Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108609/8/Fra/Ka

Linz, 27.03.2003

 

 

 VwSen-108609/8/Fra/Ka Linz, am 27. März 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn Dr. MB, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24.9.2002, VerkR96-10579-2002, betreffend Zurückweisung eines Einspruches als verspätet, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG.
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel angeführten Bescheid den Einspruch des Berufungswerbers (Bw) gegen die Strafverfügung vom 20.3.2002, VerkR96-10579-2002, als verspätet zurückgewiesen.

 

2. Über die dagegen rechtzeitig eingebrachte Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) erwogen:

 

2.1. Die beeinspruchte Strafverfügung wurde im Rechtshilfewege unter Verwendung einer Postzustellungsurkunde durch Niederlegung am 19.6.2002 zugestellt.

 

Am 28.7.2002 teilte der Bw per Telefax der belangten Behörde Folgendes mit:

"Betreff: Zahlungsaufforderung

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie senden mir eine Zahlungsaufforderung zu, in der Sie sich auf einen rechtskräftigen Bescheid mit der Zahl: VerkR96-10579-10579-2002 vom 20.3.2002 beziehen. Dieser Bescheid ist mir nicht bekannt. Bitte informieren Sie mich, um welchen Bescheid es sich dabei handelt, ansonsten ich Ihrer Aufforderung in keiner Weise entsprechen kann. Mit freundlichen Grüßen Dr. B eh."

 

Mit Schreiben vom 13.8.2002, Zl. VerkR96-10579-2002, übermittelte die belangte Behörde dem Bw die Kopie der oa Strafverfügung sowie eine Kopie der oa Zustellungsurkunde und teilte ihm mit, er könne aus dieser Urkunde ersehen, dass die Strafverfügung am 19.6.2002 durch Niederlegung rechtsgültig zugestellt wurde. Da die Strafverfügung somit in Rechtskraft erwachsen sei, wurde der Bw ersucht, den offenen Strafbetrag einzuzahlen.

 

Mit Schreiben vom 3.9.2002 teilte der Bw der belangten Behörde mit, er sei beruflich häufig auf Reisen und komme daher oft längere Zeit nicht dazu, sich um postlagernde Sendungen oder eingeschriebene Post zu kümmern. Dies sei der Grund, warum er die an ihn gerichteten Sendungen erst so spät erhalten habe. Dadurch hätte er keine Möglichkeiten, die Einspruchsfristen zu wahren. Er ersuche daher um Prüfung, ob für diese besondere Situation die Möglichkeit bestehe, seinen Einspruch verspätet entgegenzunehmen. Die weiteren Ausführungen in diesem Schreiben an die belangte Behörde betreffen die ihm vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung.

 

Im angefochtenen Zurückweisungsbescheid geht die belangte Behörde davon aus, dass die beeinspruchte Strafverfügung laut Rückschein am 19.6.2002 beim Postamt in Berlin niedergelegt wurde und daher der Bw den Einspruch spätestens am 3.7.2002 zur Post geben bzw bei der Behörde überreichen hätte müssen. Laut Eingangsvermerk sei der Einspruch jedoch erst am 5.9.2002 bei der Behörde überreicht worden, weshalb wegen Ablaufes der Einspruchsfrist die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen sei und diese daher gemäß § 49 Abs.4 VStG zu vollstrecken ist.

 

In seiner rechtzeitig gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung bezieht sich der Bw einerseits wieder gegen das Grunddelikt und andererseits stellt er den Antrag, ihn in den Rechtsstatus vor Ablauf der Einspruchsfrist zurückzuversetzen. Aus beruflichen Gründen (Reiseleitung in Frankreich) sei er nicht in der Lage gewesen, die hinterlegte Post abzuholen.

 

 

 

 

 

2.2. Der oa Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:

 

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Bei rechtzeitiger Einbringung des Einspruches ist gemäß § 49 Abs.2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten. Wurde der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben, dann ist nach § 49 Abs.3 VStG die Strafverfügung zu vollstrecken.

 

Ein nicht rechtzeitig erhobener Einspruch ist von der Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, mit Bescheid zurückzuweisen (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, Anmerk. 11 zu § 49 VStG; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 217, Anmerkung 9 zu § 49 VStG).

 

Nach § 32 Abs.2 AVG (iVm § 24 VStG) enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages, der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates. Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können gemäß § 33 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG weder verkürzt noch verlängert werden.

 

Gemäß Art.3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen (BGBl.Nr.526/1990) wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet.

 

Art.10 Abs.1 Satz 1 dieses Vertrages sieht zunächst die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungsverfahren unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr geltenden Vorschriften vor. Kann eine solche Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstückes nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen (Art. 10 Abs.1 Satz 3). Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.

 

Nach deutscher Rechtslage ist etwa im § 3 Abs.3 Verwaltungszustellungsgesetz (dBGBl. I 1952, 379, geändert mit dBGBl. I 2001, 1206) und in entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungszustellgesetze der Länder für das Zustellen durch den Postbediensteten die Anwendung von Zustellvorschriften der §§ 180 bis 186 und 195 Abs.2 der bundesdeutschen Zivilprozessordnung (dZPO) vorgesehen.

 

Bei Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde ist für den Fall, dass der Adressat in der Wohnung nicht angetroffen wird, nach dem verwiesenen § 181 Abs.1 dZPO die Möglichkeit einer Ersatzzustellung durch Niederlegung bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle vorgesehen, wobei über die Niederlegung eine schriftliche Mitteilung auf einem Vordruck unter der Anschrift des Adressaten in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben, oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraumes oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften ist. Das Schriftstück gilt mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstückes das Datum der Zustellung. Gemäß § 181 Abs.2 dZPO ist das niedergelegte Schriftstück drei Monate zur Abholung bereitzuhalten. Nicht abgeholte Schriftstücke sind danach an den Absender zurückzusenden.

 

Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der Zustellung durch Niederlegung ist, dass der Adressat am Ort eine Wohnung hat, die er tatsächlich bewohnt, wobei aber vorübergehende Abwesenheiten wie etwas Urlaub, kurzer Krankenhausaufenthalt und Ähnliches unerheblich sind. Keine Wohnung im Sinne des Zustellrechtes am bisherigen Ort liegt allerdings vor, wenn jemand längere Zeit mit fester, dauernder Unterkunft abwesend war und keine fortdauernde Beziehung zur bisherigen Wohnung aufrechterhalten hat (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 18.3.1998, Zl. 96/03/0030, unter Hinweis auf Kopp in Verwaltungsverfahrensgesetz6, Anmerkung 12 zu § 41 VwVG).

 

Im gegenständlichen Fall ersuchte die belangte Behörde das Landesverwaltungsamt Berlin um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe. Die Zustellung erfolgte entsprechend dem gestellten Ersuchen im Wege der Post mit Postzustellungsurkunde. Aus den Angaben des Zustellorganes im verwendeten Postvordruck "Postzustellungsurkunde" geht hervor, dass dieser am 19.6.2002 einen Zustellversuch am Ort der Wohnung des Bw vorgenommen hat. Da der Zusteller dem Bw nicht angetroffen hat, legte er die schriftliche Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlung - wie bei gewöhnlichen Briefen üblich - in den Hausbriefkasten ein. Aus der Spalte "Zeit der Zustellung" ist zu entnehmen, dass am gleichen Tag die Niederlegung vorgenommen wurde. Als Ort der Niederlegung wird "PIN intelligente dienstleistungen AG, G" angegeben. Laut Mitteilung des Landesverwaltungsamtes Berlin an den Oö. Verwaltungssenat handelt es sich bei der PIN AG um ein mit der Postzustellung beauftragtes lizenziertes Unternehmen.

 

Da der Bw am Ort der Zustellung über eine Wohnung verfügt und Zustellmängel weder erkennbar noch vorgebracht wurden, konnte die Zustellung durch Niederlegung entsprechend den deutschen Vorschriften rechtswirksam vorgenommen werden. Mit der schriftlichen Benachrichtigung von der Niederlegung durch das Zustellorgan am 19.6.2002 galt das Schriftstück im Sinne des § 181 Abs.1d ZPO als zugestellt.

 

Die Strafverfügung wurde daher durch Niederlegung (entspricht im Wesentlichen der Hinterlegung gemäß § 17 Zustellgesetz) rechtswirksam zugestellt und es begann mit diesem Tag die unabänderliche Einspruchsfrist von zwei Wochen zu laufen. Sie endete am 3.7.2002. Der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 20.3.2002 hätte daher spätestens an diesem Tag eingebracht werden müssen. Mit dem Ablauf dieses Tages war das Rechtsmittel als verfristet anzusehen. Der mit 3.9.2002 datierte und am 5.9.2002 bei der belangten Behörde eingelangte Einspruch erfolgte daher verspätet.

 

Im Ergebnis war daher die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde als unbegründet abzuweisen. Wegen der nach Ablauf der Einspruchsfrist eingetretenen Rechtskraft der Strafverfügung der belangten Behörde war es dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich von vornherein verwehrt, auf die Sache einzugehen. Sollte der Bw seinen Antrag "ihn in den Rechtsstatus vor Ablauf der Einspruchsfrist zurückzuversetzen" als Wiedereinsetzungsantrag werten, müsste darüber gemäß § 71 Abs.4 AVG die belangte Behörde entscheiden.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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