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VwSen-108547/2/Ki/Ka

Linz, 26.09.2002

VwSen-108547/2/Ki/Ka Linz, am 26. September 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des WS, vom 20.9.2002, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 11.9.2002, VerkR96-3037-2002, wegen Übertretungen der StVO 1960 zu Recht erkannt:

I. Bezüglich Faktum 1 wird der Berufung Folge gegeben, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Bezüglich Faktum 2 wird die Berufung als unbegründet abgewiesen, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Bezüglich Faktum 1 entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Bezüglich Faktum 2 hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 14 Euro, ds. 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 45 Abs.2 und 51 VStG.

zu II: §§ 64 Abs.1 und 2 sowie 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/I. hat mit Straferkenntnis vom 11.9.2002, VerkR96-3037-2002, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 17.4.2002 um 09.30 Uhr in Ried/I., G, als Lenker des LKW unterlassen,

1. nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er die Unfallstelle verlassen hat;

2. nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist.

Er habe dadurch 1.) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 2.) § 4 Abs.5 erster Satz StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 wurde bezüglich Faktum 1 eine Geldstrafe in Höhe von 140 Euro (EFS 42 Stunden) und gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 bezüglich Faktum 2 eine Geldstrafe in Höhe von 70 Euro (EFS 21 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 21 Euro (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis am 20.9.2002 mündlich vor der Bezirkshauptmannschaft Ried/I. Berufung. Er gab zu Protokoll, dass die Schadenshöhe 40 Euro betragen und er diese gleich bezahlt habe, nachdem er von der Gendarmerie auf den Unfall aufmerksam gemacht worden sei. Beim Fahrzeug habe es sich um einen Ford Transit mit Kühlaufbau gehandelt und er habe das Carport mit der oberen rechten hinteren Fahrzeugseite gestreift. Der Unfall sei ihm nicht aufgefallen und er habe auch keine Unfallzeugen gesehen.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des Gendarmeriepostens Ried i.I. vom 29.4.2002 zugrunde. Danach habe Herr HZ, Anzeige erstattet, dass der Lenker des im Spruch des Straferkenntnisses bezeichneten LKW vom Kundenparkplatz der Fa. Hellweg herausgefahren sei und dabei ein Carport beschädigt habe. In der Anzeige wird weiters ausgeführt, dass der Beschuldigte anschließend ohne sich mit dem Geschädigten ins Einvernehmen zu setzen oder Anzeige auf dem Gendarmerieposten Ried zu erstatten von der Unfallstelle weggefahren sei. Auf dem der Anzeige beigeschlossenen Lichtbild ist die Beschädigung des Carport zu ersehen, insbesondere geht daraus hervor, dass sogar Dachbretter vom Carport heruntergefallen sind.

In einem Einspruch gegen eine zunächst ergangene Strafverfügung erklärte der Bw, dass er beim Wegfahren von der Firma Hellweg nichts von dem Anstoß bemerkt habe. Wäre ihm etwas aufgefallen, so wäre er selbstverständlich sofort stehen geblieben.

Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. hat im erstinstanzlichen Strafverfahren Herrn M P, welcher laut der oben angeführten Anzeige den Unfall beobachtet hat, als Zeugen einvernommen. Herr P führte bei seiner Einvernahme aus, dass er sich auf dem Kundenparkplatz, welcher gegenüber der Einfahrt bzw. der Ausfahrt zum Geschäftsgebäude situiert ist, befunden habe. Der Beschuldigte habe mit dem Ford Transit den Parkplatz Richtung Ausfahrt verlassen wollen. Dabei habe er mit der rechten Fahrzeugseite den dort befindlichen "Carport" gestreift und diesen beschädigt. Der Beschuldigte habe sein Fahrzeug kurz angehalten, sei mit ihm in Sichtkontakt getreten, er selbst habe eine Arbeitskleidung in Form einer ärmellosen Weste getragen, und habe anschließend die Unfallstelle verlassen. Seiner Meinung nach habe der Beschuldigte etwas von der seitlichen Kollision bemerken müssen, da es auch ein deutliches Anstoßgeräusch gegeben habe. Zusätzlich seien zerbrochene Dachbretter heruntergefallen. Nach dem Vorfall sei auch die Betreiberin des unmittelbar daneben gelegenen Würstelstandes herausgekommen, da diese Unfallgeräusche gehört habe.

Die Berufungsbehörde gelangt im Rahmen der freien Beweiswürdigung zur Auffassung, dass die Aussage des Zeugen vor der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. glaubwürdig ist und nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen steht. Der Zeuge hat die beim Vorfall gewonnenen Eindrücke glaubwürdig geschildert, sodass keine Bedenken dahingehend bestehen, seine Aussage der Entscheidung zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Zeuge seine Aussage unter Wahrheitspflicht tätigte und im Falle einer falschen Zeugenaussage mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen müsste.

Dass der Beschuldigte den von ihm offensichtlich verursachten Verkehrsunfall - seinen Angaben gemäß - nicht bemerkt haben könnte, ist nicht zu widerlegen, im gegenständlichen Falle aber, wie noch dargelegt werden wird, nicht verfahrensrelevant.

I.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt.

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs.2 lit.a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben die im Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen, oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und Anschrift nachgewiesen haben.

Unbestritten steht fest, dass der Bw den gegenständlichen Verkehrsunfall verursacht hat bzw dass bei diesem Verkehrsunfall ein Sachschaden, nämlich die Beschädigung eines Carports entstanden ist. Weiters bleibt unbestritten, dass der Beschuldigte der Verpflichtung des § 4 Abs.5 StVO nicht nachgekommen ist. Er rechtfertigt sich dahingehend, dass ihm der Unfall nicht aufgefallen sei. Mit dieser Rechtfertigung ist jedoch im vorliegenden konkreten Falle nichts zu gewinnen, zumal wie durch die oben geschilderte Zeugenaussage belegt ist, es bei der Kollision mit dem Carport ein deutliches Anstoßgeräusch gegeben hat, zusätzlich zerbrochene Dachbretter heruntergefallen sind und überdies die Betreiberin eines daneben gelegenen Würstelstandes herausgekommen ist, da diese Unfallgeräusche gehört hat. Es mag zutreffen, dass der Beschuldigte den Unfall tatsächlich nicht bemerkt hat, dieser Umstand vermag ihn jedoch nicht zu entlasten.

Wie in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bereits ausgeführt wurde, können Übertretungen des § 4 StVO 1960 auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen werden. Maßstab für die Beurteilung ist das Verhalten eines objektiv sorgfältigen Kraftwagenlenkers. Von einem solchen ist zu erwarten, dass er dem Verkehrsgeschehen eine entsprechende Aufmerksamkeit zukommen lässt und zwar in der Art, dass er im Falle eines derartigen Verkehrsunfalles diesen auch wahrnehmen kann. Ausgehend von dem Vorbringen, der Beschuldigte habe den Verkehrsunfall nicht wahrgenommen, muss festgestellt werden, dass der Beschuldigte der gebotenen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen und daher jedenfalls fahrlässiges Verhalten zu verantworten hat. Sonstige Umstände, welche den Bw in subjektiver Hinsicht entlasten würden, sind nicht hervorgekommen.

Da der Beschuldigte unbestritten seiner Meldepflicht nach § 4 Abs.5 StVO 1960 nicht nachgekommen ist, war diesbezüglich der Schuldspruch jedenfalls zu bestätigen.

Bezüglich Faktum 1 wird hingegen festgestellt, dass laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Sinn dieser Vorschrift sich im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt des § 4 StVO ergibt, nämlich, dass die in jener Gesetzesstelle ausgesprochene Verpflichtung nicht bei jedem Verkehrsunfall in gleicher Weise bestehen kann. Sie wird sinnvoller Weise nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist immer der Fall, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs.2 StVO besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter die Intervention eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallsort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst. Im Übrigen kann eine Verpflichtung an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, nicht angenommen werden (VwGH 1999/03/0373 vom 29.5.2001 ua).

Da es sich im vorliegenden Falle um einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden gehandelt hat und es daher nicht zu einer Aufnahme des Tatbestandes kommen musste, kann jedenfalls aus diesem Grund eine Nichtmitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes nicht zur Last gelegt werden. Wohl ist es laut Anzeige zu Erhebungen durch Gendarmeriebeamte gekommen, die eine Beschädigung am Carport festgestellt bzw aufgenommen und auch Angaben einer Auskunftsperson (des späteren Zeugen) eingeholt haben, diese Erhebungen konnten jedoch auch in Abwesenheit des Beschuldigten durchaus zielführend vorgenommen werden. Letztlich konnten die Gendarmeriebeamten auch mit dem Bw Kontakt aufnehmen und es hat sich dieser offensichtlich daraufhin sofort mit dem Geschädigten in Verbindung gesetzt, um den Schadensfall zu regeln. Dass irgendwelche Erhebungen in Bezug auf die Person bzw eine allfällige Fahruntüchtigkeit des Bw erforderlich gewesen wären, wurde in der Anzeige nicht dargelegt.

Da sohin der Beschuldigte im vorliegenden konkreten Falle nicht verpflichtet war, an der Feststellung des Sachverhaltes gesondert mitzuwirken, war diesbezüglich der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

I.7. Zur Straffestsetzung (§ 19 VStG) bezüglich Faktum 2 wird auf die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verwiesen. Im Hinblick auf die vorgesehene Höchstgeldstrafe wurden sowohl die Geld- als auch die Ersatzfreiheitsstrafe im unteren Bereich bemessen. Der Strafmilderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kann wegen mehrerer verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen nicht herangezogen werden. Sonstige Straferschwerungs- oder Strafmilderungsgründe werden auch im Berufungsverfahren keine festgestellt. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. hat ferner die persönlichen Verhältnisse des Bw berücksichtigt, diesbezüglich wurden in der Berufung keine Einwände erhoben.

Die Berufungsbehörde vertritt die Auffassung, dass die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. sowohl Geld- als auch Ersatzfreiheitsstrafe tat- und schuldangemessen festgelegt hat, eine Herabsetzung ist sowohl aus generalpräventiven als auch aus spezialpräventiven Gründen nicht vertretbar.

I.8. Zusammenfassend wird bezüglich Faktum 2 festgestellt, dass der Bw weder hinsichtlich des Schuldspruches noch hinsichtlich der Strafbemessung in seinen Rechten verletzt wurde, weshalb diesbezüglich die Berufung als unbegründet abzuweisen war.

Hinsichtlich Faktum 1 war aus den oben dargelegten Gründen der Berufung Folge zu geben.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

§ 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 - Mitwirkungspflicht grundsätzlich nur dann, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Tatbestandsaufnahme kommt oder kommen muss.

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