Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108180/10/Le/Ni

Linz, 02.05.2002

VwSen-108180/10/Le/Ni Linz, am 2. Mai 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des E gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21.2.2002, Zl. VerkR96, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung am 30.4.2002 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben; die verhängten Strafen werden aufgehoben und an deren Stelle jeweils eine Ermahnung ausgesprochen.

II. Die Kosten für das erstinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren entfallen.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 19, 21, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstraf-gesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21.2.2002 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretungen des

1. § 58 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 145 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden)
und

2. § 4 Abs.5 1. Satz StVO eine Geldstrafe in Höhe von 145 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden) verhängt;
gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 23.6.2001 um 6.00 Uhr einen (näher bezeichneten) Pkw im Gemeindegebiet O Richtung W (an einer näher bezeichneten Stelle) gelenkt,

wobei er sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befand, in der er ein Fahrzeug nicht zu beherrschen vermochte, da er infolge Übermüdung einschlief, in der Folge links von der Fahrbahn abkam, einen Baum streifte, sich sein Fahrzeug auf einer abschüssigen Böschung überschlug und auf einen auf einem Parkplatz abgestellten Kombi prallte und

er habe es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichen Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten war, unterblieben war.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 13.3.2002, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, vor Fahrtantritt keinerlei alkoholische Getränke zu sich genommen und ca. 5 - 6 Stunden geschlafen zu haben. Als er die Fahrt aufgenommen hätte, wäre er ausgeschlafen gewesen und habe auch während der Fahrt keine Müdigkeit verspürt. Der Sekundenschlaf wäre für ihn völlig überraschend gekommen und wäre auch nicht abwendbar gewesen.

Zur unterlassenen Meldung an die Gendarmerie führte der Berufungswerber aus, dass er nach seinem Unfall schwer geschockt gewesen wäre und seinen Vater angerufen hätte. Dieser wäre sofort gekommen und wäre, nachdem er den Schaden gesehen hätte, nach Hause gefahren, um die Versicherungsunterlagen zu holen, damit sie unverzüglich mit den Geschädigten Kontakt aufnehmen könnten.

Er selbst sei mindestens eine Stunde am Unfallort gewesen und hätte dann seinen Vater ersucht, ihn zum Bahnhof O zu bringen, damit er zu seiner Freundin nach L fahren könne. Tatsächlich wäre er aber dann zu Fuß nach W zu seiner Tante gegangen und hätte sich dort niedergelegt.

Aufgrund der besonderen Unfallumstände und der gravierenden Ausnahmesituation, in der er sich nach dem Unfall befunden hätte, wäre ihm nicht bewusst gewesen, dass die Verständigung des Unfallbeteiligten als nicht ausreichend betrachtet werden würde.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes hat der Unabhängige Verwaltungssenat für 30.4.2002 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. Der Berufungswerber war persönlich nicht erschienen, er ließ sich durch seinen Vater E vertreten. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung ohne Angabe von Gründen fern.

Der Meldungsleger RI S wurde als Zeuge befragt.

3.2. Aus dem Beweisverfahren geht in Zusammenhang mit dem bekannten Akteninhalt hervor, dass der Berufungswerber am Tattag in den frühen Morgenstunden von seiner Schwester angerufen und gebeten wurde, sie von Linz abzuholen. Er fuhr daraufhin los, erhielt aber wenig später von ihr einen weiteren Anruf, dass sie bereits eine andere Heimfahrmöglichkeit gefunden hätte, weshalb er wieder umkehrte. Im Ortsgebiet von O in Fahrtrichtung W schlief der Berufungswerber plötzlich ein, worauf sein PKW in der Folge links von der Fahrbahn abkam, über eine Böschung stürzte und auf dem Dach zu liegen kam; dabei wurde ein anderes Fahrzeug beschädigt. Er selbst blieb unverletzt.

Zur Übermüdung hatte der Berufungswerber am 24.6.2001 vor der Gendarmerie angegeben, dass er bei der Rückfahrt mit dem Einschlafen zu kämpfen hatte, sodass er sich bereits überlegt hatte, irgendwo stehen zu bleiben und zu rasten. In seinen weiteren Stellungnahmen und auch bei der mündlichen Verhandlung wies er jedoch darauf hin, dass ihn die Müdigkeit ganz plötzlich überkommen hätte.

Nach dem Unfall verständigte der nunmehrige Berufungswerber telefonisch seinen Vater, worauf dieser zur Unfallstelle kam und dort mit einem bereits anwesenden Angestellten der Firma K sprach. Dabei wurde festgestellt, dass das beschädigte Fahrzeug einem Fahrgast der Firma K gehörte. Der Vater des Berufungswerbers fuhr daraufhin nach Hause, holte die Versicherungsunterlagen und kehrte zur Unfallstelle zurück. Der Berufungswerber war die ganze Zeit über anwesend. Da der Angestellte der Firma K bereits die Geschädigte telefonisch verständigt hatte, ging der Vater des Berufungswerbers davon aus, dass die Angelegenheit geregelt sei. Er hielt es daher nicht mehr für notwendig, die Gendarmerie zu verständigen.

Seinen Sohn, der ihm zuvor mehrmals versichert hatte, nicht verletzt zu sein, brachte er zum Bahnhof O.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 726 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Zum ersten Tatvorwurf:

Nach § 58 Abs.1 StVO darf, unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs.1, ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Übertretung nach § 58 Abs.1 StVO auch dann vor, wenn die nicht alkoholbedingte Müdigkeit erst während der Fahrt eingetreten ist bzw. ein Ausmaß angenommen hat, das zum Einschlafen gegen den Willen des Betreffenden führen kann und der Fahrer dessen ungeachtet seine Fahrt fortsetzte (VwGH 25.3.1992, ZVR 1992/136).

Der Berufungswerber hat bereits in seiner Einvernahme vor der Gendarmerie angegeben, auf der Rückfahrt mit dem Einschlafen gekämpft zu haben. Er wäre daher verpflichtet gewesen, an geeigneter Stelle anzuhalten, um dort entweder zu rasten oder etwa durch gymnastische Übungen die Müdigkeit zu vertreiben.

Dies hat er jedoch unterlassen, was zur Folge hat, dass er das ihm angelastete Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht hat.

Zum Berufungseinwand, die Müdigkeit habe ihn ganz plötzlich überrascht, ist anzuführen, dass dies mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht in Einklang zu bringen ist. Auch in der Fahrschule werden die Fahrschüler schon darauf hingewiesen, dass sich die Müdigkeit ankündigt durch Gähnen, Lidschwere, Unaufmerksamkeit und Hang zum Linksfahren, woraufhin aber sofort an geeigneter Stelle anzuhalten ist.

4.3. Zum zweiten Tatvorwurf :

Nach § 4 Abs.5 StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

In dem Fall, dass ein Geschädigter nicht an der Unfallstelle anwesend ist und auch nicht persönlich erreicht werden kann, muss sohin zwingend die Meldung an die nächste Gendarmeriedienststelle erfolgen. Dies hat der Berufungswerber unterlassen.

Es ist ihm zwar zugute zu halten, dass er seinen Vater verständigt hat und sich dieser bemüht hat, den Geschädigten zu eruieren und den Schaden zu regulieren, doch kann auch dies nichts daran ändern, dass der Unfall bei der nächsten Gendarmeriedienststelle hätte gemeldet werden müssen. Immerhin war der Geschädigte nicht selbst am Unfallort und er war dort auch nicht vertreten.

4.4. Hinsichtlich des Verschuldens bestimmt § 5 Abs.1 VStG, dass zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Hinsichtlich des Verschuldens zum ersten Tatvorwurf hat der Berufungswerber auf die für ihn plötzlich und überraschend eingetretene Müdigkeit verwiesen. Dieses plötzliche Auftreten der Müdigkeit entspricht jedoch, wie schon oben ausgeführt wurde, nicht der allgemeinen Lebenserfahrung.

Zum zweiten Tatvorwurf hat der Berufungswerber auf einen "Unfallschock" verwiesen und damit Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 3 VStG angesprochen.

Ein sogenannter "Unfallschock" kann nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nur in besonders gelagerten Fällen und nur bei einer gravierenden psychischen Ausnahmesituation das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigen.

Einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallsbeteiligten ist trotz eines sogenannten Unfallschocks in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, zumal von einem Kraftfahrer, welcher die Risiken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, dass er den Schock (Schreck) über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag (siehe hiezu VwGH vom 29.1.1987, 86/02/0132 u.a.)

Damit aber ist dem Berufungswerber Fahrlässigkeit anzulasten.

4.5. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben:

Hinsichtlich der Fortsetzung der Fahrt trotz der erkennbaren Ermüdung ist anzumerken, dass die Unfallstelle lediglich ca. 4 km von der Wohnung des Berufungswerbers entfernt ist. Es ist daher nachvollziehbar, dass er sich lieber zu Hause niederlegen wollte als im (unbequemen) Auto zu rasten. Dass er als junger und dementsprechend wenig geübter Autofahrer die Situation falsch einschätzte, muss ihm als geringfügiges Verschulden zugute gehalten werden.

Auch hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfes konnte von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, weil auch hier das Verschulden geringfügig ist. Bei der Strafbemessung ist der Unfallschock, der durch die persönliche Ausnahmesituation eingetreten war, als strafmildernd zu berücksichtigen.

Die Folgen der Übertretung sind insofern als unbedeutend einzustufen, als der Schaden am gegnerischen Fahrzeug sowie am Betriebsgelände der Firma K durch die gesetzliche Versicherung abgedeckt wurde; der letztendlich verbliebene Schaden blieb ohnedies auf das Vermögen des Berufungswerbers beschränkt.

Der Ausspruch von Ermahnungen erschien jedoch erforderlich, um den Berufungswerber, der keine einschlägigen Vorstrafen aufweist, auf das Unerlaubte seines Verhaltens hinzuweisen und ihn künftighin zu einer sorgfältigeren Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften anzuhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen.

Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängten Strafen aufgehoben wurden, entfiel auch ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

Beschlagwortung: Sekundenschlaf, unterlassene Unfallmeldung

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