Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108616/13/Fra/Ka

Linz, 18.12.2002

VwSen-108616/13/Fra/Ka Linz, am 18. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn HL, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. EG, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 10.10.2002, VerkR96-3370-2002-Hol, betreffend Übertretung des § 5 Abs.4a und Abs.6 iVm § 99 Abs.1 lit.c StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 5.12.2002, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 5 Abs.4a und Abs.6 gemäß § 99 Abs.1 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.300 Euro (EFS 2 Wochen), verhängt, weil er am 6.5.2002 um 23.30 Uhr den PKW der Marke BMW 730i mit dem amtlichen Kennzeichen im Gebiet der Gemeinde Rainbach im Innkreis auf der 1143 Otterbacher Straße im Freiland aus Fahrtrichtung Schärding kommend in Fahtrichtung Rainbach im Innkreis bis auf Höhe des Straßenkm. 11,000 gelenkt und sich anschließend am 7.5.2002 um 03.15 Uhr gegenüber dem Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Schärding (und daher gegenüber einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt) im 2. Stock des Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhauses S, A geweigert hat, sich dort nach seiner Verbringung dorthin durch Bundesgendarmerieorgane der Gendarmerieposten Suben und Schardenberg unter anderem aufgrund der bei ihm vorgelegenen Alkoholisierungsmerkmale (deutlicher Alkoholgeruch, veränderte Sprache und deutliche Bindehautrötung) Blut zur Bestimmung seines Blutalkoholgehaltes abnehmen zu lassen, da er sich nach Aufforderung zur Mitwirkung an dieser Blutabnahme durch den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Schärding am 7.5.2002 um 03.14 Uhr schlafend stellte, weshalb er sich trotz Vorliegen der in § 5 Abs.6 StVO 1960 genannten Voraussetzungen geweigert hat, sich Blut abnehmen zu lassen. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

3.1. Folgender Sachverhalt ist unstrittig: Der Bw lenkte am 6.5.2002 um 23.30 Uhr den PKW der Marke BMW 730i mit dem amtlichen Kz.: im Gebiet der Gemeinde Rainbach im Innkreis auf der 1143 Otterbacher Straße aus Fahrtrichtung Schärding kommend in Fahrtrichtung Rainbach im Innkreis bis zu Straßenkm. 11,000. Er kam nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Durch diesen Verkehrsunfall erlitt er eine offene Wunde an der Stirn und eine Gehirnerschütterung, da er mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe seines PKW´s prallte und diese auch beschädigt wurde. Er begab sich in der Folge zum Hause E, wo er in der Folge im Bett liegend durch Organe der Bundesgendarmerie der Gendarmerieposten Suben und Schardenberg, welche Erhebungen in Bezug auf den zwischenzeitig gemeldeten Verkehrsunfall tätigten, angetroffen wurde. Aufgrund von Alkoholisierungsmerkmalen wurde der Bw aufgefordert, sich einer Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt zu unterziehen. Um jedoch eine rasche Versorgung seiner Verletzung zu gewährleisten, wurde er in das Landeskrankenhaus Schärding verbracht, wo er am 7.5.2002 um 01.37 Uhr in der Unfallambulanz eintraf. Dort wurde seine Verletzung erstversorgt, die weitere Amtshandlung im LKH wurde durch ein Organ der Bundesgendarmerie GP Schärding übernommen. Diesem Bundesgendarmerieorgan wurde sodann vom behandelnden Arzt Dr. BV mitgeteilt, dass eine Atemluftalkoholuntersuchung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Dem weiteren Begehren dieses Bundesgendarmerieorgans auf "Vornahme einer klinischen Untersuchung" sowie auf Durchführung einer Blutabnahme zur Bestimmung des Blutalkoholgehaltes wurde vom behandelnden Arzt Dr. V nach Rücksprache mit dem diensthabenden Arzt des LKH Herrn Oberarzt Dr. M nicht entsprochen, zumal der behandelnde Arzt Bedenken im Hinblick auf die Dispositionsfähigkeit hatte. Dieses Bundesgendarmerieorgan verständigte in der Folge den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Schärding, Herrn Dr. F, der kurz vor 03.00 Uhr im Landeskrankenhaus eintraf und sich nach Erkundigungen bei Herrn Dr. V über die getroffenen Erstversorgungsmaßnahmen in das Krankenzimmer begab, in dem der Bw untergebracht worden war. Herr Dr. F führte sodann in der Folge eine klinische Untersuchung beim Bw durch und forderte ihn im Anschluss auf, sich zur Feststellung seines Blutalkoholgehaltes Blut abnehmen zu lassen.

3.2. Strittig ist, ob der Bw die Aufforderung zur Blutabnahme insoferne verweigert hat, als er sich schlafend gestellt hat. Der Bw bringt diesbezüglich ua vor, dass der Oberarzt Dr. M offensichtlich ausreichende Gründe hatte, dem oa Ansinnen der Gendarmeriebeamten nicht nachzukommen. Der Bw verweist darauf, dass der Amtsarzt selbst in seinem Erhebungsbogen unter dem Punkt "andere Faktoren" eine Übermüdung angekreuzt hat. Berücksichtige man den Zeitpunkt der klinischen Untersuchung (03.15 Uhr) und den Umstand, dass er zuvor in Lokalanästhesie an der Stirn genäht wurde und er beim gegenständlichen Verkehrsunfall eine Gehirnerschütterung erlitten hat, so sei ernsthaft daran zu zweifeln, dass er zum Zeitpunkt der Untersuchung dispositionsfähig war. Es sei durchaus schlüssig, dass aufgrund dieser gesamten Umstände ein Erschöpfungszustand eintritt und dies vom Amtsarzt falsch eingeschätzt wurde. Betrachte man den Erhebungsbogen, die Angaben des Herrn Dr. F im Bericht vom 4.9.2002 sowie die Krankengeschichte des LKH Schärding, so tauchen hier unüberwindbare Widersprüche auf. Im Erhebungsbogen seien nachweislich falsche Eintragungen vorgenommen worden. Er habe eine Gehirnerschütterung erlitten und habe auch fünf Tage in stationärer Behandlung des LKH Schärding verbleiben müssen. Trotzdem sei vom Amtsarzt unter der davor vorgesehenen Stelle (Schock-, Commotio-Anzeichen) ein unrichtiger Eintrag vorgenommen worden, indem derartige Anzeichen verneint wurden. Weiters sei im Erhebungsbogen unter der Rubrik "Rötung der Augenbindehäute" das "Ja" angekreuzt und einige Zeilen tiefer die Pupillenreaktion als nicht prüfbar dargestellt worden. Weiters wurde vom Amtsarzt die "Übermüdung" angekreuzt. Dies decke sich auch mit seinen Ausführungen im Bericht vom 4.9.2002, indem der Amtsarzt auf der zweiten Seite zu Punkt 1 ausführe, dass er aufgrund "seiner Beeinträchtigung und seiner Unfallverletzung" nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich einen Überblick über die Unfallfolgen zu verschaffen. Berücksichtige man weiters die Angaben in der Krankengeschichte, wonach eben eine Gehirnerschütterung vorgelegen ist, er an Schwindel und Übelkeit gelitten hat, von Haus aus an einer arteriellen Hypertonie und einem Diabetes mellitus leide, so stelle sich ernsthaft die Frage, warum der Amtsarzt in seiner Einvernahme vor der Behörde zu dem Schluss komme, dass er um 03.15 Uhr voll dispositionsfähig gewesen sei. Er habe eine klaffende Rissquetschwunde an der Stirn erlitten und sei dementsprechend im LKH Schärding versorgt worden. Der behandelnde Arzt Dr. V habe in seiner Einvernahme angegeben, dass er mit dem Oberarzt Rücksprache gehalten habe. Dieser habe ihm erklärt, dass bei Unzurechnungsfähigkeit von Personen eine Blutabnahme nicht durchgeführt werden dürfe. Der diensthabende Oberarzt sowie der behandelnde Arzt haben somit ausreichende Anzeichen dafür wahrgenommen, dass er in seiner Dispositionsfähigkeit eingeschränkt war. Die vom Amtsarzt vorgenommenen Vermutungen und Rückschlüsse seien mit den objektiven Geschehnissen und Abläufen nicht in Einklang zu bringen. Die allgemeine Lebenserfahrung zeige, dass eine Reihe von Begleitumständen dazu führen könne, dass jemand an Erschöpfung einschläft. Im konkreten Fall sei es so gewesen, dass bei ihm mit Sicherheit ein Unfallschock vorgelegen war. Dazu komme die Gehirnerschütterung, die erlittene Verletzung, die Wundversorgung mit Lokalanästhesie und die fortgeschrittene Zeit (3.15 Uhr). Bei richtiger Würdigung all dieser Umstände, so vermeint der Bw, hätte die Behörde nicht zur Feststellung gelangen dürfen, dass er sich geweigert habe, die Blutabnahme an sich vornehmen zu lassen. Der Bw beantragt aus den genannten Gründen seiner Berufung stattzugeben und das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 5.12.2002 erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass der Bw gemäß § 5 Abs.4a StVO 1960 zu einem bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden Arzt gebracht wurde und der diensthabende Arzt dieses Krankenhauses gemäß § 5 Abs.8 leg.cit. zur Blutabnahme zuständig gewesen wäre. Herr L wurde jedoch aufgrund der diagnostizierten Commotio cerebri nicht zur Blutabnahme aufgefordert. Dies folgt aus der Zeugenaussage des Herrn Dr. V, dem nach Rücksprache mit Herrn Oberarzt Dr. M von diesem mitgeteilt wurde, dass bei Patienten mit commotio cerebri wegen Unzurechnungsfähigkeit keine Blutabnahme durchgeführt wird. Wäre sohin Dr. F nicht in das Krankenhaus gerufen worden, wäre es durch den zuständigen diensthabenden Arzt des LKH Schärding zu keiner Aufforderung zur Blutabnahme gekommen.

Der herbeigerufene Amtsarzt Dr. F führte beim Bw vorerst eine klinische Untersuchung durch. Er kreuzte im Befundblatt trotz diagnostizierter commotio cerebri das Kästchen "nein" an. Bei der Berufungsverhandlung erklärte Herr Dr. F deshalb das Kästchen "nein" angekreuzt zu haben, weil der Bw nicht mehr unter Schock stand, jedoch zweifelsfrei eine commotio cerebri erlitten hat. Aus dem Befundblatt ergibt sich, dass der Amtsarzt Dr. F aufgrund der klinischen Untersuchung zum Ergebnis gekommen ist, dass der Bw sowohl alkoholbeeinträchtigt als auch fahruntüchtig gewesen ist. Diese Schlussfolgerung steht im gewissen Widerspruch zu der Tatsache, dass die klinische Untersuchung nur zum Teil durchgeführt werden konnte, weil - wie der Zeuge erläuterte - der Patient bereits mit einem Verband im Bett gelegen ist und gewisse Proben nur im Stehen gemacht werden können. Herr Dr. F hat daher den Bw zur Blutabnahme aufgefordert. Die belangte Behörde ist aufgrund der Zeugenaussage des Herrn Dr. F zum Ergebnis gelangt, der Bw habe diese Aufforderung konkludent verweigert, indem er sich schlafend gestellt hat. Bei der Berufungsverhandlung blieb der Zeuge zwar im Grundsatz bei dieser Version, legte sich jedoch nicht mehr eindeutig fest. Er meinte, dass die Frage, ob er ausschließen könne, dass der Bw bei der Aufforderung zur Blutabnahme in seiner Dispositionsfähigkeit eingeschränkt war, nicht mit ja und nicht mit nein beantwortet werden könne. Auch der Zeuge Dr. V konnte die Version des Zeugen Dr. F nicht bestätigen. Dieser konnte lediglich feststellen, dass er den Patienten im Verlaufe der klinischen Untersuchung schlafend gesehen hat.

Der Oö. Verwaltungssenat konnte nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei davon überzeugt werden, dass der Bw nach der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Version die Blutabnahme verweigert hat. Es muss in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass der Bw einige Stunden vorher mit seinem PKW gegen einen Baum geprallt ist. Da er nicht angegurtet war, schlug er mit seinem Kopf gegen die Windschutzscheibe. Aus den Lichtbildern ergibt sich, dass die Windschutzscheibe zerborsten ist. Ob die Windschutzscheibe durch den Anprall des PKW´s an den Baum oder durch den Anprall des Kopfes des Bw an diese zerbrochen ist, ist unklar. Der Bw wurde Stunden später in das LKH Schärding eingeliefert. Es wurde bei ihm eine commotio cerebri diagnostiziert. Es wurden ihm Glassplitter aus dem Gesicht operiert. Aufgrund all dieser Begleitumstände ist sein Vorbringen, dass er im Laufe der klinischen Untersuchung an Erschöpfung eingeschlafen ist, plausibel. Ein für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlicher Beweis liegt nicht vor, weshalb in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" spruchgemäß entschieden wurde.

Aufgrund dieses Ergebnisses war nicht weiter auf die Rechtsfrage einzugehen, ob - wie dies der Bw in der Berufungsverhandlung releviert hat - Herr Dr. F überhaupt zuständig gewesen wäre, bei ihm Blut abzunehmen und diesbezüglich ein allfälliges Beweismittelverwertungsverbot bestehen würde. Es war auch nicht weiter auf die Frage einzugehen, weshalb beim Bw vorerst eine klinische Untersuchung durchgeführt wurde, obwohl von vornherein feststand, dass viele Proben nicht durchgeführt werden können und der Amtsarzt trotz dieser Umstände zum Ergebnis gekommen ist, dass aufgrund der klinischen Untersuchung eine alkoholbeeinträchtigte Fahruntüchtigkeit beim Bw vorgelegen ist.

5. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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