Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108579/8/Sch/Rd

Linz, 20.12.2002

VwSen-108579/8/Sch/Rd Linz, am 20. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des I vom 16. September 2002, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29. August 2002, VerkR96-3000-2002, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 22. November 2002 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wie folgt geändert wird:

"Sie lenkten am 28.4.2002 um 14.45 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der Sighartinger Bezirksstraße 1139 in Fahrtrichtung Sigharting, wobei Sie im Ortsgebiet von M auf Höhe km 3,444 der genannten Straße die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten haben."

Die übertretene Verwaltungsvorschrift bzw die Strafbestimmung haben zu lauten: § 20 Abs.2 erster Fall StVO 1960 bzw § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960.

Die verhängte Geldstrafe wird auf 300 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf drei Tage herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 30 Euro. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Straferkenntnis vom 29. August 2002, VerkR96-3000-2002, über Herrn I, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 erster Fall iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 500 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen verhängt, weil er am 28. April 2002 um 14.45 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der Sighartinger Bezirksstraße 1139 in Fahrtrichtung S gelenkt habe, wobei er im Ortsgebiet von M auf Höhe km 3,444 der genannten Straße unter besonders gefährlichen Verhältnissen die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten habe (in seiner Fahrtrichtung befinden sich 4 Haus- und Grundstückseinfahrten, rechts ein Gebäude direkt auf Höhe der Messstelle, nur 44 m nach Messstelle bindet links eine Gemeindestraße ein, die durch das Vorrangzeichen "Vorrang geben" abgewertet ist, sodann ein landwirtschaftlicher Betrieb, Gehsteige sind nicht vorhanden, bei 94 km/h wird in einer Sekunde eine Strecke von 26 m durchfahren, bei 50 km/h nur 13,9 m, durch die Nebenanlageverhältnisse bzw durch die beidseitigen Zufahrten resultiert ein erhöhtes Gefahrenpotenzial, da benachrangte Lenker auf Einhaltung der Geschwindigkeit von 50 km/h vertrauen; bei 50 km/h ist der Anhalteweg knapp 27 m, bei 94 km/h bereits knapp 72 m, bei 50 km/h hätte das Fahrzeug innerhalb 27 m angehalten werden können, bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 94 km/h wäre diese zuletzt genannte Strecke ungebremst durchfahren worden, Fußgänger und Kinder waren am Fahrbahnrand gezwungen zu gehen (kein Gehsteig) bei plötzlichem Betreten der Fahrbahn durch Personen und vor allem Kinder im Messbereich bestand ein erhöhtes Risiko für deren Leib und Leben, da der Anhalteweg bereits ca. 70 m betrug).

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 50 Euro verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

Die Berufungsbehörde hat am 22. November 2002 eine mit einem Lokalaugenschein verbundene öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass das gegenständliche Ortsgebiet im tatörtlichen Bereich, in der damaligen Fahrtrichtung des Berufungswerbers betrachtet, kurz nach der Ortstafel "M" rechts neben der Straße ein landwirtschaftliches Anwesen aufweist, links davon ist noch unbebautes Gebiet bis kurz nach einer von links einmündenden Querstraße. Der Straßenverlauf ist vorerst nahezu gerade und nimmt kurz vor dem Ortsende in der erwähnten Fahrtrichtung einen leichten Rechtsverlauf. Rechtsseitig ist das Ortsgebiet verbaut, linksseitig erst ab der genannten Kreuzung.

Zu dem landwirtschaftlichen Anwesen unmittelbar nach Beginn des Ortsgebietes rechtsseitig, auf welcher Höhe in etwa der Berufungswerber gemessen wurde, ist noch zu bemerken, dass dieses vorerst aus einer Scheune besteht, welche zum Zeitpunkt der Verhandlung den Eindruck erweckte, als ob sie nicht im Zusammenhang mit einem allfälligen Fahrzeugverkehr in Verwendung stünde, zumal keinerlei Fahrspuren zum Scheunentor erkennbar waren, vielmehr dieses offenkundig schon länger nicht mehr geöffnet worden war. Erst in der Folge befinden sich offensichtlich bewohnte bzw genutzte Gebäude.

Im Hinblick auf die Rechtsfrage des Vorliegens von besonders gefährlichen Verhältnissen ist auf eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Man kann diese als Art Maßstab betrachten, an welchem der konkrete Fall zu messen ist.

So liegen etwa besonders gefährliche Verhältnisse vor, wenn ein Kraftfahrer mit zu hoher Fahrgeschwindigkeit in eine unübersichtliche Rechtskurve und Engstelle auf regennasser Fahrbahn fährt (VwGH 4.7.1963, 843/62).

Überholen einer Fahrzeugkolonne trotz Gegenverkehrs und mangelnder Sicht bei Nacht mit relativ hoher Geschwindigkeit und Schneiden der Fahrbahn eines anderen Verkehrsteilnehmers erfolgt unter besonders gefährlichen Verhältnissen (VwGH 22.9.1977, 183/76).

Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 50 km/h allein, ohne besonderes zusätzliches Gefahrenmoment für andere Straßenbenutzer, begründet weder besonders gefährliche Verhältnisse noch einen besonders rücksichtslosen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften (insbesondere, wenn zur Tatzeit keine anderen Straßenbenützer vorhanden waren) (VwGH 5.12.1984, 84/11/0045).

Das Befahren einer Straße im Ortsgebiet mit zahlreichen ungeregelten Kreuzungen auf der Fahrtstrecke und der aufgrund der Widmung der Straße (Spazierwege, Kinderspielplätze) bestehenden Möglichkeit des überraschenden Betretens der Fahrbahn durch Fußgänger mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h unter besonders gefährlichen Verhältnissen (VwGH 13.6.1989, 89/11/0061).

Diese beispielsweise zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes - es könnten noch zahlreiche weitere angeführt werden - bringen deutlich zum Ausdruck, dass besonders gefährliche Verhältnisse nur dann anzunehmen sind, wenn die Übertretung unter Bedingungen erfolgt, deren Gefährlichkeit das übliche Ausmaß - hier des Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit - wesentlich übersteigt. Davon kann aber angesichts der verfahrensgegenständlichen Örtlichkeit nicht die Rede sein. Dass der Anhalteweg mit dem Ausmaß der Höhe der Fahrgeschwindigkeit entsprechend ansteigt und damit auch die Gefährlichkeit sich erhöht, gilt naturgemäß für jedes entsprechende Delikt und ist dieser Unrechtsgehalt schon durch die Strafbemessung im Rahmen der § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zu berücksichtigen. Aber auch die Tatsache, dass ein Ortsgebiet ohne Gehsteig sowie mit einer Kreuzung vorliegt, erhöht das Gefahrenpotenzial nicht über das übliche Ausmaß hinaus. Abgesehen davon, dass das gegenständliche Ortsgebiet zum Verhandlungszeitpunkt einen nahezu "ausgestorbenen" Eindruck erweckt hat, geht seine Anlage an sich über das Übliche bei einem Ortsgebiet nicht hinaus, eher liegt beispielsweise die Verbauungsdichte noch darunter. Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass die Bebauung im Mess- und somit Tatortbereich - und dieser ist relevant - lediglich rechtsseitig gegeben ist, linksseitig befindet sich ein unbebautes Grundstück. Aber auch die rechtsseitige Bebauung in Form einer nach dem gegebenen Eindruck kaum genutzten Scheune bzw einer Feldausfahrt lässt kein besonderes Gefährdungspotenzial für andere erkennen.

Der Berufung war daher diesbezüglich Folge zu geben und der Spruch des Straferkenntnisses dementsprechend abzuändern.

Im Übrigen konnte dem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden sein. Zum einen blieb die Geschwindigkeitsüberschreitung sowohl im erstbehördlichen Verfahren als auch noch in der Berufungsschrift unbestritten, erst bei der Berufungsverhandlung wurde die Behauptung aufgestellt, der Messort könnte noch außerhalb des Ortsgebietes gewesen sein. Abgesehen von dem bemerkenswert späten Hinweis auf eine angebliche Fehlmessung - nach der allgemeinen Lebenserfahrung gesteht in der Regel niemand ein Delikt ein, das er vermeintlich oder tatsächlich nicht begangen hat -, wurde der Berufungswerber laut Ergebnis des Lokalaugenscheines etwa 60 m nach der Ortstafel im Ortsgebiet gemessen. Es kann nicht angenommen werden, dass ein mit Lasermessungen betrauter Gendarmeriebeamter nicht in der Lage wäre, diesbezüglich korrekte Messungen durchzuführen. Weitergehende Beweisaufnahmen konnten daher mangels Entscheidungsrelevanz unterbleiben.

Zur Strafzumessung ist zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Angesichts des Umstandes, dass die strafsatzändernde Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 gegenständlich nicht anzuwenden war, hatte die Berufungsbehörde eine entsprechende Herabsetzung der verhängten Geld- und damit auch der Ersatzfreiheitsstrafe zu verfügen.

Die Strafhöhe von 300 Euro entspricht dem Unrechtsgehalt der Tat und berücksichtigt auch, dass derartig gravierende Geschwindigkeitsüberschreitungen einem Fahrzeuglenker in der Regel nicht versehentlich unterlaufen, sondern - zumindest bedingt - vorsätzlich in Kauf genommen werden.

Erschwerungs- bzw Milderungsgründe lagen nicht vor. Die vom Berufungswerber bekannt gegebenen persönlichen Verhältnisse werden es ihm ohne weiteres ermöglichen, die Geldstrafe ohne unzumutbare Einschränkung seiner Lebensführung zu bezahlen.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

S c h ö n

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