennbar anzunehmen war, wurde durch Vermessung festgestellt. Errechnet wurde schließlich die für diese Distanz zum Anhalten vor dem Schutzweg erforderliche Bremsintensität mittels Analyzer Pro 4,0.

5. Nachfolgender Sachverhalt gilt als erwiesen:

5.1. Der Berufungswerber lenkte zum o.a. Zeitpunkt das unbeladene Schwerfahrzeug mit einem Eigengewicht von 20 Tonnen von Friedburg kommend in Richtung Höcken. Im Ortsgebiet von Schneegattern ist die L 508 im Bereich des Schutzweges sieben Meter breit. In Fahrtrichtung des Berufungswerbers verläuft der Straßenzug übersichtlich. Er weist zwei durch eine Leitlinie gekennzeichnete Fahrstreifen auf, wobei er beidseitig von zwei Gehsteigen gesäumt ist. Der Standort des Meldungslegers befand sich in Fahrtrichtung des Berufungswerbers rechtsseitig, 26 m vom Schutzweg entfernt. Das Hinweiszeichen nach § 53 Abs.1 Z2a "Kennzeichnung eines Schutzweges" befindet sich laut Zusatztafel 23 m vor dem Schutzweg. Unmittelbar hinter dem Standort des Meldungslegers war der Dienstkraftwagen auf einem Parkplatz im rechten Winkel zur L 508 abgestellt.

5.2. Geht man davon aus, dass sich der Berufungswerber mit dem Schwerfahrzeug mit maximal 40 km/h dem Schutzweg annäherte, müsste er das sich dem Schutzweg nähernde Kind, bei objektiver Betrachtung, bereits vor dem Standort des Meldungslegers bemerkt haben. Es mag sein, dass er durch andere Vorgänge auf der Straße, nachvollziehbar etwa auch durch besondere Zuwendung von Aufmerksamkeit gegenüber einem auch links und rechts neben der Straße stehenden Gendarmeriebeamten, abgelenkt war und dadurch das Kind nicht rechtzeitig wahrgenommen hat.

Mit der am 26. April 2002 per FAX übermittelten Stellungnahme des Berufungswerbers zum Beweisergebnis, erklärte er jedoch zu diesem keine inhaltliche Stellungnahme mehr abzugeben.

Durchaus glaubwürdig ist, dass der Meldungsleger die Annäherung des Berufungswerbers bereits ab der 50 m vor dem Schutzweg befindlichen Brücke gezielt beobachtete, wobei er zu diesem Zeitpunkt bereits das sich dem Schutzweg annähernde Kind im Auge gehabt hat. Zum Zeitpunkt der Vorbeifahrt des Berufungswerbers am Standort des Meldungslegers mit der vom Berufungswerber nicht mehr genau erinnerlichen Fahrgeschwindigkeit von vielleicht 30 km/h, befand sich das Kind demnach bereits vor dem Schutzweg, welchen es in seiner Fahrtrichtung von rechts nach links überqueren wollte. Der Meldungsleger schilderte anlässlich seiner Vernehmung vor der Behörde erster Instanz dahingehend, dass er sich gedacht habe, "der Lkw wird doch wohl stehen bleiben".

Geht man von einer Fahrgeschwindigkeit des vom Berufungswerber gelenkten Lkw-Zuges von maximal 40 km/h aus, hätte es ab der objektiven Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht erst auf Höhe des Meldungslegers (26 m vom Schutzweg entfernt), unter der Annahme einer Reaktionszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden, lediglich einer Verzögerung in Form einer Betriebsbremsung (4,5 m/sek2) bedurft, um das Schwerfahrzeug noch vor dem Schutzweg zum Stillstand zu bringen.

Der vom Berufungswerber geschilderten Einschätzung des Standortes des vermeintlich den Schutzweg sichernden Gendarmeriebeamten auf der rechten Straßenseite (des Zeugen S) mit nur 8 m bis 12 m vor dem Schutzweg trat der Gendarmeriebeamte anlässlich seiner zeugenschaftlichen Angaben bei der Berufungsverhandlung in nicht widerlegbarer Weise entgegen.

Es hat in diesem Zusammenhang dahingestellt zu bleiben, dass es wohl sinnvoller anmuten mag, hätte sich der Meldungsleger näher zum Schutzweg gestellt, um dort Kindern mit Anleitungen zu Hilfe zu kommen und damit aktiv der Sicherheit zu dienen. Vor allem hätte es auch der Flüssigkeit des Verkehrs gedient, wäre das Kind angeleitet worden, noch vor dem 50 m bzw. ca. sechs Sekunden entfernt befindlichen Lkw die Straße auf dem Schutzweg sicher zu überqueren, anstatt es in dieser Absicht 26 m entfernt stehend alleine zu lassen.

Durch die Vermeidung des vollständigen Abbremsens eines Schwerfahrzeuges wird letztlich auch dem Gebot der Vermeidung von Lärm und Abgasen Rechnung getragen.

Ungeachtet dessen war hier von einer ausreichenden Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht des Kindes auszugehen, was daher in der gegebenen Situation ein Anhalten bedingt hätte, was wohl technisch auch noch leicht möglich gewesen wäre.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Folgendes erwogen:

6.1. Der § 9 Abs.2 StVO lautet: Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einem Radfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

Die zit. Bestimmung in der Fassung der 19. Novelle hat eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist. Für den Fahrzeuglenker, insbesondere KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zur Beobachtung des Geschehens nicht nur auf, sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgängern, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, die Überquerung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez.1994, S 357). Weil hier ab dem Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht reichlich Zeit verfügbar blieb, ist ungeachtet des Umstandes, dass wohl noch vor dem Lkw ein sicheres Überqueren möglich gewesen wäre, die Vorbeifahrt ohne anzuhalten unzulässig gewesen. Eine diesbezüglich optimale Einschätzung kann von einem Kind aber gerade nicht erwartet werden. Hier war demnach von einer Verletzung dieser Schutznorm auszugehen.

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Der Berufungswerber hat hier, wenngleich auf Grund eines möglichen Missverständnisses, objektiv gegen ein gesetzlich besonders geschütztes Gut verstoßen. Die Gewährleistung einer sicheren Teilnahme der schwächeren Verkehrsteilnehmern stellt ein besonderes Schutzgut dar. Dieses wollte der Gesetzgeber den Fußgängern auf Schutzwegen angedeihen lassen. Nicht übersehen wurde, dass der Lenker eines Schwerfahrzeuges insbesondere in Ortsgebieten hinsichtlich seiner visuellen Wahrnehmung überdurchschnittlich gefordert ist, wobei er insbesondere auch immer wieder den Bereich hinter seinem Fahrzeug durch Spiegelblicke zu kontrollieren hat. Subjektiv ist ihm daher zuzugestehen, dass dieser Übertretung bloß ein geringes Verschulden in Form eines minderen Grades des Versehens zu Grunde liegt. Dennoch wurde dieses objektiv rechtswidrige Verhalten schuldhaft herbeigeführt bzw. hätte dieses bei der Einhaltung der objektiv gebotenen und subjektiv zumutbaren Sorgfalt vermieden werden können.

Die ohnedies nur mit 58 Euro bemessene Geldstrafe liegt daher durchaus innerhalb des gesetzlichen Ermessensspielraumes, sodass ihr selbst bei bloß unterdurchschnittlichem Einkommen und überwiegenden Strafmilderungsgründen objektiv nicht entgegenzutreten wäre.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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