Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108261/2/Le/Ni

Linz, 13.06.2002

VwSen-108261/2/Le/Ni Linz, am 13. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des E, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5.2.2002, VerkR96, mit dem die mit der Strafverfügung vom 5.11.2001, VerkR96, verhängte Strafe, wegen einer Übertretung der StVO 1960 herabgesetzt worden war, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 35 Euro zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: §§ 49 Abs.2 und 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5.2.2002 wurde aufgrund des Einspruches vom 23.11.2001 die mit der Strafverfügung vom 5.11.2001 verhängte Strafe von 218,02 Euro auf 175 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden auf 84 Stunden herabgesetzt; zusätzlich wurde ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10% der verhängten Strafe, das sind 17,50 Euro, festgesetzt.

2. Dagegen richtet sich das als Berufung gegen diesen Bescheid zu wertende Schreiben des Bestraften vom 2.4.2002, in dem dieser Folgendes ausführte:

"Betr.: Herabsetzung des Strafausmaßes

Sehr geehrte Herrn!

Besten Dank für Ihr Schreiben vom 5.2.2002 welches ich am 22.3.2002 entgegengenommen habe.

Aufgrund der damaligen Situation und äußerst kritischen Lage in der besagten Familie, aber auch mit diesem Einsatz verbundenen Erfolges ersuche ich um eine großzügige Behandlung meiner Berufung.

Meine Übertretung der Geschwindigkeitsbegrenzung ist mir jedoch voll bewußt und werde dementsprechend in Zukunft besser achtgeben."

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt hervorgeht, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass der nunmehrige Berufungswerber am 14.10.2001 um 8.43 Uhr auf der A1 Westautobahn im Bereich der Gemeinde S beim km 243,830 in Fahrtrichtung W von einem fix installierten Radarmessgerät erfasst und dabei eine Fahrgeschwindigkeit von 112 km/h gemessen wurde; nach Abzug der Verkehrsfehlertoleranz verblieb eine Fahrgeschwindigkeit von 106 km/h, was angesichts der dort verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h um 46 km/h zu hoch war.

Der nunmehrige Berufungswerber wurde daher mit der Strafverfügung vom 5.11.2001 mit einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 96 Stunden) bestraft.

Dagegen richtete sich der rechtzeitig eingebrachte Einspruch vom 23.11.2001, mit dem um Herabsetzung der Strafe ersucht wurde. Der Rechtsmittelwerber gab an, dass er im christlichen Seelsorgedienst tätig sei und damals dringend zu einer Familie in K fahren musste, wobei er in Gedanken beschäftigt die Geschwindigkeitsbeschränkung übersehen habe.

Die Erstbehörde stellte fest, dass der Einspruchswerber verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist, 1999 ein Nettoeinkommen von 151.132 S hatte und Sorgepflichten für eine Gattin und vier Kinder hat.

Daraufhin wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die verhängte Geldstrafe von 3.000,--S (218,02 Euro) auf 175 Euro herabgesetzt; ferner wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren im Höhe von 10 % der verhängten Strafe verrechnet.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Wenn in einem Einspruch gegen eine Strafverfügung ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe ... angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden (§ 49 Abs.2 dritter Satz VStG).

Auch wenn die Erstbehörde im daraufhin einzuleitenden Strafverfahren, dessen Gegenstand jedoch ausschließlich die Strafbemessung ist, die Strafe herabsetzt, kann dennoch das Rechtsmittel der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden, der dann seinerseits die Strafbemessung überprüft.

Bei der Strafbemessung ist nach den Grundsätzen des § 19 VStG vorzugehen:

Nach § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Bei Anlegung dieser Kriterien ist die Strafbemessung wie folgt zu begründen:

Es ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber auf einem Autobahnteilstück, auf dem eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h verordnet war, tatsächlich eine Fahrgeschwindigkeit von 106 km/h eingehalten hat. Das Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um mehr als 75 % (106 km/h statt der erlaubten 60 km/h) kann jedoch nicht mehr als Fahrlässigkeitsdelikt angesehen werden. Einem sorgfältigen Autofahrer muss bereits das Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 10 bis 20 km/h auffallen, zumal ein solcher gerade im Bereich einer Geschwindigkeitsbeschränkung ständig seine Fahrgeschwindigkeit kontrollieren muss. Ein Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit aber um 46 km/h setzt ein Wissen um diese Geschwindigkeitsübertretung voraus, sodass eine derart hohe Geschwindigkeitsübertretung nur mehr vorsätzlich begangen werden kann.

Auch wenn es edelmütig ist, einer Familie in K bei der Bewältigung von Eheproblemen zu helfen, so darf dennoch auf der Fahrt dorthin die Verkehrssicherheit nicht in derart massivem Ausmaß gefährdet werden, wie dies bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung im vorliegenden Ausmaß erfolgte.

Die Erstbehörde hat im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 44) die subjektiven Strafbemessungsgründe des § 19 Abs.2 VStG berücksichtigt und aufgrund der Einspruchsangaben und der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit die Geldstrafe herabgesetzt.

Bei der Überprüfung dieser Strafbemessung kam der Unabhängige Verwaltungssenat zur Ansicht, dass selbst in Ansehung des geringen Einkommens, der Sorgepflichten und der Unbescholtenheit die vorsätzliche Tatbegehung, das Ausmaß der Geschwindigkeitsbeschränkung sowie die massive Gefährdung der Verkehrssicherheit aus spezial- und generalpräventiven Gründen eine weitere Herabsetzung nicht mehr rechtfertigen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines Unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist. Da eine Geldstrafe in Höhe von 175 Euro verhängt wurde, beträgt der Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren 35 Euro.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa VwGH vom 23.9.1994, 94/02/0256) bietet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Erledigung nach § 49 Abs.2 dritter Satz VStG in Hinsicht auf das bekämpfte Ausmaß der verhängten Strafe kein "Straferkenntnis" bildet, wird doch durch einen derartigen Einspruch in diesem Umfang das ordentliche Verfahren eingeleitet, welches eben durch ein "Straferkenntnis" beendet wird.

Daher mussten auch die Kosten für das Berufungsverfahren vorgeschrieben werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Leitgeb

Beschlagwortung: Strafberufung