Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108227/8/Le/Ni

Linz, 10.06.2002

VwSen-108227/8/Le/Ni Linz, am 10. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des F gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 21.3.2002, Zl. VerkR96-444, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6.6.2002 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben; die verhängte Geldstrafe wird auf 436 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 5 Tage herabgesetzt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 43,60 Euro.

Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 19, 20, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

  1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 21.3.2002 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 5 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) in Anwendung des § 99 Abs. 1a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 875 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einer Woche) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.
  2. Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 12.2.2002 um 4.20 Uhr den Kombi mit dem behördlichen Kennzeichen auf dem öffentlichen Parkplatz gegenüber der Tankstelle in P gelenkt, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand, der einem Atemalkoholgehalt von 0,64 mg/l entspricht.

  3. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 16.4.2002, mit der schlüssig beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu davon auszugehen, dass der Blutalkoholwert unter 1,2 %o lag, in eventu um Herabsetzung des Strafbetrages.
  4. Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass aufgrund des beiliegenden Gutachtens des Dr. U davon auszugehen sei, dass sein Blutalkoholwert unter 1,2 %o gelegen wäre und daher ein milderer Strafbemessungsrahmen zur Anwendung kommen müsse. Er wies darauf hin, dass die Bundespolizeidirektion Innsbruck aufgrund dieses Gutachtens den Führerscheinentzug von drei Monaten auf vier Wochen herabgesetzt habe.

    Aus dem in Kopie beiliegenden Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. univ. med. U geht hervor, dass dieser den Auftrag hatte, ein Gutachten zu erstatten zur Frage der Alkoholisierung des F zum Zeitpunkt der Anhaltung am 12.2.2002 um 4.20 Uhr. Das Gutachten werde nach Studium der übersandten Unterlagen (Anzeige der Gendarmerie H und des Alkomat-Messprotokolls vom 12.2.2002 erstattet). Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass bei F für den Zeitpunkt der Anhaltung unter den angeführten Bedingungen das Erreichen oder Überschreiten der 1,2 %o-Grenze nicht mit der erforderlichen Sicherheit erweisbar wäre. Ausgehend von den Alkomat-Messwerten und in Berücksichtigung der zeitlichen Trinkverantwortung bezüglich des Trinkendes könnte die aktuelle Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Anhaltung noch knapp unter 1,1 %o gelegen haben.

  5. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.
  6. Um dem Berufungswerber, der nicht rechtsfreundlich vertreten war, die Möglichkeit zu geben, seinen Standpunkt der Behörde darzulegen, wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung für 6.6.2002 anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. Der Berufungswerber ist zu dieser Verhandlung erschienen, die belangte Behörde war entschuldigt.

    Bei dieser mündlichen Verhandlung gab der Berufungswerber an, an jenem Tag, es wäre der Rosenmontag gewesen, mit Freunden im Gasthaus R gewesen zu sein. Als er das Lokal verließ, ging er zu seinem Auto mit der Absicht, im Auto zu schlafen. Er stellte fest, dass sein Auto neben der Straße stand und er dachte daran, dass am Morgen dann die Leute an seinem Auto vorbeigehen würden und ihn dort schlafend sehen würden. Daraufhin beschloss er (er war ortskundig) zu dem nahegelegenen, ca. 130 m entfernten Parkplatz gegenüber der Tankstelle R zu fahren, wo er hätte ungestört schlafen können. Er fuhr dorthin und stellte sein Fahrzeug auf dem Parkplatz ab. Dort wurde er zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle aufgefordert und anschließend auch zum Alkomattest. Er fuhr ohne weiteres mit den Gendarmeriebeamten zum Posten L mit, wo er den Alkomattest ablegte. Er bezeichnete die Gendarmeriebeamten bei dieser Amtshandlung als sehr freundlich und er war sich dessen voll bewusst, dass er auch diese kurze Strecke nicht mehr hätte fahren dürfen.

    Der Berufungswerber gab bei der Verhandlung weiter an, dass er auf sein Auto angewiesen sei und er schon mehrere Millionen Kilometer ohne Probleme gefahren sei.

    Der Berufungswerber zeigte sich auch bei der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat sehr einsichtig und reumütig.

  7. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigen Zustand befindet, darf gemäß § 5 Abs.1 StVO ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Nach § 99 Abs. 1a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 872 bis 4.360 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 10 Tagen bis 6 Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

Der Berufungswerber hat nicht in Frage gestellt, dass er sein Fahrzeug alkoholisiert gelenkt hat, er bezweifelte aber die Höhe des festgestellten Alkoholmesswertes.

Der Berufungswerber vermeint, durch das von ihm nachträglich eingeholte Gutachten des Dr. U die Richtigkeit der Alkomatmessung in Frage stellen zu können. Dies trifft jedoch nicht zu:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25.6.1999, 99/02/0107) ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 5 StVO durch die 19. StVO - Novelle von der "Gleichwertigkeit" von Atemalkoholmessung und Blutuntersuchung ausgegangen ist. Eine solche Gleichwertigkeit einer Blutuntersuchung gegenüber einer Atemalkoholmessung liegt demnach aber nur dann vor, wenn eine im § 5 StVO vorgesehene Art der Blutuntersuchung vorgenommen wurde, wenn sie also von einem "im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt" (siehe § 5 Abs.6 StVO iVm § 5 Abs.5 erster Satz StVO) sowie durch einen "diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt" (vergleiche § 5 Abs.7 StVO und § 5 Abs.8 StVO) durchgeführt wird. Nur solche, damit gefundene Beweisergebnisse sind daher der Atemalkoholmessung als "gleichwertig" anzusehen.

Aufgrund der mittlerweile erfolgten Novellierungen sind nunmehr die Bestimmungen der Abs.5, 6 und 8 maßgeblich. Nach § 5 Abs.8 StVO hat ein bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabender Arzt eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen, wenn eine Person ...

2. dies verlangt und angibt, bei ihr habe eine Untersuchung nach Abs.2 eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben.

Der Arzt hat die Blutprobe der nächstgelegenen Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu übermitteln und dieser im Falle der Z 2 Namen, Geburtsdatum und Adresse des Probanden sowie den Zeitpunkt der Blutabnahme bekannt zu geben.

Das vom Berufungswerber beigebrachte Gutachten des Dr. U kann sich jedoch auf keine derartige Blutuntersuchung stützen, weil eine solche nicht stattgefunden hat. Das Gutachten stützt sich vielmehr auf medizinische Erfahrungen, das Protokoll über die Alkomatmessung sowie die Angaben des nunmehrigen Berufungswerbers über das Trinkende. Dieses Gutachten kann daher schon von seinen vagen, keinesfalls objektiv messbaren Grundlagen her das Alkomatmessergebnis nicht in seiner Beweiskraft erschüttern.

Dies hat zur Folge, dass das Alkomatmessergebnis in seiner Glaubwürdigkeit unzweifelhaft ist und daher dem Verfahren zu Grunde zu legen ist.

Was die Überschreitung des in § 99 Abs.1a StVO genannten Grenzwertes von 0,6 mg/l betrifft, so ist festzustellen, dass dieser Grenzwert selbst dann überschritten ist, wenn man die in der jüngsten Judikatur des Unabhängigen Verwaltungssenates Oberösterreich angezogene Eichfehlergrenze, die laut eichamtlicher Zulassung plus/minus 5 % beträgt, vom Messwert abziehen würde. Auch hier käme ein Wert von 0,608 mg/l und somit das Überschreiten des Grenzwertes heraus, sodass für den Berufungswerber damit nichts gewonnen wäre.

Da auch an der Erfüllung der subjektiven Tatseite kein Zweifel besteht und diesbezüglich vom Berufungswerber nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde, war von der Verwirklichung der angelasteten Verwaltungsübertretung auszugehen.

4.3. Bei der Strafbemessung berücksichtigte die Erstbehörde die bisherige Unbescholtenheit als mildernd und keinen Umstand als erschwerend. Sie verhängte demnach eine Geldstrafe von 875 Euro (im Gegensatz zur gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe von 872 Euro) und eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einer Woche (im Gegensatz zum gesetzlich vorgesehenen Mindestmaß von 10 Tagen).

Der Unabhängige Verwaltungssenat kam bei der Überprüfung der Strafbemessung zur Überzeugung, dass im vorliegenden Fall die außerordentliche Strafmilderung iSd § 20 VStG anzuwenden ist.

§ 20 VStG bestimmt, dass die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen.

Wie schon die Erstbehörde zutreffend feststellte, sind im vorliegenden Fall keinerlei Erschwerungsgründe vorhanden. Zusätzlich zu der von der Erstbehörde bereits berücksichtigten absoluten Unbescholtenheit, die ein wesentlicher Strafmilderungsgrund ist, ist auch noch das freie Eingeständnis und das reumütige, aber auch konstruktive Verhalten des Herrn F bei der Amtshandlung zu werten. Auch in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zeigte sich der Berufungswerber sehr reumütig und einsichtig. Er versicherte überaus überzeugend seine Schuldeinsicht und dass es sich bei diesem Vorfall um einen Einzelfall gehandelt hätte.

In Anbetracht des Umstandes, dass der Berufungswerber sein Fahrzeug nur über eine sehr kurze Strecke gelenkt und zu dieser Zeit keine anderen Verkehrsteilnehmer auf der Straße waren, war die Gefährdung der Verkehrssicherheit gering. Seine Verantwortung, er habe im Auto schlafen wollen und er hätte dieses nur auf den ruhigen Parkplatz fahren wollen, ist glaubwürdig und kommt einem besonderen Milderungsgrund im Sinne des § 34 Z11 StGB nahe.

Unter Berücksichtigung all dieser Milderungsgründe erscheint es auch unter Berücksichtigung general- und spezialpräventiver Gründe für vertretbar, in diesem besonderen Fall das volle Maß der Strafmilderung auszuschöpfen und demgemäß die Strafe auf die Hälfte der gesetzlich vorgesehen Mindeststrafe herabzusetzen.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen.

Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängte Strafe herabgesetzt wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

Beschlagwortung: Widerlegung des Alkomatergebnisses