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VwSen-108317/2/Ki/Ka

Linz, 18.06.2002

VwSen-108317/2/Ki/Ka Linz, am 18. Juni 2002 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der RV, vom 8.5.2002, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29.4.2002, Verk96-14474-2001-K, wegen einer Übertretung des Führerscheingesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Straferkenntnis vom 29.4.2002, VerkR96-14474-2001-K, die Berufungswerberin (Bw) für schuldig befunden, sie habe am 29.7.2001 um 14.15 Uhr den PKW, einer Person zum Lenken auf Straßen mit öffentlichem Verkehr überlassen, obwohl diese nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten, gültigen Lenkberechtigung für die Klasse "B" war. Sie habe dadurch § 7 VStG iVm § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.3 Z1 FSG 1997 verletzt. Gemäß § 37 Abs.1 FSG 1997 wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von 436 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage) verhängt.

Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 43,60 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Die Rechtsmittelwerberin erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 9.5.2002 nachstehende Berufung:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

Anschließend möchte ich mich gerne rechtfertigen, weshalb ich gegen dieses Straferkenntnis Berufung einlegen möchte. An diesem besagten 29.07.2001 fuhr ich mit Bekannten nach NÖ um ein Grab zu besuchen. Am späten Vormittag kehrten wir in ein Gasthaus ein, wo ich gespritzten Süßmost und Cola trank. Kurz darauf wurde mir übel und ich habe beinahe einen Kreislaufkollaps bekommen. Ich war so schwach und alles verschwamm mir vor den Augen. Auch hatte ich starkes Schwindelgefühl, was ich auch bei der Gendarmerie und der Ennser Polizei angab. Auch war es an diesem Vormittag sehr heiß. Wir haben noch einige Zeit gewartet, jedoch hat sich mein Zustand eher verschlechtert. Es blieb mir nichts anderes übrig, als jemand Anderen mit dem Auto fahren zu lassen, weil ich nicht wusste, wie ich sonst nach Hause kommen sollte. Man setzte mich auf den Beifahrersitz, da man große Angst um mich hatte und auch keine Möglichkeit vorhanden war, um Rettung oder Arzt zu rufen. Wir waren unterwegs im Naarntal. Es ist mir bewusst, dass ich damals einen Fehler gemacht habe, aber in der Not ist mir keine andere Möglichkeit eingefallen. Ich ersuche Sie höflich, mir diese Strafe zu erlassen, da ich derzeit in ganz großen finanziellen Nöten bin und appelliere hiermit auch an Ihre menschlichen Gefühle. Ich habe schon Strafe genug, weil mein Auto zu Schrott gefahren wurde und ich mir erst jetzt ein Fahrzeug um Euro 360,-- kaufen konnte mit geliehenem Geld. Ein Fahrzeug benötige ich, weil ich 70 % gehbehindert bin und aus diesem Grunde nicht mehr als 5 kg Gewicht tragen darf. Ich versichere Ihnen, dass ich niemals mehr einen Fremden mit meinem Auto fahren lasse. In der Hoffnung, dass Sie meiner Berufung stattgeben und Verständnis für meine damalige Situation haben zeichne ich hochachtungsvoll Unterschrift eh."

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

Im Verfahrensakt befindet sich eine Anzeige des GP Perg vom 30.7.2001, in welcher ua. auch die der Beschuldigten zur Last gelegte Tat dargestellt wurde. Bei einer Einvernahme im Rahmen des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens erklärte die Bw, dass es richtig sei, dass sie ihren Bekannten mit ihrem Fahrzeug fahren ließ, obwohl sie gewusst habe, dass er keinen Führerschein besitze. Sie habe selber nicht fahren können, da ihr von einem Gasthausbesuch schlecht geworden sei. Da sie und ihre Bekannten nicht lange warten wollten, habe ihr JG, dass er das Fahrzeug lenken werde. Sie bitte um eine milde Strafe.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 1 Abs.3 FSG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse, in die das Kraftfahrzeug fällt.

Gemäß § 7 VStG unterliegt, wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

Dazu wird zunächst festgestellt, dass der von der Bw geschilderte Gesundheitszustand zum Vorfallszeitpunkt weder einen Schuldausschließungsgrund noch einen Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 6 VStG darstellt. Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht (VwGH 17.2.1992, 91/19/0328 ua). Es bestand wohl nicht eine so schwere unmittelbare Gefahr für das Leben der Bw, dass einzig und alleine durch Lenken eines Kraftfahrzeuges durch eine Person, welche hiefür keine Lenkberechtigung besessen hat, eine Rettung erfolgen konnte. Eine Notstandssituation war demnach nicht gegeben.

Dennoch kann das angefochtene Straferkenntnis wegen formeller Mängel nicht aufrechterhalten werden.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch (eines Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Beschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen bzw sich rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Demnach ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die vorgeworfene Tat in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale exakt beschrieben wird.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) hat ein wegen Beihilfe (und auch wegen Anstiftung) gemäß § 7 VStG verurteilendes Straferkenntnis in seinem § 44a Z1 VStG betreffenden Spruchteil ua sowohl jene Tatumstände in konkretisierter Form zu umschreiben, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zu der durch seine Tat verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglichen, als auch jenes konkrete Verhalten des Beschuldigten darzustellen, durch welches der Tatbestand der Beihilfe (oder Anstiftung) hiezu verwirklicht wird; dazu gehört der konkrete Tatvorwurf, der die Annahme rechtfertigt, der Beschuldigte habe die Tat vorsätzlich begangen (VwGH 6.2.1990, 89/04/0184 ua). Weiters hat der Spruch, um den Anforderungen des § 44a Z1 VStG gerecht zu werden, auch die Tatzeit hinsichtlich der Regelung der Anstiftung bzw Beihilfe und nicht in Ansehung der Regelung der Tat durch den unmittelbaren Täter anzuführen (VwGH 20.12.1995, 93/03/0166).

Im gegenständlichen Falle wurde der Beschuldigten zwar vorgeworfen, sie habe einer Person den im Spruch bestimmten PKW zum Lenken auf Straßen mit öffentlichem Verkehr überlassen, obwohl diese nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten, gültigen Lenkberechtigung für die Klasse "B" war, es fehlt jedoch jeglicher Hinweis dahingehend, dass diese Überlassung (Beihilfe oder Anstiftung) in der Schuldform eines Vorsatzes erfolgt. Darüber hinaus bestehen auch Bedenken dahingehend, ob die Überlassung tatsächlich zu der im Straferkenntnis festgestellten Tatzeit erfolgt ist.

Das Fehlen dieser wesentlichen Tatbestandsmerkmale im Schuldspruch des Straferkenntnisses bzw die Unterlassung einer auf diese wesentlichen Tatbestandsmerkmale bezogenen tauglichen Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist belasten das angefochtene Straferkenntnis mit qualifizierter Unbestimmtheit dahingehend, dass dieses nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG entspricht. Da überdies im Hinblick auf die mittlerweile gesetzlich festgelegte Verfolgungsverjährungsfrist (§ 31 VStG) eine entsprechende Korrektur nicht mehr möglich ist, war der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Bw einzustellen.

Auf die Problematik einer allfälligen Spezialität der Bestimmung des § 103 Abs.1 KFG zur generellen Norm des § 7 VStG war im Hinblick auf das Verfahrensergebnis nicht mehr einzugehen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

"Vorsatz" - wesentliches Tatbestandsmerkmal in den Fällen des § 7 VStG.

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