Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108408/2/WEI/Be

Linz, 29.01.2003

 

 

 VwSen-108408/2/WEI/Be Linz, am 29. Jänner 2003

DVR.0690392
 

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung von Frau Mag. E T, B, L, vertreten durch Dr. G S, R in L, M, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. Juni 2002, Zl. S-31.744/01-4, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Strafsache nach dem Kraftfahrgesetz 1967 - KFG 1967 zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 
Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991.
 
 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 25. April 2002, Zl. S-31.744/
01-4, wurde die Berufungswerberin (Bwin) einer Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs 3 fünfter Satz iVm § 134 Abs 1 KFG wegen Telefonierens ohne Freisprechanlage am um Uhr während der Fahrt mit dem Kraftfahrzeug, Kz L-, schuldig gesprochen und über sie eine Geldstrafe von 36 Euro (EFS 18 Stunden) verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde der Bwin nach Ausweis des aktenkundigen Rückscheins am 17. Mai 2002 zu Händen ihres Rechtsvertreters zugestellt. Die Berufungsfrist ist am 31. Mai 2002 ungenützt abgelaufen.

 

1.2. Mit Eingabe vom 3. Juni 2002, bei der belangten Behörde eingelangt am 4. Juni 2002, beantragte die Bwin durch ihren Rechtsvertreter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und verwies zur Berufung auf die schon im Einspruch angeführte Begründung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 2002 hat die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 24 VStG iVm § 71 Abs 1 Z 1 AVG abgewiesen.

 

2.1. In der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wird vorgebracht, dass von Frau E J, einer langjährigen und äußerst zuverlässigen Mitarbeiterin des Rechtsvertreters der Bwin, sogleich ein Fristvormerk für die Erhebung der Berufung des Straferkenntnisses gemacht worden wäre. Dabei wäre ihr ein Fehler unterlaufen und dürfte sie eine Seite am Wochenplaner überblättert haben, sodass anstelle des 31. Mai 2002 irrtümlich der 7. Juni 2002 als letzter Tag zur Einbringung der Frist vermerkt worden wäre.

 

Das Vormerken von Fristen gehöre zum täglichen Aufgabenbereich der Frau J und wäre bisher immer korrekt von ihr erledigt worden. Der Fehler sei auf jeden Fall als entschuldbare Fehlleistung anzusehen. Dieser mindere Grad des Versehens hindere die Wiedereinsetzung nicht. Da sich der Rechtsvertreter bisher auf die Fristvormerke seiner Mitarbeiterin verlassen hätte können, wäre die Versäumung der Frist für ihn unvorhersehbar gewesen. Abschließend wird daher die Bewilligung der Wiedereinsetzung begehrt.

 

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes näher ausgeführt, dass ein Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht seiner Kanzleibediensteten überlassen und sich auf stichprobenartige Kontrollen beschränken darf. Da der Rechtsvertreter das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht einmal behauptet habe, sei im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur von einem minderen Grad des Versehens des Parteienvertreters bei der Organisation seines Kanzleibetriebs auszugehen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei daher abzuweisen.

 

2.3. In der Berufung vom 28. Juni 2002 bringt der Rechtsvertreter erstmals vor, dass die Vormerkung von Fristen in seiner Kanzlei so erfolge, dass der Rechtsvertreter die Frist auf dem Schriftstück vermerke und diese dann im Fristenbuch von der speziell instruierten, langjährigen und äußerst zuverlässigen Kanzleikraft unter Zuhilfenahme einer Fristentabelle eingetragen werde. Darüber hinaus erfolge die Kalendierung eine Woche vor Ablauf der Frist und werde der Akt am kalendierten Tag vorgelegt, um die rechtzeitige Vornahme der fristgebundenen Handlung zu ermöglichen. Am letzten Tag der Frist werde nochmals auf die Frist hingewiesen. Außerdem werde die Vornahme der Eintragungen im Fristenbuch vom Vertreter der Bwin regelmäßig kontrolliert und wären die Eintragungen bisher immer korrekt vorgenommen worden. Es bestehe daher sehr wohl ein wirksames System zur Kontrolle der Vormerkung von Fristen.

 

Im gegenständlichen Fall hätte der Rechtsvertreter der Bwin die Berufungsfrist wie üblich auf dem Straferkenntnis vermerkt. Allerdings trug die Kanzleiangestellte unter dem Datum 31. Mai statt dem Fristvormerk irrtümlich die Kalendierung ein und wäre demzufolge der Akt an diesem Tag der auf Urlaub befindlichen Konzipientin mit dem Vermerk "Kalendierung Berufung" vorgelegt worden. Als diese am Montag, dem
3. Juni 2002, vom Urlaub zurückkehrte, hätte sie den Irrtum bemerkt. Das Versehen der Kanzleiangestellten E J sei als geringfügig anzusehen, Darüber hinaus könne dem Rechtsvertreter kein Verstoß gegen die Kontrollpflichten vorgeworfen werden, zumal in seiner Kanzlei ein seit Jahren einwandfrei funktionierendes System bestehend aus Anweisungen und Kontrollen bestünde. Deshalb werde beantragt, der Berufung Folge zu geben und die Wiedereinsetzung zu bewilligen.

 

2.4. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten zur Berufungsentscheidung vorgelegt, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erwägen.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass die Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen war.

 

4. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 71 Abs 1 AVG (iVm § 24 VStG) ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Nach § 71 Abs 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach § 71 Abs 4 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Gemäß § 71 Abs 6 AVG kann die Behörde dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Ein unabhängiger Verwaltungssenat hat durch Einzelmitglied zu entscheiden.

 

Der Wiedereinsetzungswerber hat alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 673 E 16 zu § 71 Abs 1 und 681, E 2 zu § 71 Abs 2). Glaubhaftmachung bedeutet die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich machen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch5, Anm 4 zu § 71 AVG). Die Prüfung des Wiedereinsetzungsantrags hat nur im Rahmen des Vorbringens zu erfolgen (vgl etwa VwGH 22.4.1997, 94/04/0014; VwGH 30.5.1997, 96/02/0608, 0613).

 

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl u.a. VwGH 26.8.1998, 96/09/0093; VwGH 1.7.1998, 98/09/0026, 0027; Hauer/Leukauf, Handbuch5, E 18b und E 21 zu § 71 Abs 1 AVG).

 

4.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Parteivertreters an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl etwa VwGH 26.09.1990, Zl. 90/10/0062; VwGH 23.05.2001, Zl. 2001/06/0036). Das Versehen eines Kanzleibediensteten ist dann ein unvorhergesehenes Ereignis, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen ist. Er muss gegenüber seinem Hilfsapparat alle Vorsorgen treffen, welche die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten. Insbesondere muss der Anwalt die Organisation seines Kanzleibetriebs so einrichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird, wobei er durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen hat, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Rechtsanwalt verstößt gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen, noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl VwGH 29.09.2000, Zlen. 2000/02/0191, 0192 unter Hinweis auf VwGH 26.01.1999, Zlen. 98/02/0412, 0413).

 

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung weiter davon aus, dass der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen darf. Für die richtige Berechnung der Rechtsmittelfrist ist hingegen stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen seiner Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung. Überhaupt darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht der Kanzleikraft überlassen und sich nur auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Kommt der Rechtsanwalt im gegebenen Zusammenhang seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl mwN VwGH, 26.01.1999, Zlen. 98/02/0412, 0413; VwGH 29.9.2000, Zlen. 2000/02/0191, 0192).

 

4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl mwN VwGH 28.02.2000, Zlen. 99/17/0317, 0318) bleibt die Partei im Verfahren wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden. Eine Auswechslung dieses Wiedereinsetzungsgrundes im Berufungsverfahren oder auch eine andere Deutung des objektiven Erklärungswerts des Wiedereinsetzungsantrags durch die Partei ist rechtlich unzulässig.

Im Wiedereinsetzungsantrag vom 3. Juni 2002 wurde noch vorgebracht, dass das Vormerken von Fristen zum Aufgabenbereich der äußerst zuverlässigen, langjährigen Kanzleiangestellten J gehöre, die auch sogleich den Fristvormerk für die Erhebung der Berufung gemacht und dabei irrtümlich eine Seite am Wochenplaner überblättert habe. Da sich der Rechtsvertreter bisher immer auf die Fristvormerke seiner Mitarbeiterin verlassen hätte können, wäre die Versäumung der Frist für ihn unvorhersehbar gewesen.

 

Die belangte Behörde ging auf Grund dieses Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag zutreffend davon aus, dass der Rechtsvertreter der Bwin die Festsetzung der Fristvormerke seiner Kanzleiangestellten überlassen und sich auf deren Richtigkeit verlassen hat. Da nur von einer entschuldbaren Fehlleistung der Kanzleibediensteten die Rede war und - wie schon die belangte Behörde folgerichtig resümierte - ein wirksames Kontrollsystem nicht einmal behauptet wurde, konnte bei dieser Sachlage von einem minderen Grad des Parteienvertreters bei der Organisation seines Kanzleibetriebs keine Rede sein.

 

Nunmehr wird in der Berufung behauptet, dass der Rechtsvertreter die Frist beim Einlangen fristauslösender Schriftstücke neben dem Eingangsstempel vermerke. Die Frist werde dann von der speziell instruierten und äußerst zuverlässigen Kanzleikraft unter Zuhilfenahme einer Fristentabelle im Fristenbuch eingetragen. Dabei hätte sie für den 31. Mai 2002, dem letzten Tag der Berufungsfrist, anstelle des Fristvormerks irrtümlich die Kalendierung eingetragen, die üblicherweise für den Tag eine Woche vor Ablauf einer Frist erfolge.

 

Offenbar unzutreffend wird in der Berufung weiter behauptet, dass der Rechtsvertreter der Bwin die Vornahme der Eintragungen im Fristenbuch regelmäßig kontrolliere und dass ein einwandfrei funktionierendes Kontrollsystem bestehend aus Anweisungen und Kontrollen bestünde. Wäre dies tatsächlich der Fall gewesen, hätte dem Rechtsvertreter die falsche Eintragung seiner Kanzleibediensteten rechtzeitig auffallen müssen. Abgesehen davon, dass erstmals in der Berufung und damit verspätet (vgl dazu VwGH 28.02.2000, Zlen. 99/17/0317, 0318) von einem wirksamen System zur Kontrolle der Vormerkung von Fristen überhaupt die Rede ist, hat der Rechtsvertreter dieses angebliche Kontrollsystem nicht näher dargestellt, sondern sich auf die schlichte Behauptung beschränkt, dass ihm kein Verstoß gegen Kontrollpflichten vorgeworfen werden könne. Damit ist aber der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs schon für den Wiedereinsetzungsantrag bestehenden Mitwirkungspflicht, die Wiedereinsetzungsgründe vollständig vorzubringen und glaubhaft zu machen, nicht einmal in der Berufung entsprochen worden. Selbst nach dem Berufungsvorbringen muss angenommen werden, dass der Rechtsvertreter der Bwin die Berechnung der Fristen weitgehend seiner Kanzleiangestellten überlassen und seine Aufsichtspflicht verletzt hat, weil er die richtige Eintragung im Kalender oder Fristenbuch nicht durch taugliche Maßnahmen überwachte.

 

5. Im Ergebnis ist daher mit der belangten Behörde davon auszugehen, dass nicht nur ein minderer Grad des Versehens bei der Organisation des Kanzleibetriebs des Rechtsvertreters der Bwin bestanden hat. Die Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags war daher als unbegründet abzuweisen und der Bescheid der belangten Behörde zu bestätigen.

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
 
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

Dr. W e i ß

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