Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-240259/2/WEI/Bk

Linz, 01.07.1998

VwSen-240259/2/WEI/Bk Linz, am 1. Juli 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des K, geb. , F, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 2. April 1997, Zl. 101-6/1-33-52716, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975 idF BGBl Nr. 756/1992) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens sowie zum Ersatz der Untersuchungskosten gemäß § 45 Abs 2 LMG 1975 entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis vom 2. April 1997 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Der Beschuldigte, Herr K hat als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma W GesmbH mit dem Sitz in D, nachstehende Verwaltungsübertretung/en zu verantworten:

Anläßlich einer am 30.11.1995 im Betrieb der Fa. H durchgeführten lebensmittelpolizeilichen Kontrolle wurde festgestellt, daß 4 Packungen 'Landpate - Le Regal de Suzon' (Probemenge: 2 Packungen; Menge der Gegenprobe: 2 Packungen) jeweils in Vakuumverpackung, Gewicht jeweils ca. 230g, zum Verkauf angeboten wurden, welche laut Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck vom 18.3.1996, UZ 8510/96, - da zur Irreführung über einen nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlichen Umstand, nämlich die Haltbarkeit der Ware, geeignet - gemäß § 8 lit. f LMG als falsch bezeichnet anzusehen sind (die auf den Packungen mit '30/12/95' bezeichnete Angabe der Mindesthaltbarkeit ist - da die Probe nach Ablauf des Lagerversuches bis zur angeführten Haltbarkeitsfrist Anzeichen von Verdorbenheit wie Geruchs- und Geschmacksabweichungen, objektiviert durch die überhöhten Keimzahlen, aufwies - zu lange bemessen) und somit gemäß § 7 Abs. 1 lit. c LMG dem Verbot der Inverkehrbringung unterliegen.

Die o.a. Ware wurde von der Fa. W I Gesellschaft importiert sowie im Zeitraum zwischen 23.11.1995 und 30.11.1995 an die Fa. H geliefert und somit in Verkehr gebracht." Der Beschuldigte habe dadurch die Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs 1/2.Fall iVm § 7 Abs 1 lit c und § 8 lit f LMG 1975 begangen. Die belangte Behörde verhängte nach dem Strafrahmen des § 74 Abs 1 letzter Halbsatz LMG 1975 eine Geldstrafe von S 1.000,-- und setzte für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Stunden fest. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 100,-- und als Barauslagen für Untersuchungskosten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck S 2.838,-- vorgeschrieben.

2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seiner Rechtsvertreter am 2. Juni 1997 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 16. Juni 1997 zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, mit der primär die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt wird. Die Berufung rügt zunächst, daß die gezogene Probe zu klein gewesen wäre, um eine aussagekräftige Beurteilung machen zu können. Der strafbehördlich angenommene Sachverhalt sei unklar. Die Stellungnahme vom 10. Februar 1997 stünde vollkommen im Widerspruch zum Gutachten vom 18. März 1996 der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck. Einerseits liege eine unterschiedliche Untersuchungszahl (8510/95 und 8510/96), andererseits habe das Gutachten "Landpate - Le Regal de Suzon" zum Gegenstand, während in der Stellungnahme von "Pute" die Rede sei. Deshalb wären völlig unterschiedliche Lebensmittel bewertet worden.

Weiters macht die Berufung Verfolgungsverjährung geltend. Die Strafverfügung der belangten Behörde wäre dem Bw erst am 10.12.1996 zugestellt worden. Vor diesem Zeitpunkt hätte er keine Kenntnis vom Strafverfahren gehabt. Das Datum der Absendung der Strafverfügung wäre erst nach dem 30. November 1996 erfolgt, weshalb bereits Verjährung eingetreten gewesen wäre. Die belangte Behörde hätte nicht dargelegt, wann die Strafverfügung vom 15. November 1996 zur Post gegeben worden wäre. Ohne Kenntnis dieses Umstands könne die Frage der Verjährung nicht geklärt werden. Eine Verfolgungshandlung schließe nur dann die Verjährung aus, wenn sie sich gegen eine individuell bestimmte Person richtet. Im gegenständlichen Fall der Namensgleichheit und der identischen Abgabestelle sei die Person Empfänger, auf die die individuellen Merkmale zutreffen. Danach beurteile sich auch die Frage nach dem Beschuldigten. Erst die Zustellung stelle eine Verfolgungshandlung dar.

Schließlich bestreitet die Berufung auch ein Verschulden iSd § 5 Abs 1 VStG. Der Bw hätte die Lebensmittel bereits im vakuumverpackten Zustand importiert, wobei die Haltbarkeitsdaten bereits angebracht gewesen wären. An einer möglicherweise zu langen Haltbarkeitsfrist treffe ihn keinerlei Verschulden, zumal er die Ware bereits so übernommen hätte. Dem Bw wäre naturgemäß die Überprüfung der Richtigkeit nicht mehr möglich gewesen. Hilfsweise wäre von einer Strafe gemäß § 21 VStG abzusehen, zumal ein allfälliges Verschulden äußerst geringfügig wäre und die Übertretung keinerlei Folgen gehabt hätte.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 32 Abs 1 VStG ist Beschuldigter eines Verwaltungsstrafverfahrens eine verdächtige Person vom Zeitpunkt der ersten gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung an. Nach § 32 Abs 2 VStG ist als Verfolgungshandlung jede gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung anzusehen, wobei eine solche Verfolgungshandlung auch dann vorliegt, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte keine Kenntnis erlangt hat.

Eine verfolgungsverjährungsunterbrechende Verfolgungshandlung muß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes a) von einer sachlich - nicht auch örtlich - zuständigen Behörde, b) gegen eine individuell bestimmte Person als Beschuldigten, c) wegen eines bestimmten strafbaren Sachverhaltes, d) innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten sein (vgl näher mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A, 1996, 923 Anm 1).

Bei Namensgleichheit von zwei Personen mit gleicher Abgabestelle ist als Empfänger der Sendung jene Person anzusehen, auf die die individuellen, in der Sendung angeführten Merkmale zutreffen. In diesem Sonderfall ist der Empfänger auch als der Beschuldigte iSd § 32 Abs 1 VStG anzusehen, weshalb dann erst die Zustellung eine eindeutige Verfolgungshandlung darstellt (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 926, E 1 zu § 32 Abs 1 VStG).

4.2. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Empfänger der Sendung (Strafverfügung vom 15.11.1996) mit dem Vor- und Familiennamen "K" und die Abgabestelle als D, bezeichnet. An dieser Abgabestelle gibt es zwei Personen mit diesen Merkmalen, nämlich Herrn K, und Herrn K jun., geb. am . Die Strafverfügung vom 15. November 1996 wurde Herrn W sen. am 20. November 1996 eigenhändig zugestellt. Dieser erhob dagegen auch den Einspruch vom 30. November 1996, in dem er vorbrachte, daß er als Pensionist mit der Sache nichts zu tun hätte. Daraufhin verfügte die belangte Behörde am 4. Dezember 1996 (vgl Aktblatt 27 verso) die Zustellung einer weiteren Ausfertigung der Strafverfügung an Herrn K unter der gleichen Adresse. Die Eigenhandzustellung erfolgte am 10. Dezember 1996. Zur Post gegeben wurde die Sendung laut aktenkundigem Vermerk der belangten Behörde am 6. Dezember 1996, was auch am Rückschein durch den Poststempel des Aufgabepostamts bestätigt wird. Mit diesem Datum ist diese Sendung demnach nach außen in Erscheinung getreten. In diesem Zeitpunkt war die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist nach § 74 Abs 6 LMG 1975 bereits abgelaufen, weil nach dem Tatvorwurf als letzter Tag der Jahresfrist der 30. November 1996 in Betracht kam.

Die belangte Behörde beruft sich für die Rechtzeitigkeit der Verfolgungshandlung auf die erste Zustellung der Strafverfügung an Herrn W sen., weil die Kenntnisnahme des Täter von der Verfolgungshandlung nicht von Bedeutung und aus der Strafverfügung konkret ersichtlich sei, daß Herr K handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma W, Empfänger der Sendung sein sollte.

Diese Ansicht kann der erkennende Verwaltungssenat nicht teilen, zumal es sich bei der Tatanlastung als handelsrechtlicher Geschäftsführer iSd § 9 Abs 1 VStG nicht um ein individuelles Merkmal handelt, das eine Person unverwechselbar kennzeichnet. Denn auch Herr K sen. hätte die Funktion eines Geschäftsführers der Fa. W ausüben können, selbst wenn er Pensionist ist. Ein Geschäftsführer muß nicht gleichzeitig Dienstnehmer der juristischen Person sein. Daß Herr K die Funktion eines Geschäftsführers tatsächlich nicht innehatte, läßt die Verfolgungshandlung der belangten Behörde a priori nicht bestimmter erscheinen. Die Unverwechselbarkeit muß bereits im Zeitpunkt und aus dem Inhalt der Verfolgungshandlung abzuleiten sein. Daß der richtige K dem aktenkundigen Firmenbuchauszug vom 11. November 1996 zur Zahl FN 133003 v zu entnehmen war, ändert ebensowenig an der Unbestimmtheit der Verfolgungshandlung. Die Tatanlastung gegenüber einer Person unter Hinweis auf ihre Funktion als Geschäftsführer folgt aus der allgemeinen Verantwortlichkeit der vertretungsbefugten Organe für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen. Sie bedeutet noch keine unverwechselbare Identifikation der Person selbst.

Im gegenständlichen Fall der Namensgleichheit bei identischer Abgabestelle wäre ein unterscheidungskräftiger Zusatz beim Namen des Beschuldigten für die Unverwechselbarkeit notwendig gewesen. Diesen hat die belangte Behörde erst im Zusammenhang mit der zweiten Zustellung der Strafverfügung an den Bw durch Angabe dessen Geburtsdatums angeführt. Diese Sendung hat allerdings die Sphäre der belangten Behörde erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist verlassen. Der Berufung war daher schon wegen eingetretener Verfolgungsverjährung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen. Auf die weiteren Berufungseinwände brauchte der O.ö. Verwaltungssenat nicht mehr eingehen. 5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Auch der Ersatz der Kosten der Untersuchung und Begutachtung an die Untersuchungsanstalt gemäß § 45 Abs 2 LMG 1975 hatte mangels eines Schuldspruchs zu entfallen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum