Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108582/2/Fra/Bek/Ka

Linz, 20.11.2002

VwSen-108582/2/Fra/Bek/Ka Linz, am 20. November 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn Ing. IB, vertreten durch Herren RAe Dr. EM und Mag. EA, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr, AZ S 4730/ST/00 vom 13.9.2002, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG.

zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit Straferkenntnis vom 13.9.2002, AZ S 4730/ST/00, über den Berufungswerber (Bw) wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe in Höhe von 144 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er es am 8.6.2000 um 19.15 Uhr in 4400 Steyr, Volksstraße, gegenüber dem Gasthaus "Vorwärtstreff" als Lenker des PKWs mit dem pol. Kennzeichen unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub vom Verkehrsunfall zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist.

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

In der Begründung führt die Erstbehörde aus, dass sie aufgrund des Gutachtens des Amtssachverständigen sowie der Zeugenaussage des MB die dem Bw zur Last gelegte Verwaltungsübertretung als erwiesen ansehe. Weiters werde auf ein Erkenntnis des VwGH vom 15.1.1982, Zl. 81/02/0260,0261 verwiesen. Bei der Strafbemessung wurde als erschwerend kein Umstand gewertet, mildernd wurde die Straflosigkeit berücksichtigt. Auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurde bei der Strafbemessung Bedacht genommen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung, in der vorgebracht wird, dass die Behörde erster Instanz den Sachverhalt unrichtig festgestellt habe. Das Straferkenntnis gründe sich darauf, dass der Beschuldigte die Beschädigung an der hinteren Stoßstange des PKW Peugeot verursacht habe. In der Begründung wird auf die beiden Gutachten des Amtssachverständigen und die Aussage des Zeugen B verwiesen. Die Beweiswürdigung sei unrichtig und verletze in wesentlichen Punkten den Grundsatz "in dubio pro reo". Im ersten Gutachten des Sachverständigen ergebe sich aus dessen Zusammenfassung "dass unter Zugrundelegung der vorliegenden Unterlagen aus technischer Sicht der Nachweis, dass der gegenständliche Schaden vom PKW des Beschuldigten stammen muss, nicht erbracht werden kann." Nachdem der Beschuldigte unter Beiziehung eines Privatsachverständigen nach Erhalt des Gutachtens nochmals eine Vermessung der Fahrzeughöhen vorgenommen habe, wären die genauen Messdaten dem Sachverständigen übermittelt worden. In dem daraufhin erstatteten Ergänzungsgutachten verweise der Sachverständige darauf, dass es möglich wäre, dass die Beschädigungshöhen übereinstimmen könnten, wenn man Nick- und Wankbewegungen der beteiligten Fahrzeuge mitberücksichtige. Aus den Aussagen der Zeugen G und DB und auch des Beschuldigten ergebe sich, dass das Einparken äußerst langsam erfolgt sei und keinerlei Nick- oder Schaukelbewegungen stattgefunden hätten. Zusätzlich werde darauf hingewiesen, dass beim Rechtseinbiegen das linke vordere Stoßstangeneck durch die unterschiedliche Stoßdämpferbelastung noch etwas tiefer liege als bei Stillstand des Fahrzeuges, sodass aufgrund der gemessenen Fahrzeughöhen eine Kollision zwischen dem vom Beschuldigten gelenkten BMW und dem PKW Peugeot auszuschließen sei. Auch die Alarmsensoren der "Einparkhilfe" hätten keinen Alarmton ausgelöst, obwohl dies bei einer gefährlichen Annäherung an ein anderes Fahrzeug der Fall gewesen wäre. Die Behörde erster Instanz habe sich auch mit dem Einwand des Beschuldigten nicht auseinandergesetzt, dass bei der Kollision mit dem blauen Peugeot sich blauer Farbabrieb an der Stoßstange des BMW befinden hätte müssen, was aber nach den vorliegenden Beweisergebnissen nicht der Fall gewesen sei. Der Zeuge B könne, wie näher ausgeführt wird, einen allfälligen Anstoß gar nicht unmittelbar wahrgenommen haben.

Es werden folgende Beweise beantragt: Einvernahme des Berufungswerbers, Durchführung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung eines Kfz-SV, Einvernahme des Zeugen MB. Der Bw stellt weiters die Anträge auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung an Ort und Stelle mit Aufnahme der beantragten Beweise und Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit und Einstellung des Strafverfahrens.

Die Bundespolizeidirektion Steyr - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG die öffentliche mündliche Verhandlung.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Am 8.6.2000 um 19.15 Uhr parkte der Bw den PKW, Marke BMW, mit dem polizeilichen Kennzeichen im Stadtgebiet von Steyr (Volksstraße, gegenüber dem Gasthaus "Vorwärtstreff") neben dem PKW, Marke Peugeot, mit dem polizeilichen Kennzeichen ein. Im PKW des Bw waren seine Frau und seine Tochter anwesend. Zur gleichen Zeit war im gegenüberliegenden Gastgarten des Gasthauses "Vorwärtstreff" der Zeuge MB anwesend, welcher den Bw aufmerksam machte, dass er "einen weißen Strich gemacht habe". Beide Fahrzeuge wiesen Beschädigungen auf.

Das Gutachten des Herrn Ing. H vom 2. Februar 2001 kommt zum Ergebnis, dass "unter Zugrundelegung der vorliegenden Unterlagen aus technischer Sicht der Nachweis, dass der gegenständliche Schaden vom PKW des Beschuldigten stammen muss, nicht erbracht werden könne." Im ergänzenden Gutachten des Herrn Ing. H vom 14. Februar 2002 wird festgestellt, dass unter Berücksichtigung der Nick- und Wankbewegungen der beteiligten Fahrzeuge die von der Polizei festgestellten Beschädigungshöhen entstanden sein können.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.

Der Bw, seine Gattin (als Zeugin) und seine Tochter (als Zeugin) geben zusammenfassend übereinstimmend an, dass sie einen Anstoß an den geparkten PKW nicht bemerkt hätten. Die Tochter habe den geparkten PKW überprüft, aber habe keine mit ihnen zusammenhängende Beschädigung feststellen können. Sie geben beide an, dass ein Mann, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Gastgarten gesessen sei, in ihre Richtung herübergerufen habe, dass sie "einen weißen Strich gemacht hätten" bzw. "angefahren wären".

Der Zeuge B bringt hingegen vor, dass der PKW des Bw bei seinem Standort abgebremst worden sei und versucht habe, in eine freie Parklücke einzuparken. Er hätte einwandfrei feststellen können, wie der Lenker mit seinem linken vorderen Stoßstangeneck gegen die rechte hintere Fahrzeugseite eines PKW in langsamem Tempo gestoßen sei und sich danach parallel eingeparkt habe. Er hätte den Fahrer, als dieser aus dem Fahrzeug ausgestiegen sei, darauf aufmerksam gemacht, dass er soeben angefahren sei.

Dieser Zeugenaussage, die gleichfalls unter Wahrheitspflicht erfolgt ist, stehen die Aussagen des Bw und der beiden Zeuginnen gegenüber.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist. Dies bedeutet, dass, wenn der Sachverhalt nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit geklärt werden kann, ein Freispruch zu erfolgen hat.

Unter Zugrundelegung der aus dem Akt hervorgehenden Fakten, insbesondere aus den beiden Gutachten, die zum Ergebnis kommen, dass der Bw den vorliegenden Schaden verursacht haben kann bzw. die festgestellten Beschädigungshöhen der beteiligten Fahrzeuge entstanden sein können, erscheint die Rechtfertigung des Bw im gegenständlichen Falle durchaus schlüssig und nachvollziehbar. Im Gutachten vom 2.2.2001 befindet sich die dezidierte Feststellung, dass unter Zugrundelegung der vorliegenden Unterlagen aus technischer Sicht der Nachweis, dass der Schaden vom PKW des Beschuldigten stammen muss, nicht erbracht werden kann.

Nach Abwägung aller zur Verfügung stehenden Beweise steht nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit fest, dass der inkriminierte Schaden vom Bw als Lenker des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges bei der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Örtlichkeit und zur angeführten Zeit verursacht wurde, weshalb in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes "in dubio pro reo" spruchgemäß entschieden wurde.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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