Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107571/2/SR/Ri

Linz, 29.05.2001

VwSen-107571/2/SR/Ri Linz, am 29. Mai 2001 DVR.0690392   E R K E N N T N I S      

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des W L, vertreten durch die RAe Dr. W H und Dr. J S, R , R I, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von R I vom 1. März 2001, Zl. VerkR96-6563-2000 wegen Zurückweisung des Antrages auf amtswegige Behebung der Strafverfügung vom 13.11.2000 und Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des mit Strafverfügung vom 13.11.2000 abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens, zu Recht erkannt:   Die Berufung gegen die Spruchpunkte 1 und 2 des angefochtenen Bescheides werden abgewiesen.   Rechtsgrundlagen: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51c erster Satz VStG     Entscheidungsgründe:   1. Mit oben bezeichnetem Bescheid des Bezirkshauptmannes von R wurde der Antrag auf amtswegige Behebung der Strafverfügung vom 13.11.2000, VerkR96-6563-2000 zurückgewiesen und der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Strafverfügung vom 13.11.2000, VerkR96-6563-2000, abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens abgewiesen.   2. Gegen diesen dem Vertreter des Bw am 8. März 2001 zugestellten Bescheid wurde rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung bei der Behörde erster Instanz eingebracht.   2.1. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die Behörde im Wesentlichen aus, dass auf die Aufhebung eines Bescheides von Amts wegen niemand einen Rechtsanspruch habe. Der Bw sei bei den Gendarmerieerhebungen anwesend gewesen und habe die Strafverfügung persönlich übernommen. Die Verteidigungsmöglichkeiten seien nicht eingeschränkt worden und der Bw habe die Möglichkeit gehabt, binnen zwei Wochen schriftlich oder mündlich gegen die Strafverfügung Einspruch zu erheben. Dabei sei ihm der genaue Tatvorwurf bekannt gewesen. Da die Verletzung der Formvorschrift des § 47 Abs.1 VStG die Verteidigungsrechte nur geringfügig beeinträchtigt habe, wäre die Anwendung des § 52a VStG nicht gerechtfertigt.   Weder die genaue Unfallzeit noch die Fotos könnten neue Tatsachen bilden.   2.2. Dagegen wendet der Bw ein, dass durch den rechtskräftigen erstinstanzlichen Bescheid das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden sei. Auf die Ausübung des Aufhebungsrechtes habe zwar niemand einen Anspruch, aber es liege im Ermessen der Behörde erster Instanz die Fehler der Behörde wieder gutzumachen. Die Begründung der Behörde erster Instanz, dass die Verteidigungsmöglichkeiten nur geringfügig beeinträchtigt worden wären, sei unrichtig und das Gegenteil wäre der Fall. Es würde daher der Antrag auf amtswegige Behebung gestellt.   Weiters führt der Bw aus, dass in der Strafverfügung nur eine annähernde Zeitangabe angegeben sei und die anzeigende Partei laut Gendarmerieprotokoll jedoch ausgesagt habe, dass der Unfall "um 20.30 Uhr" vorgefallen sei. Namhaft gemachte Personen könnten jedoch bezeugen, dass der Bw zu diesem Zeitpunkt bereits zu Hause gewesen wäre. Darüber hinaus würde ein Foto der Gendarmerie irreführend sein, da der Postkasten verkehrt zum Fahrzeug des Bw gehalten worden sei. Ein Verschulden des Bw würde nicht gegeben sein, da Umstände vorliegen würden, die man erst nach Einsicht in den Verwaltungsstrafakt beurteilen hätte können. Die nicht vorgenommene Akteneinsicht könne einem Laien nicht als Verschulden angelastet werden.   3.1. Die Bezirkshauptmannschaft hat die Berufung und den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.   3.2. Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.3 Z4 VStG absehen, wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.   Keine der Parteien hat eine Berufungsverhandlung beantragt.     4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:   4.1. Zu Spruchteil 1 des angefochtenen Bescheides   Gemäß § 52a Abs. 1 VStG können von Amts wegen der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegende Bescheide, durch die das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden ist, sowohl von der Behörde als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. § 68 Abs. 7 AVG gilt sinngemäß.   Unstrittig steht fest, dass die gegenständliche Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen ist. Der (Vertreter des) Bw hat ausgeführt, dass auf die Ausübung des Aufhebungsrechtes niemand einen Anspruch habe und eine derartige Vornahme im Ermessen der Behörde erster Instanz bzw. der Oberbehörde stehen würde.   Damit ist der Bw im Recht. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewährt § 52a Abs.1 VStG nach seinem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut kein subjektives Recht auf Aufhebung eines rechtskräftigen erstinstanzlichen Strafbescheides. Es kann daher auch durch eine Zurückweisung eines auf eine solche Aufhebung gerichteten Antrages nicht in subjektive öffentliche Rechte des Bw eingegriffen werden (vergl. VwGH 21.3.1995, 95/04/0044; VwGH 11.4.1996, 96/09/0087; VwGH 2.10.1996, 96/21/0292; 24.8.1999, 99/11/0240). Diese Entscheidungen sind noch heranzuziehen, da durch die Neuformulierung des § 52a Abs.1 VStG durch die Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die inhaltlichen Voraussetzungen für die Aufhebung eines rechtskräftigen Bescheides keine Änderungen erfahren haben.   Die Berufung war daher spruchgemäß abzuweisen. 4.2. Zu Spruchteil 2 des angefochtenen Bescheides:   Gemäß § 69 Abs.1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:   1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder 2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder 3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.   Gemäß § 69 Abs.2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Weder bei dem Vorbringen betreffend der Uhrzeit noch dem "irreführenden" Foto handelt es sich um neue Tatsachen (Beweismittel).   Beim Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs.1 Z2 muss es sich um Tatsachen oder Beweismittel handeln, die dem Antragsteller im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nicht bekannt waren und die auch der entscheidenden Behörde nicht zugänglich waren (VwGH 31.1.1973, 817/72, VwGH 25.4.1979, 990/78, VwGH 28.3.1990, 89/03/0283).   Der Behörde erster Instanz waren die "Gendarmerieanzeige" vom 11. Oktober 2000 (GZ P-3223/00/Lu) und die Lichtbildbeilage (11 Fotos) bekannt und zugänglich. Den schriftlichen Darstellungen ist zu entnehmen, dass die Unfallzeugin den Unfallzeitpunkt mit "um 20.30 Uhr" bezeichnet hat. Der Bw hat den Unfall zu diesem Zeitpunkt - "um 20.30 Uhr" - gegenüber den erhebenden Beamten zwar bestritten, jedoch eine Fahrt in "A" eingestanden. Der Meldungsleger hat in der "Anzeige" unter lit.a (Darstellung der Tat) den Unfallzeitpunkt mit "um etwa 20.30 Uhr" angeführt. Sowohl der Behörde erster Instanz als auch dem Bw waren die scheinbaren Diskrepanzen betreffend den Unfallzeitpunkt bekannt. Nur so sind auch die Angaben des Verdächtigen gegenüber dem Meldungsleger nachvollziehbar.   Die Beweiswürdigung durch die Behörde erster Instanz, die aufgrund unterschiedlicher Beweismittel (Zeugenaussage, Erhebungsergebnis, Angaben des angeblichen Lenkers) vorgenommen worden ist, bedeutet für sich allein noch keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 AVG. Eine scheinbar irrtümliche Darstellung auf dem Bild 8 der Lichtbildbeilage stellt unter obiger Betrachtungsweise ebenfalls kein "neues" Beweismittel dar. Unabhängig davon, dass das Bild 8 nur eines von 11 angefertigten Lichtbildern ist, auf Bild 10 der Postkasten korrekt zum Fahrzeug des Bw gehalten wird und zu den verursachten Beschädigungsspuren passt, ist die Vorgangsweise bei der Anfertigung zu Bild 8 nachvollziehbar, da sich im Gegensatz zur Rückseite des Postkastens die Vorderseite in einem stark deformierten Zustand präsentiert hat. Die exakte, ursprünglich bestandene Höhe des Postkastens konnte nur so mit den Beschädigungen verglichen werden. Sämtliche Lichtbilder waren der Behörde erster Instanz bei der Erlassung der Strafverfügung zugänglich, da sie einen Teil des Verwaltungsstrafaktes darstellen.   Bei den erst im Wiederaufnahmeantrag angeführten Zeugen handelt es sich auch nicht um neu hervorgekommene Beweismittel. Die Zeugen waren dem Bw bereits vor Erlassung bzw. beim rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bekannt. Von einem neu hervorgekommenen Beweismittel wäre nur dann auszugehen, wenn es zur Zeit des Verfahrens bereits bestanden hat, aber erst später, nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens, bekannt geworden wäre (s. VwSlg 7721 A).   Der Bw hat ausgeführt, dass er es verabsäumt habe, Akteneinsicht zu begehren und daher "Unstimmigkeiten" nicht vorbringen hätte können. Er hat aber nicht dargelegt, dass er verhindert gewesen wäre, die Akteneinsicht vorzunehmen oder ein Rechtsmittel zu ergreifen. Der Hinweis, dies als Laie nicht gewusst zu haben ist nicht zielführend, da er zumindest in der Rechtsmittelbelehrung über seine rechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt worden ist.   Eine Wiederaufnahme des Verfahrens dient nicht dazu, Versäumnisse des abgeschlossenen Verfahrens nachzuholen (VwGH 21.2.1977, 2595f/76, VwGH 16.2.1994, 90/13/0011).   Zusammenfassend ist festzuhalten, dass keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind, die im Verfahren ohne Verschulden des Bw nicht geltend gemacht werden konnten und allenfalls mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Der Antrag war daher spruchgemäß abzuweisen.     Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.   Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.     Mag. Stierschneider     Beschlagwortung: Wiederaufnahme, neueTatsachen, Amtswegigkeit