Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108206/3/SR/Ri

Linz, 04.09.2002

VwSen-108206/3/SR/Ri Linz, am 4. September 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des Mag. K R M, G, K, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf a. d. Krems, Zl. VerkR96-10441-2001 Sö vom 26. März 2002 wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung (im Folgenden: StVO), zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2,§ 51c und § 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf a. d. Krems wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 18.05.2001 um 17.42 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen in W, A9, km 10,600 in Richtung K gelenkt und die Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" mißachtet, da Sie die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 24 km/h überschritten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit.a Ziffer 10a StVO. i.V.m. § 99 Abs.3 lit.a StVO. 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Euro

70,--

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

24 Stunden

gemäß §

99 Abs.3 lit.a StVO. 1960

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

7,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15,-- Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 77,00 Euro.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 64d VStG)."

2. Gegen dieses dem Bw am 28. März 2002 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

2.1. Die Behörde erster Instanz hat in der Begründung unter anderem ausgeführt, dass dem Beweisantrag des Bw aufgrund der eindeutigen und nachvollziehbaren Stellungnahme des Meldungslegers nicht nachgekommen werden musste. Das Ermittlungsverfahren habe erbracht, dass entgegen den Angaben des Bw das nächste gemessene Fahrzeug erst dreieinhalb Minuten nach dem Bw die Messstelle passiert habe.

2.2. Der Bw hat in der Berufung im Wesentlichen ausgeführt, dass er nicht bremsen hätte können, weil er durch ein knapp auffahrendes Fahrzeug daran gehindert worden wäre. Zum Tatzeitpunkt habe es geregnet und die Autobahn sei auf beiden Fahrstreifen eng befahren gewesen. Weder eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit noch ein Wechsel des Fahrstreifens sei ihm daher möglich gewesen.

Die Behörde erster Instanz wäre darüber hinaus auch verpflichtet gewesen, zu seinen Gunsten zu ermitteln und den Lenker des angeführten Fahrzeuges auszuforschen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt samt Berufungsschrift vorgelegt.

3.1. Aufgrund der Aktenlage wurde die Behörde erster Instanz ersucht, den Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen zu erheben und den Lenker auszuforschen.

3.2. Am 2. September 2002 teilte die Behörde erster Instanz telefonisch mit, dass der Zulassungsbesitzer als Zeuge befragt worden war. Er habe aufgrund des lange zurückliegenden Tatzeitpunktes nicht mehr angeben können, wer zum gegenständlichen Zeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hat.

Ergänzend brachte die Vertreterin der Behörde erster Instanz vor, dass mit dem Fahrzeug des Zeugen vor dem Tatzeitpunkt im gegenständlichen Messbereich bereits mehrere erhebliche Geschwindigkeitsübertretungen gesetzt worden sind und der Zulassungsbesitzer (Zeuge) den Lenkerauskünften gemäß § 103 Abs.2 KFG nicht nachgekommen ist. Die daraufhin verhängten Geldstrafen seien vom Zeugen akzeptiert worden. Bei Betrachtung des nunmehrigen Ermittlungsergebnisses erscheint der Vertreterin der Behörde erster Instanz das Vorbringen des Bw glaubwürdig.

3.3. Aufgrund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Der Bw hat das gegenständliche Fahrzeug entsprechend der Spruchausführungen gelenkt. Auf den beiden Fahrstreifen hat dichter Fahrzeugverkehr geherrscht und die Fahrbahn war regennass. Vor dem Messbereich hat sich der Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen dem Fahrzeug des Bw mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit bis auf eineinhalb Autolängen genähert und somit den erforderlichen Sicherheitsabstand erheblich unterschritten. Der Bw sah sich außer stande seine Fahrgeschwindigkeit zu verringen, da er befürchtete, dadurch in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Er hat daher entgegen der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h die zuvor gefahrene - erlaubte - Geschwindigkeit von 130 km/h beibehalten. Unmittelbar vor der Messstelle hat der Lenker des nachfahrenden Fahrzeuges mit dem Kennzeichen seine Fahrgeschwindigkeit abrupt reduziert.

Im Ermittlungsverfahren ist hervorgekommen, dass unbekannte Lenker mit dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen an dieser Tatörtlichkeit mehrmals die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten haben.

3.4. Die Geschwindigkeitsübertretung als solche ist unbestritten. Das oben dargelegte Vorbringen des Bw ist widerspruchsfrei, deckt sich mit der Aktenlage und dem Ermittlungsergebnis. Die Erkenntnisse der Behörde erster Instanz aus den Verwaltungsstrafverfahren, die gegen den o.a. Zulassungsbesitzer geführt wurden, lassen den Schluss zu, dass der Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen die Messstelle genau kannte und so seine Fahrgeschwindigkeit rechtzeitig reduzieren konnte. Unter diesem Gesichtspunkt und den sonstigen Umständen (Verkehrsaufkommen, regennasse Fahrbahn, usw.) ist das Fahrverhalten des Bw verständlich.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

4.2. Aufgrund der Aktenlage und des Ermittlungsverfahrens liegt ein solcher Umstand, nämlich der Schuldausschließungsgrund des Notstandes vor.

Durch das Verhalten des o.a. Lenkers - Annäherung mit stark überhöhter Geschwindigkeit, Verwenden des Fernlichtes bei der Annäherung, Nachfahrt über eine längere Wegstrecke unter Einhaltung eines Abstandes von ca. eineinhalb Fahrzeuglängen - und den äußeren Umständen - reger Fahrzeugverkehr auf beiden Fahrstreifen, regennasse Fahrbahn, Tunneleinfahrt, unbeleuchteter Tunnel - hat der Bw zurecht sein Leben und das Leben anderer Verkehrsteilnehmer bedroht gefühlt.

Aufgrund dieser speziellen Umstände und der daraus resultierenden unmittelbar drohenden Gefahr hat sich der Bw in einem unwiderstehlichen Zwang befunden, eher diese Verwaltungsübertretung zu begehen, als das unmittelbar drohende Übel über sich ergehen zu lassen.

Nur durch die Weiterfahrt mit gleichbleibender Geschwindigkeit konnte er hier die Gefahr von sich, anderen Menschen und Sachen abwenden.

4.3. Da Umstände vorliegen, die die Schuld des Bw ausschließen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5. Der Bw hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung: Notstand

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