Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108162/4/Ki/Pe

Linz, 06.08.2002

VwSen-108162/4/Ki/Pe Linz, am 6. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des KV, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. GZ, vom 1.3.2002 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 25.2.2002, VerkR96-18674-2001, wegen einer Übertretung der StVO 1960 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen, das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

II. Zusätzlich zu den Verfahrenskosten 1. Instanz hat der Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 43,60 Euro, ds. 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG.

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 25.2.2002, VerkR96-18674-2001 den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 28.7.2001 um 17.17 Uhr den PKW mit dem Kz: auf der A1 in Richtung Salzburg gelenkt, wobei er im Gemeindegebiet von Seewalchen a.A., bei Km 234.589 die durch Vorschriftszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 54 km/h überschritten hat. Er habe dadurch § 52 lit.a Z10a StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 218 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 21,80 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

Einer Rechtfertigung des Beschuldigten, dieser habe sich zum Tatzeitpunkt im PKW der Fahrzeughalterin befunden, als diese plötzlich aufgrund ihrer Zuckerkrankheit an einer starken Unterzuckerung litt und bewusstlos werden zu drohte, jedoch keinerlei Süßigkeit mitführte, sodass der Beschuldigte selbst das Fahrzeug weiterlenkte und mit möglicherweise überhöhter Geschwindigkeit zur nächsten Tankstelle fahren wollte, um einen süßen Saft zu erwerben, um die Fahrzeughalterin in deren lebensbedrohlichem Zustand zu helfen, entgegnete die Erstbehörde in der Begründung des Straferkenntnisses, dass aufgrund des Umstandes, dass die Fahrzeughalterin bereits seit 1974 an einem Diabetes mellitus Typ 1 leide, von einem Notstand nicht gesprochen werden könne, denn die Fahrzeughalterin hätte entsprechende Vorkehrungen vorher treffen können, in dem sie sich verschiedene Süßigkeiten bereits vor Antritt der Fahrt besorgen und mitnehmen hätte können.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 1.3.2002 Berufung mit dem Antrag, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis allenfalls nach Beweiswiederholung und Ergänzung zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Begründend wurde ausgeführt, dass es nicht um die Verantwortlichkeit der Fahrzeughalterin, sondern um den Beschuldigten, der das Fahrzeug der Fahrzeughalterin, die an starker Unterzuckerung litt und bewusstlos zu werden drohte, weiterlenkte, um möglichst rasch zur nächsten Tankstelle zu gelangen, um der Fahrzeughalterin in deren lebensbedrohlichem Zustand zu helfen, gehe. Es könne nicht sein, dass der Beschuldigte dafür verantwortlich sei, dass die Fahrzeughalterin keine entsprechenden Vorkehrungen vorher getroffen habe. Es sei eine Notstandssituation vorgelegen. Diesbezüglich wurde ausdrücklich die Einvernahme der Fahrzeughalterin sowie die Einholung eines medizinischen Gutachtens zum Beweis hiefür beantragt.

Weiters wurde ausdrücklich beantragt, die für die Erlassung einer derartigen Geschwindigkeitsbeschränkung am 28.7.2001 gültige Verordnung einzuholen, um festzustellen, ob die Geschwindigkeitsbeschränkung überhaupt zu diesem Zeitpunkt gültig verordnet war.

Weiters wurde hinsichtlich Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse argumentiert, dass der Beschuldigte derzeit arbeitslos sei und vom Arbeitsmarktservice 436,40 Euro monatlich beziehe. Die gegen ihn verhängte Geldstrafe sei daher nicht den Einkommensverhältnissen angemessen, sondern überhöht, weshalb hilfsweise die Herabsetzung der Geldstrafe begehrt werde.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Weiters wurde in die bezughabende Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 6.7.2001, GZ 314501/20-III/10/01 Einsicht genommen, wonach zur gegenständlichen Tatzeit für den Bereich des vorgeworfenen Tatortes in Fahrtrichtung Salzburg eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h verordnet wurde.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

Die beantragten Beweise, nämlich die Einvernahme der Fahrzeughalterin sowie die Einholung eines medizinischen Gutachtens wird für entbehrlich erachtet, zumal den Angaben des Berufungswerbers vollinhaltlich Glauben geschenkt und diesbezüglich der Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wird.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer u.a. als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

Gemäß § 52 lit.a Z10a StVO 1960 zeigt das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Gemäß der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 6.7.2001, GZ 314501/20-III/10/01, war im Bereich des verfahrensgegenständlichen Tatortes (Km 234.530 bis Km 234.900) auf der A1 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h begrenzt, dies im Zusammenhang mit dem Baustellenbereich St. Georgen bis Seewalchen.

Die dem Bw angelastete und der Bestrafung zugrunde gelegte Geschwindigkeit wurde mittels Radargerät (Radarbox, MUVR 6FA, Nr. 1974) festgestellt und im Prinzip nicht bestritten. Der Beschuldigte beruft sich in diesem Zusammenhang dahingehend, dass eine Notstandssituation vorgelegen habe.

Wie bereits in der Beweiswürdigung festgestellt wurde (Punkt I.4) mag wohl eine entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigung der Fahrzeuginhaberin vorgelegen sein, welche auch dazu führte, dass der Bw das Fahrzeug weitergelenkt hat. Dennoch kann im vorliegenden Falle die (gravierende) Geschwindigkeitsüberschreitung nicht durch die behauptete Notstandssituation begründet werden.

Unter Notstand (§ 6 VStG) ist ein Fall von Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im Allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Es gehört dabei zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (VwGH 3.3.1994, 93/18/0090 u.a.).

Die irrtümliche Annahme eines Notstandes (Putativnotstand) kann einen Täter nur entschuldigen, wenn der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Notstandes nicht auf Fahrlässigkeit beruht, ihm also nicht vorwerfbar ist (VwGH 26.4.1993, 91/10/0196 u.a.).

Die Berufungsbehörde vertritt die Auffassung, dass der Beschuldigte im vorliegenden Falle zu Unrecht von einer Notstandssituation ausgegangen ist und er mit dem nötigen Maß an Besonnenheit auch bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit der Situation Herr hätte werden können. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass einem allfälligen Zeitgewinn von wenigen Minuten das enorme Risiko gegenübergestanden ist, dass es im gefährlichen Baustellenbereich zu einem Verkehrsunfall hätte kommen können und hiedurch - ungeachtet allfälliger sonstiger Folgen - sich die Situation für die Betroffene noch mehr verschlechtert hätte. Ein besonnener Kraftwagenlenker hätte auf diesen Umstand Rücksicht genommen und trotz der prekären Situation die entsprechende Geschwindigkeit eingehalten. Bei der von einem Autofahrer zu verlangenden Besonnenheit, die in der gebotenen Sorgfalt begründet ist, hätte dem Beschuldigten zu Bewusstsein kommen müssen, dass die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit immer noch das sicherste Mittel gewesen wäre, die Fahrzeughalterin aus der vermeintlichen Gefahr befreien zu können.

Dem Beschuldigten ist es daher mit seinem Vorbringen nicht gelungen, sein Unverschulden an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung darzulegen, sodass auch deren subjektive Tatseite als gegeben anzunehmen ist.

Was die Straffestsetzung (§ 19 VStG) anbelangt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gerade durch die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit es immer wieder zu Unfällen mit gravierenden Folgen kommt und daher ein derartiges Verhalten eine wesentliche Gefährdung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit darstellt. Besonders gravierend ist im vorliegenden Falle, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung in einem Baustellenbereich stattgefunden hat, wodurch das Gefährdungspotenzial noch wesentlich erhöht wurde.

In Anbetracht des vorgegebenen Strafrahmens (Geldstrafe bis zu 726 Euro) hat die Erstbehörde sowohl die Geld- als auch die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend milde festgelegt, sodass auch im Hinblick auf die vom Beschuldigten dargelegten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse eine Herabsetzung nicht vertretbar ist. Insbesondere muss dazu hingewiesen werden, dass im Interesse der bereits erwähnten Rechtsgüter aus generalpräventiven Gründen eine entsprechend strenge Bestrafung vonnöten ist.

Darüber hinaus sind im vorliegenden Falle auch spezialpräventive Gründe maßgeblich, um dem Bw das Verbotene seines Verhaltens entsprechend aufzuzeigen.

Der Strafmilderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit wurde bereits durch die Erstbehörde als mildernd gewertet, das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung stellt zwar keinen Straferschwerungsgrund iSd § 19 Abs.2 VStG dar, letztlich ist dieser Umstand jedoch bei der Strafbemessung dahingehend zu berücksichtigen, dass das Ausmaß des Verschuldens bei der Strafbemessung zu berücksichtigen ist. Weitere Erschwerungsgründe werden auch durch die Berufungsbehörde keine festgestellt.

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat demnach bei der Strafbemessung Ermessen iSd Gesetzes ausgeübt.

I.6. Zusammenfassend wird festgestellt, dass der Bw weder durch den Schuldspruch noch durch die Strafbemessung in seinen Rechten verletzt wurde, weshalb die Berufung als unbegründet abzuweisen war.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

Mag. K i s c h

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