Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108399/2/Bi/Stu

Linz, 01.08.2002

 

VwSen-108399/2/Bi/Stu Linz, am 1. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Dr. H S, H M, W, vertreten durch RAe Dr. J P und Dr. J K, J, W, vom 2. Juli 2002 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 12. Juni 2002, VerkR96-1515-2002-BB/Ar, wegen Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 71 Abs.1 Z1 AVG iVm §§ 24 und 51 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

  1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Antrag des Berufungswerbers (Bw) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 22. Mai 2002 gemäß § 71 Abs.1 und 4 AVG iVm § 24 VStG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Strafverfügung sei am 28. März 2002 rechtswirksam zugestellt worden, die Einspruchsfrist sei am 11. April 2002 abgelaufen. Der Einspruch sei aber laut Poststempel erst am 13. April 2002 aufgegeben worden, daher verspätet. Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages, der RAAnwärter Mag. N habe den Einspruch "aus unerfindlichen Gründen" nicht rechtzeitig fertiggestellt, stelle kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar.

2. Dagegen hat der Bw fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da in der zugrundeliegenden Strafverfügung keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden war, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z4 VStG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe in seinem Antrag begründend vorgebracht, der Einspruch sei von einem Mitarbeiter seines rechtsfreundlichen Vertreters versehentlich einen Tag zu spät fertiggestellt und somit auch zu spät zur Post gegeben worden. Dies sei trotz eingerichteten Kontrollsystems passiert, weshalb es sich um ein Versehen handle, welches ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis darstelle, durch das er an der rechtzeitigen Erhebung des Rechtsmittels gehindert gewesen sei. Den Rechtsvertreter treffe kein Verschulden, weil in der Kanzlei ein im Allgemeinen funktionierendes Kontrollsystem eingerichtet sei, das nur auf Grund unglücklicher Umstände in diesem Fall nicht funktioniert habe.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass auf Grund einer Anzeige eines Beamten des GP G seitens der Erstinstanz dem Bw als handelsrechtlichem Geschäftsführer und damit gemäß § 9 VStG nach außen vertretungsbefugtem Organ der A Gesellschaft für Außenwerbung mbH, H M, W, mit Strafverfügung vom 22. März 2002, VerkR96-1515-2002, zur Last gelegt wurde, das Verbot gemäß § 84 Abs.2 StVO auf genauer umschriebene Weise missachtet und dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 84 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.j StVO 1960 begangen zu haben.

Laut Rückschein wurde die Strafverfügung dem Bw eigenhändig am 28. März 2002 zugestellt. Der Einspruch ist mit 11. April 2002 datiert und wurde laut Poststempel am 13. April 2002 aufgegeben.

Mit Schreiben der Erstinstanz vom 7. Mai 2002 wurde der Bw auf die offensichtliche Verspätung des Rechtsmittels - die Frist hatte am 28. März 2002 zu laufen begonnen und gemäß § 49 Abs.1 VStG am 11. April 2002 geendet - hingewiesen und hat in einem am 22. Mai 2002 zur Post gegebenem Schriftsatz neuerlich Einspruch erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, der damit begründet wurde, in der Kanzlei des Rechtsvertreters gebe es ein Posteingangs- und Terminerfassungssystem dergestalt, dass die Post zunächst von einer Sekretärin aufgenommen und die zu beachtenden Fristen in den Kanzleikalender eingetragen würden, was auch nachfolgend von einem Juristen kontrolliert werde. Anhand dieser Eintragungen im Kalender kontrollierten die Bearbeiter der einzelnen Akte, dass die Rechtsmittel fristgerecht fertiggestellt und zur Post gegeben würden. Der für den Einspruch zuständige Bearbeiter, RAAnwärter Mag. C N, habe aus unerfindlichen Gründen den Einspruch nicht rechtzeitig fertiggestellt, sodass der Einspruch erst am nächsten Tag bei der Post gewesen sei. Die zeugenschaftliche Einvernahme des Bearbeiters wurde angeboten und weiters geltend gemacht, der Bw sei durch dieses unvorhersehbare und unabwendbare Ereignis an der rechtzeitigen Erhebung des Rechtsmittels gehindert gewesen. Dies werde fristgerecht geltend gemacht, zumal er erst am 8. Mai 2002 (auch ersichtlich am Eingangsstempel der RAKanzlei) von der Verspätung erfahren habe.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist der Sachverhalt hinreichend geklärt, sodass auf die zeugenschaftliche Einvernahme des Bearbeiters verzichtet werden kann.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen; letzterer muss sich ein Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. In der Person eines bevollmächtigten Vertreters eingetretene Tatumstände bilden für die vertretene Partei nur dann einen WE-Grund, wenn sich diese Umstände für den Vertreter selbst als unverschuldetes oder unabwendbares Ereignis darstellen (vgl Erk v 19. Juni 1998, 98/02/0156, ua).

Für die Berechnung der Rechtsmittelfrist ist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender entweder selbst durchzuführen oder im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Die Organisation eines RA-Kanzleibetriebes ist daher so einzurichten, dass insbesondere die fristgerechte Setzung von mit Präklusion sanktionierten Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrolle ua dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Das Versehen eines Kanzleibediensteten stellt immer nur dann einen WE-Grund dar, wenn der Rechtsvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen ist. Ein minderer Grad des Versehens der Partei liegt im Fall einer leichten Fahrlässigkeit vor, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen, als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an Verfahren beteiligte Personen (vgl Erk v 29. April 1997, 97/05/0066-0077, 0084-0090).

Im gegenständlichen Fall wird geltend gemacht, dass zwar die Fristberechnung richtig erfolgt und auch die Fristvormerkung im Kalender termingerecht gewesen sei, jedoch sei der RA-Anwärter "aus unerfindlichen Gründen" mit der Fertigstellung des Einspruches säumig gewesen, sodass das Schriftstück erst am nächsten Tag zur Post gegeben worden sei.

Dazu ist zu bemerken, dass die Einbringung eines Einspruchs gemäß § 49 Abs.1 VStG keinerlei Begründung bedarf und dieser im Grunde genommen außer den Angaben, die für die entsprechende Zuordnung zu einer bestimmten Strafverfügung unerlässlich sind, nämlich Behörde, Geschäftszahl und Daten des Einspruchswerbers, nur ein einziges Wort, nämlich "Einspruch", enthalten muss, um die Einleitung eines ordentlichen Verfahrens mit der Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt ausführlichst zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen, zu gewährleisten.

Die "Fertigstellung" eines Einspruchs ist aus diesen Überlegungen nicht als ausgesprochen zeitintensiv und konzentrations- oder arbeitsaufwändig anzusehen, sondern es ist im Gegenteil eher darauf Wert zu legen, die entsprechenden Fristen einzuhalten. Der Begriff "unerfindlich" ist zur Glaubhaftmachung unabwendbarer oder unvorhersehbarer Gründe ebensowenig geeignet wie für die Darlegung fehlenden Verschuldens oder eines minderen Grades eines Versehens.

Auffällig ist weiters, dass das Rechtsmittelvorbringen davon ausgeht, dass die Frist nur um einen Tag versäumt wurde, was angesichts der Daten der Zustellung, 28. März 2002, und der Postaufgabe des Rechtsmittels, 13. April 2002, nicht richtig sein kann, weil dann das Schriftstück bereits am 12. April 2002 bei der Post aufgegeben worden sein müsste. Schon daraus lässt sich ersehen, dass offensichtlich auch der Fristablauf übersehen wurde, was aber nicht ein Problem der "Fertigstellung" des Einspruchs, sondern ein solches der Kanzleiorganisation, nämlich der Kontrolle der rechtzeitigen Absendung des Rechtsmittels zumindest am letzten Tag einer richtig berechneten und so im Kalender eingetragenen Frist, darstellt.

Der 11. April 2002 (Ende der Einspruchsfrist) war ein Donnerstag, der 13. April 2002 (tatsächliche Postaufgabe) ein Samstag, sodass auch nicht das Dazwischenliegen eines Wochenendes als Argument herangezogen werden kann.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates kann ein minderer Grad des Versehens im Sinne einer leichten Fahrlässigkeit gemäß § 1332 ABGB (vgl VwGH v 22. November 1996, 95/17/0112) im gegenständlichen Fall nicht erblickt werden. Vielmehr entsteht schon durch die Behauptung "unerfindlicher Gründe" der Eindruck gravierender organisatorischer Mängel in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bw, sodass nicht von einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis ausgegangen werden kann. Die Voraussetzungen des § 71 Abs.1 Z1 AVG iVm § 24 VStG treffen daher im gegenständlichen Fall nicht zu, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung: Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen wenn Rechtsmittelfrist um zwei Tage versäumt und "unerfindliche Gründe" dafür geltend gemacht werden (kein Hinweis auf Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 /1 AVG)

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