Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108467/8/Sch/Rd

Linz, 16.10.2002

VwSen-108467/8/Sch/Rd Linz, am 16. Oktober 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau H vom 17. Juli 2002, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 28. Juni 2002, VerkR96-455-2002, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 9. Oktober 2002 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass es anstelle der zweimaligen Zitierung des § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 jeweils zu lauten hat: "§ 99 Abs.1a StVO 1960".

II. Die Berufungswerberin hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 174 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Straferkenntnis vom 28. Juni 2002, VerkR96-455-2002, über Frau H, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 870 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 288 Stunden verhängt, weil sie am 27. Jänner 2002 um 1.00 Uhr den Lkw mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet von Grein von Kollmitzberg kommend über die Donaubrücke auf der B3 Donau Straße bis ins Ortsgebiet Grein und in weiterer Folge bis zum Parkplatz vor dem GP Grein, Am Hofberg Nr. 4, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe (gemessener Alkoholgehalt der Atemluft: 0,60 mg/l).

Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 87 Euro verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

Die Berufungswerberin stützt ihr Rechtsmittel im Wesentlichen auf einen behaupteten Nachtrunk. Sie habe nach dem Lenken und vor dem Betreten des GP Grein eine größere und eine kleinere Dose mit einem alkoholhältigen Mischgetränk - zumindest zum Teil - konsumiert. Sie konnte bei der Berufungsverhandlung am Sitz der Erstbehörde - zu der weder ein Behördenvertreter noch der Rechtsvertreter der Berufungswerberin erschienen sind - dieses Getränk nicht näher definieren, vermeinte aber, es werde sich um eine Mischung aus Cola und Rotwein gehandelt haben. Die Getränke habe sie von einem Nachbarn, der sie bei der Fahrt zum Gendarmerieposten - sie war unbestritten die Lenkerin ihres Fahrzeuges gewesen - begleitet habe, erhalten. Der Genannte ist bereits im Rahmen des erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahrens zeugenschaftlich einvernommen worden, konnte aber keine Angaben zu den von der Berufungswerberin in dieser Zeit angeblich konsumierten Getränken machen. Es wurde daher von einer neuerlichen Einvernahme bei der Berufungsverhandlung Abstand genommen. Sinngemäß das Gleiche gilt für den Lebensgefährten der Berufungswerberin, der sich zu diesem Zeitpunkt schon im Gendarmerieposten befunden hatte, also von vornherein keine Angaben zu einem angeblichen Alkoholkonsum der Berufungswerberin in dieser Zeit machen hätte können.

Die Schilderungen der Berufungswerberin über den Geschehnisablauf stellen sich so dar, dass sie mit ihrem Lebensgefährten vorerst in einem Lokal in Amstetten gewesen wäre und sich die beiden - mit ihrem Hund - in der Folge mit einem von ihr gelenkten Fahrzeug nach Hause begeben wollten. Auf der Fahrt sei es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen, weshalb der Lebensgefährte das Fahrzeug verlassen und sich mit dem Hund, unter Einbehaltung des Fahrzeugschlüssels, zu Fuß in Richtung Grein bewegt habe. Die Berufungswerberin sei im Fahrzeug zurückgeblieben und habe beim Versuch, dieses etwas von der Fahrbahn wegzubewegen, einen Baum angefahren und diesen beschädigt. Ein über ihr Handy herbeigerufener Nachbar habe ihr dann einen Reserveschlüssel gebracht, mit dem sie das Fahrzeug in Betrieb genommen und zum GP Grein gelenkt habe, um die Anzeige über den Sachschaden zu erstatten. Im Posten habe sich bereits ihr Lebensgefährte befunden, um einen anderen Vorgang zur Anzeige zu bringen. Sie sei daher vorerst nicht hineingegangen, damit er von ihrem Unfall nichts mitbekäme. In der Folge habe ihr das Warten aber zu lange gedauert und sie sei dann doch hineingegangen. In der Folge sei sie dann von den Gendarmeriebeamten zur Alkomatuntersuchung aufgefordert worden, welche sie auch durchgeführt habe. Das Ergebnis von 0,62 bzw 0,60 mg/l Atemluftalkoholgehalt sei mit dem Umstand, dass sie vor dem Lenken lediglich ein Seidel Bier getrunken habe, nicht in Einklang zu bringen.

Demgegenüber gab der bei der Berufungsverhandlung zeugenschaftlich einvernommene Meldungsleger an, er sei mit einem Kollegen nach entsprechender Verständigung über Funk zu dem vorerst unbesetzt gewesenen Posten Grein eingerückt, um dort eine Anzeige aufzunehmen, bei der es um Körperverletzung und Sachbeschädigung gegangen sei. Der - augenscheinlich alkoholisierte - Lebensgefährte der Berufungswerberin habe zur Anzeige bringen wollen, dass ihm diese im Zuge eines Streites Goldkettchen heruntergerissen, sein Hemd beschädigt und ihn zudem am Hals verletzt habe. Während dieser Einvernahme habe der Zeuge wahrgenommen, wie ein Kleintransporter beim Gendarmerieposten vorgefahren und die nunmehrige Berufungswerberin unmittelbar danach den Posten betreten habe. Es habe für ihn kein Zweifel bestanden, dass diese die Lenkerin des Fahrzeuges gewesen war. Er sei vom Anzeiger darauf hingewiesen worden, dass die eingetroffene Berufungswerberin alkoholisiert sei und mit ihr ein Alkotest gemacht werden solle. Erst daraufhin habe sich seine Aufmerksamkeit in diese Richtung bewegt und wurde in der Folge auch tatsächlich eine Untersuchung durchgeführt. Im Zuge der gesamten Amtshandlung sei nie die Sprache auf einen angeblichen Nachtrunk gekommen. Die Beamten hätten die Berufungswerberin noch nach Hause gefahren, um ihren Führerschein, den sie nicht bei sich hatte, zu kontrollieren bzw abzunehmen. Auch im Zuge dieser Fahrt von Grein nach S sei zu keinem Zeitpunkt ein Nachtrunk erwähnt worden.

Die Schilderungen des Meldungslegers erscheinen der Berufungsbehörde glaubwürdig und schlüssig. Nicht nur, dass er bei der Berufungsverhandlung einen sachlichen Eindruck hinterlassen hat, kann auch nicht von vornherein angenommen werden, dass ein Gendarmeriebeamter Vorgänge zur Anzeige bringt bzw zeugenschaftlich wiederholt, die sich völlig anders abgespielt haben. Zudem hat seine Darstellung für sich, dass sie der allgemeinen Lebenserfahrung weit näher kommt als die Schilderung der Berufungswerberin, die eher einen konstruierten Eindruck hinterlässt. So konnte sie keine Angaben machen, wie sich der Vorfall, der sich angeblich im Lokal in Amstetten zugetragen haben soll, abgespielt hat, bei welchem ihr Lebensgefährte verletzt bzw die Sachbeschädigung erfolgt sein soll. Unerklärlich blieb auch, weshalb dieser die Anzeige gerade am GP Grein machen wollte und nicht, wie es naheliegend wäre, auf einer Dienststelle in Amstetten. Überzeugender scheint vielmehr, dass ein Streit während der Fahrt damit in Verbindung stand, wie dies der Anzeiger gegenüber dem Beamten auch angegeben hat. Wenig glaubwürdig ist auch die Schilderung der Berufungswerberin, wonach sie vorgehabt habe, nach dem Alkoholkonsum vor dem GP Grein das Fahrzeug dort stehen zu belassen, da ausgemacht gewesen sei, jemand anderer würde dieses von dort am nächsten Tag holen. Sie selbst, so wäre es auch ausgemacht gewesen, hätte einen Nachbarn verständigt, der sie dann - mitten in der Nacht - nach Hause gefahren hätte. Auch spricht nicht für die Berufungswerberin, dass sie hinsichtlich Art und Menge des angeblichen Nachtrunks kaum Angaben machen konnte, wobei noch zu erwähnen ist, dass nach hiesigem Wissensstand ein Dosenmischgetränk aus Cola und Rotwein nicht im Handel erhältlich sein dürfte.

In Würdigung dieser kaum nachvollziehbaren Angaben ist die Glaubwürdigkeit der Berufungswerberin stark erschüttert und muss der Schluss gezogen werden, dass überhaupt die Behauptung des Nachtrunks nicht den Tatsachen entspricht. Wesentlich überzeugender ist dagegen die Angabe des Meldungslegers, wonach die Berufungswerberin unmittelbar, nachdem er vom Fenster des Postens aus den Kleintransporter in Richtung anschließenden Parkplatz passieren gesehen habe, die Berufungswerberin auch schon den Posten betreten habe. Damit verbleibt aber faktisch keine Zeit für einen Alkoholkonsum.

Für die Berufungsbehörde steht daher zusammenfassend fest, dass die Berufungswerberin schon zum Zeitpunkt des Lenkens im festgestellten Ausmaß alkoholbeeinträchtigt war und damit auch die ihr zur Last gelegte Übertretung zu verantworten hat. Der Vollständigkeit halber ist noch auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf einen behaupteten Nachtrunk zu verweisen, die verlangt, dass eine solche Behauptung bei der ersten sich bietenden Gelegenheit erhoben werden muss, um glaubwürdig zu sein (VwGH 17.12.1999, 97/02/0545 ua). Die Berufungswerberin hätte diesbezüglich also schon bei der Amtshandlung initiativ werden müssen, was nach der Beweislage allerdings nicht der Fall war.

Eine Blutabnahme ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt, welche der einzige Gegenbeweis gegenüber dem Messwert des Alkomaten gewesen wäre (VwGH 20.5.1993, 93/02/0092). Auch findet nach dieser aufrechten Judikatur des Gerichtshofes kein Abzug vom festgestellten Atemalkoholgehalt im Ausmaß von Fehlergrenzen statt, wenngleich dieser Rechtsansicht schon mehrfach entgegengetreten wurde (vgl. etwa das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 1. Oktober 2002, VwSen-108092/9/Br/Pe). Diese und ähnliche Entscheidungen sind bereits Gegenstand von Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof und wird zu beobachten sein, ob sie bei seiner künftigen Judikatur Berücksichtigung finden. Neben der derzeit gegenteiligen Spruchpraxis des Gerichtshofes soll nicht unerwähnt bleiben, dass entgegen den Messergebnissen von Radar- und Lasergeräten beim Alkomaten zwei Teilmesswerte vorliegen, bei denen, sofern sie nicht gleich sind, stets vom niedrigeren auszugehen ist. Dennoch bleibt der zweite Teilmesswert - häufig vom ersteren geringfügig abweichend - vorhanden, sodass der Abzug einer Verkehrsfehlergrenze stets lediglich vom niedrigeren Messwert - ohne Berücksichtigung des höheren oder eines Mittelwertes, wie dies in den erwähnten Entscheidungen der Fall war - zumindest noch schlüssig zu begründen sein wird. Auch müsste in solchen Fällen wohl mitbedacht werden, dass zwischen Lenkzeitpunkt und Messpunkt ein Zeitraum von mindestens 15 Minuten, in der Praxis oft auch wesentlich mehr, vergangen ist, in welchem ein Alkoholabbau stattgefunden hat. Dieser Umstand wird in der derzeitigen Strafbehördenpraxis nicht berücksichtigt, zumal dem Probanden regelmäßig der (niedrigere) Alkomatmesswert ohne Rückrechnung vorgeworfen wird. Es muss somit im Einzelfall dahingestellt bleiben, ob durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw die derzeitige Behördenpraxis oder durch den Abzug von Verkehrsfehlergrenzen dem tatsächlichen Sachverhalt am nächsten gekommen werden kann.

Zur Strafzumessung ist zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Übertretungen des § 5 StVO 1960, also die sogenannten "Alkoholdelikte", gehören zu den gravierendsten Verstößen gegen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, dass es durch alkoholbeeinträchtigte Fahrzeuglenker immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen kommt. Solche Lenker stellen daher häufig nicht nur eine abstrakte, sondern eine konkrete Gefährdung der Verkehrssicherheit dar.

Bei der Berufungswerberin wurde nach der Fahrt eine Atemluftalkoholkonzentration von 0,60 mg/l festgestellt. Ein solcher Wert bedingt zweifellos eine beträchtliche Alkoholisierung. Von jeder Person, insbesondere aber vom Inhaber einer Lenkberechtigung, muss erwartet werden, dass sie in der Lage ist, konsumierte alkoholische Getränke hinsichtlich ihres Alkoholgehaltes zu bewerten. In der Ausbildung im Rahmen einer Fahrschule werden die Bewerber um eine Lenkberechtigung entsprechend informiert, welchen Alkoholgehalt in der Atemluft oder im Blut in etwa welche Menge bestimmter alkoholischer Getränke bewirkt und welche Menge in einer bestimmten Zeiteinheit wieder abgebaut wird. Es kann daher nicht angenommen werden, dass der Berufungswerberin dies nicht bekannt war.

Gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 (und nicht, wie von der Erstbehörde fälschlich zitiert, § 99 Abs.1 lit.a leg.cit.) beträgt die gesetzliche Mindeststrafe für Übertretungen wie die gegenständliche 872 Euro. Es ist daher der Berufungsbehörde unverständlich, wie eine Geldstrafe von 870 Euro verhängt werden konnte, ohne dies im Straferkenntnis auch nur ansatzweise - mit der Bestimmung des § 20 VStG - zu begründen. Aber auch diesfalls wäre die festgesetzte Strafe wohl nicht erklärlich (Unterschreitung des gesetzlichen Mindeststrafrahmens um lediglich 2 Euro). Ein Fall des § 20 VStG liegt aber ohnedies nicht vor, da der Berufungswerberin Milderungsgründe, insbesondere jener der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit, nicht zu Gute kommen.

Wenngleich also die Strafbemessung der Erstbehörde objektiv gesetzwidrig war, konnte damit für die Berufungswerberin nichts gewonnen werden, da sie hiedurch nicht in einem subjektiven Recht verletzt wurde.

Die persönlichen Verhältnisse eines Beschuldigten spielen bei der Festsetzung einer Geldstrafe iSd Mindeststrafe bzw erst recht bei deren Unterschreitung keine Rolle.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

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