Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108637/12/Bi/Be

Linz, 09.01.2003

VwSen-108637/12/Bi/Be Linz, am 9. Jänner 2003

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau W, vom 25. Oktober 2002 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 10. Oktober 2002, S-28.502/02-VP, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 10. Dezember 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, dass im Schuldspruch die Wortfolge "Pfitznerstraße in Richtung Pieringerhofstraße im Bereich der" zu entfallen hat.

II. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 14 Euro, ds 20 % der Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1 und 19 VStG,

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG

Entscheidungsgründe:

zu I.:

  1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.2 2.Satz iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 70 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil sie es in Linz, Pfitznerstraße in Richtung Pieringerhofstraße im Bereich der Kreuzung Pfitznerstraße-Marschnergasse, am 3. Juni 2002, 20.00 Uhr, als Fußgänger unterlassen

habe, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 7 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 10. Dezember 2002 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Bw, ihres rechtsfreundlichen Vertreters Mag. Will, des Vertreters der BPD Linz
Mag. Burger sowie der Zeugen DI Dr E (E), Dr (L) und DI (G) durchgeführt.

3. Die Bw bestreitet im Wesentlichen, an diesem Verkehrsunfall ursächlich beteiligt zu sein. Der Radfahrer habe nach dem Sturz selbst zugegeben, zu schnell gewesen zu sein. Der Unfall wäre daher auch zustande gekommen, wenn sie nicht zur selben Zeit am selben Ort gewesen wäre; ihr Verhalten habe keine unmittelbare Bedingung für das Zustandekommen des Unfalls dargestellt.

Im Übrigen stünden sich die Aussagen der beiden Radfahrer und ihrer eigene Verantwortung und die Aussage der Zeugin L diametral gegenüber; das angefochtene Straferkenntnis leide am Mangel unrichtiger Beweiswürdigung. Ihrem Antrag auf Einholung eines kfztechnischen Gutachtens sei nicht Folge gegeben worden, obwohl ein Sachverständiger die Geschwindigkeit, die allfällige Reaktionsverzögerung und zur Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs erforderlichen Tatsachen feststellen hätte können. Auch die beantragte Zeugeneinvernahme des verunfallten Radfahrers sei nicht erfolgt

Der Radfahrer sei nur wegen überhöhter Geschwindigkeit zu Sturz gekommen; daher sei aus ihrer subjektiven Sicht ein ursächlicher Zusammenhang zu verneinen, es könne ihr höchstens ein geringfügiges Verschulden zur Last gelegt werden. Beantragt wird Verfahrenseinstellung, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört, die oben angeführten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht gemäß § 289 StGB, die Zeugin L zusätzlich unter Hinweis auf ihr Entschlagungsrecht - gegen sie ist ebenfalls ein Verwaltungs

strafverfahren wegen §§ 4 Abs.2 2.Satz iVm 99 StVO anhängig - einvernommen wurden und ein Ortsaugenschein am Unfallort durchgeführt wurde.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Kreuzung Pfitznerstraße - Marschnergasse liegt in einer 30 km/h-Zone in einem Wohngebiet und ist ungeregelt. Der Zeuge E war zur Vorfallszeit am 3. Juni 2002 um ca 20.00 Uhr als Lenker eines Mountainbike von der Pieringerhofstraße kommend auf der vor der gegenständlichen Kreuzung mit einem Gefälle von 4-5 % bergab führenden Pfitznerstraße unterwegs, um nach rechts in die Marschnergasse einzubiegen. Er befand sich auf dem Heimweg von einer Rad-Ausfahrt mit dem Zeugen G, der ca 20 m vor ihm fuhr. Auf der rechten Seite der Pfitznerstraße und rechts im Kurvenbereich zur Marschnergasse befindet sich ein Grundstück, das mit einer überhängenden Hecke zu beiden Seiten hin abgegrenzt ist. Die Pfitznerstraße weist wie die Marschnergasse zwei Fahrspuren mit einer Breite von insgesamt ca

4-5 m auf, wobei in Fahrtrichtung des Zeugen E gesehen rechts in der Marschnergasse entlang dieser Hecke ein in der Kurve ca 0,50 m bis in die Marschnergasse hinein ca 0,75 m breiter Grünstreifen und links gegenüber ein ca 0,50 m breiter Gehsteig verläuft. Zum Vorfallszeitpunkt herrschte fast kein Verkehrsaufkommen, es war trocken und die Fahrbahnen beider Straßen mit Asphalt versehen. Fahrbahn-Unebenheiten oder sonstige Anhaltspunkte für Behinderungen (zB geparkte Fahrzeuge oä) waren nicht vorhanden.

Nach ihren übereinstimmenden Aussagen liefen die Bw und die Zeugin L - um sich besser miteinander unterhalten zu können, nebeneinander - auf der Marschnergasse in Richtung Pfitznerstraße, wobei sie die linke Seite der Fahrbahn benutzten, weil ihnen der Gehsteig dafür zu schmal war. Die Zeugin L lief nach dem Überqueren der Marschnergasse zunächst ganz links im Grünstreifen, die Bw rechts knapp neben ihr. Ihnen kam zunächst der von links in die Marschnergasse einbiegende Zeuge G auf seinem Moutainbike entgegen, den beide zwar im Vorbeifahren registrierten, jedoch nichts Besonderes an seiner Fahrlinie feststellten.

Der Zeuge G führte aus, er habe beim Einbiegen schätzungsweise eine Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h eingehalten und die beiden ihm auf seinem Fahrstreifen entgegen laufenden Frauen gesehen, jedoch wegen ihrer Entfernung von der Kreuzung noch die Möglichkeit gehabt, ihnen in einem Bogen auszuweichen, zumal auch die Fahrbahn frei war. An eine Warnung des hinter ihm fahrenden Zeugen E dachte er nicht, obwohl ihm auffiel, dass die beiden Läuferinnen sich in langsamem Lauf in Richtung der durch den Heckenüberhang nach links unübersichtlichen Kreuzung bewegten. Der Zeuge bestätigte, dass, wären die Frauen tatsächlich im Grünstreifen bzw knapp daneben gelaufen, er nicht in einem Bogen ausweichen hätte müssen; er habe sie beide auf dem in seiner Fahrtrichtung rechten

Fahrstreifen der Marschnergasse laufen gesehen. Kurz darauf habe er dann ein Sturzgeräusch gehört und festgestellt, dass der Zeuge E mit seinem Fahrrrad auf der Fahrbahn der Marschnergasse lag und zwar im Kreuzungsbereich mit der Pfitznerstraße auf dem rechten Fahrstreifen in seiner Fahrtrichtung so, dass er links vom Rad im Einbiegeverlauf - der Zeuge hielt die Sturzstelle in einer Handskizze fest - zu liegen kam, und fuhr daraufhin zurück. Der Zeuge E klagte über Schmerzen im Rücken, stand aber selbst auf. Während des Gesprächs mit der Zeugin L und der Bw wurde nach Erinnerung des Zeugen G nichts über die Sturzursache gesprochen. G verständigte die Gattin des Zeugen E, die diesen mit dem Pkw abholte und ins UKH brachte, wo Rippenbrüche festgestellt wurden.

Der Zeuge E bestätigte in der mündlichen Verhandlung, er sei auf der Pfitznerstraße bergab mit schätzungsweise 10, höchstens 15 km/h, gefahren und wollte nach rechts in die Marschnergasse einbiegen, wobei der Kurvenbereich wegen der Hecke unübersichtlich war. Als er sich schon am Beginn der Kurve befand und erstmals Einsichtmöglichkeit in die Marschnergasse hatte, erblickte er auf dem rechten Fahrstreifen in ca 3 - 4 m Entfernung, dh am Ende der Kurve, die beiden Läuferinnen, die augenscheinlich auf ihn zu kamen, und entschloss sich augenblicklich zu einer Vollbremsung mit dem Ergebnis, dass er links über die Lenkstange des Mountainbikes über die Schulter nach vorne katapultiert wurde, nach dem Sturz zunächst keine Luft bekam und dann Schmerzen im oberen Rücken hatte. Er kam seiner Erinnerung nach in der Fahrbahnmitte der Marschnergasse im Kreuzungsbereich zu liegen und zeigte diese Stelle auch anhand einer Skizze und später beim Ortsaugenschein. Er schloss in der mündlichen Verhandlung nicht aus, dass er zu den beiden Läuferinnen unmittelbar nach dem Sturz gesagt habe, er sei zu schnell gewesen, bezog das aber auf seinen "Unfallschock". Er betonte, er habe keine derartige Geschwindigkeit eingehalten, die zu einem "Hinaustragen" in der Kurve geführt hätte. Möglicherweise wäre ein Ausweichen angesichts der beiden Frauen möglich gewesen und sein Bremsmanöver als Überreaktion einzustufen; allerdings sei alles so schnell gegangen und er habe nur die beiden in kurzer Entfernung auf sich zukommen gesehen, ohne deren Laufgeschwindigkeit einschätzen zu können, und eben mit Vollbremsung (zusätzlich zur Kurvenbremsung) reagiert, worauf das Rad sofort zum Stillstand gekommen sei. Der Zeuge E bestätigte, dass, hätte er mit der eingehaltenen Kurvenbremsintensität seine beabsichtigte Fahrlinie beibehalten, er den beiden Läuferinnen sicher hineingefahren wäre, und dass sein Sturz seiner Ansicht nach nur deshalb erfolgt sei, weil er wegen der Läuferinnen irgendwie reagieren habe müssen. Zum Abstand der Läuferinnen von der Hecke hatte der Zeuge keine Erinnerung. Ihm sei, nachdem an der Unfallstelle nicht von der Polizei die Rede gewesen sei, erst später bewusst geworden, dass er nicht von sich aus zu Sturz gekommen sei und es sei ihm dann gelungen, die Namen der beiden Läuferinnen ausfindig zu machen, die aber jede Diskussion über den Unfall

abgelehnt hätten, sodass er schließlich Anzeige beim VUK erstattet habe. Bei Gericht sei kein Verfahren anhängig, nur bei den Versicherungen.

Die Bw und die Zeugin L schilderten inhaltlich übereinstimmend aber unabhängig voneinander in der mündlichen Verhandlung den Vorfall so, dass sie den Zeugen E beim ersten Ansichtigwerden schon mit dem Rad im Sturz begriffen gesehen hätten, wobei zwischen ihnen in diesem Moment ca 10 -12 m Abstand gewesen seien. Sie schlossen dezidiert aus, zu diesem Sturz ursächlich beigetragen zu haben. Die Bw beschrieb die Sturzstelle beim Ortsaugenschein in der Marschnergasse, jedoch nicht im Kurvenbereich, sondern schon in deren geradem Verlauf. Die Sturzursache konnten beide nach eigenen Angaben nicht zuordnen, beriefen sich aber auf den Zeugen E, der im Aufstehen gesagt habe, jetzt sei er zu schnell gewesen. Beide leiteten daraus ab, der Zeuge sei wegen überhöhter Geschwindigkeit in der Kurve gestürzt. Sie gaben an, sie hätten den Sturz lediglich aus der Entfernung beobachtet und L habe erste Hilfe geleistet und im UKH angerufen, damit der Radfahrer sofort behandelt werde. Sie seien beide nach dem Sturz zum Radfahrer hingelaufen, wozu sie einige Schritte nach vorne laufen hätten müssen. Eine ursächliche Beteiligung an dem Sturz wiesen beide von sich. Überdies behauptet die Bw, im dortigen Wohnbereich seien viele Läufer unterwegs, die alle auf der Straße laufen, weil der Gehsteig zu schmal sei.

Im Rahmen der Beweiswürdigung gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, dass die Verantwortung der Bw und der Zeugin L nicht als schlüssig anzusehen ist. Zum einen ist zwar glaubwürdig, dass nach dem Überqueren der Marschnergasse die Zeugin L am linken, dafür zunächst noch ausreichend breiten Grünstreifen lief, der jedoch in Richtung Kreuzung mit der Pfitznerstraße rasch schmäler wird. Bei einem Überhängen der Hecke ist ein Laufen auf dem schmalen Grünstreifen näher an der Kreuzung geradezu unmöglich, sodass auch auf der Grundlage der Beschuldigtenverantwortung davon auszugehen ist, dass jedenfalls die Bw nach dem Überqueren der Marschnergasse auf der Fahrbahn lief und, je schmäler der Grünstreifen links wurde, desto weiter auf die Fahrbahn hinauslief, um der Zeugin L genug Platz zum Laufen einzuräumen. Eine derart geringe Entfernung, dass sich die beiden Läuferinnen dabei ständig am Arm berührt hätten, wie sie behauptet haben, ist unglaubwürdig. Als erwiesen ist aber anzunehmen, dass beide sich miteinander unterhalten und daher nicht auf das Verkehrsgeschehen geachtet haben. Den noch in einiger Entfernung von der Kreuzung entgegenkommenden ersten Radfahrer G haben sie nur am Rande registriert. Dessen glaubwürdiger Aussage, er habe ihnen wegen der von ihnen beanspruchten Fahrbahnbreite ausweichen müssen und dazu gerade noch ausreichend Platz und Möglichkeit gehabt, vermochten sie letztlich nichts entgegenzuhalten. Auch den Zeugen E haben sie beide nicht kommen gesehen, sondern er ist ihnen offensichtlich erst wegen des

wegen des spektakulären Sturzes aufgefallen, wobei übereinstimmend eine Entfernung von 10 bis 12 m beim ersten Ansichtigwerden angegeben und die Ursache mit zu hoher Geschwindigkeit begründet wurde.

Dem gegenüber steht die Aussage des Zeugen E, der die Entfernung der auf seiner Fahrbahnhälfte befindlichen und auf ihn zu kommenden Läuferinnen beim ersten Ansichtigwerden unmittelbar beim Passieren der abschüssigen Kurve mit ca 3 - 4 m angab und sich aus diesem Grund zu einer unmittelbaren Reaktion veranlasst sah, um eine Kollision zu vermeiden. Der Zeuge hat beim Ortsaugenschein nachvollziehbar dargelegt, dass er wegen der dichten Hecke erst im Kurvenscheitelpunkt ausreichend Sicht in die Marschnergasse hinein hatte und sofort wahrnahm, dass sich die Läuferinnen unmittelbar am Ende der Kurve befanden und in seine Richtung bewegten, wobei ihm eine Einschätzung der Laufgeschwindigkeit zeitlich nicht mehr möglich war. Bei der anschließenden Vollbremsung kam er zu Sturz.

Bei der Verhandlung war zum einen auffällig, dass die Zeugin L und die Bw ihre Verantwortung sorgfältig aufeinander abgestimmt hatten, nämlich sowohl inhaltlich wie auch in der Formulierung. Der Versuch, die Sturzursache allein auf eine zu hohe Kurvengeschwindigkeit zu reduzieren, geht jedoch ins Leere. Der Zeuge E hat zum einen konkret ausgeführt, er sei wegen der sofort eingeleiteten Vollbremsung gar nicht dazu gekommen, die Kurve zu durchfahren, daher könne es ihn auch nicht "hinausgetragen" haben und er hat zum anderen dezidiert befragt, was geschehen wäre, wenn sich die Bw zu diesem Zeitpunkt nicht auf der Fahrbahn befunden hätte, ausgeführt, er hätte sich dann unter Umständen nicht zu einer solchen Vollbremsung veranlasst gesehen.

Aus der Sicht des Zeugen E als von der Pfitznerstraße bergab nach rechts einbiegender Radfahrer war für ihn beim Einbiegen in die Marschnergasse möglicherweise mit einem entgegenkommenden Pkw zu rechnen, sodass er nach rechts in engem Bogen einzubiegen hatte, wobei er auch darauf vertrauen durfte, dass im Kurvenbereich kein Fahrzeug auf seiner Seite abgestellt war. Wenn er seine Fahrgeschwindigkeit auf diese zu erwartende Situation angepasst hatte, war es für ihn nachvollziehbar überraschend, zwei rechts in ca 3 - 4 m Entfernung auf seiner Fahrbahnseite entgegenkommenden Läuferinnen zusätzlich ausweichen zu müssen, was die Vollbremsung erklärt. Eine solche wäre mit Sicherheit nicht erforderlich gewesen, wären die beiden Läuferinen tatsächlich 10 bis 12 m bzw im von der Bw beim Ortsaugenschein gezeigten Abstand von ihm entfernt gewesen.

Dass bei einer solchen Vollbremsung bei einem zusätzlichen Gefälle der Reifen derart blockiert, dass der Lenker vorn über vom Rad stürzt, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung nachvollziehbar und hat nichts mit dem Hinausgetragenwerden bei zu hoher Kurvengeschwindigkeit zu tun. Selbst die Bw und die Zeugin L haben ausgesagt, der Zeuge E sei beim Sturz mit Blickrichtung Marschnergasse in deren Mitte zu liegen gekommen. Dass sich der Zeuge zu einer Vollbremsung entschlossen

hat, ist allein mit der - ihm im Übrigen vertrauten - örtlichen Situation nicht zu erklären. Seine Zeugenaussage, er habe der ihm auf seiner Fahrbahnhälfte entgegenkommenden Bw ausweichen müssen, um nicht mit ihr zusammenzustoßen,

ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates glaubwürdig und nachvollziehbar, auch wenn in der Situation unmittelbar nach dem Sturz schon bedingt durch die Verletzungen des Zeugen nicht ausdrücklich davon die Rede war.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 4 Abs.2 2. Satz StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht (ferner) die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Der VwGH stützt sich bei der Beurteilung der Bedingungen für das Entstehen eines Verkehrsunfalles auf die Äquivalenztheorie. Diese bedient sich einer Eliminationsmethode, bei der man sich die Handlung, die auf ihre Kausalität für den in concreto eingetretenen Erfolg geprüft wird, wegdenkt, um festzustellen, ob dieser Erfolg, so wie er eingetreten ist, bestehen bliebe oder entfiele. Jede Handlung, die auch nur des Geringste dazu beigetregen hat, dass der Erfolg in seiner kausalen Gestalt eingetreten ist, war für den Erfolg kausal. Von einer "Aufhebung des Bindungszusammenhangs" könnte lediglich dann gesprochen werden, wenn ein späteres Ereignis das Weiterwirken des früheren Ereignisses völlig aufhebt und seinerseits, gänzlich unabhängig davon, den Erfolg herbeiführt (vgl Erk v 4.3.1983, 81/02/0253, ua).

Der oben im Rahmen der Beweiswürdigung als glaubhaft und schlüssig als Sturzursache zugrundegelegte Sachverhalt ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens, insbesondere der Aussage des Zeugen E in Verbindung mit seiner "Endlage" nach dem Sturz, als erwiesen anzunehmen. Er selbst hat schlüssig ausgeführt, dass er, wäre ihm die Bw nicht auf seinem rechten Fahrstreifen in so kurzer Entfernung entgegengekommen, nicht zum Ausweichen in Verbindung mit der Vollbremsung und dem Sturz gezwungen gewesen wäre. Ein anderes Ereignis, das abhängig von der Bw als kausal für den Sturz anzusehen gewesen wäre, ist nicht eingetreten und wurde auch nicht behauptet. Eine überhöhte Geschwindigkeit und damit verbunden der Versuch, durch die Vollbremsung ein "Hinausgetragenwerden" aus der Kurve zu verhindern, als alleinige Unfallsursache ist aus den bereits oben dargelegten Überlegungen auszuschließen.

Inwieweit die Zeugin L, die wegen des unmittelbar vor dem Kreuzungsbereich dafür auch wegen des Überhangs der Hecke zu schmal werdenden Grünstreifens und nach übereinstimmenden Aussagen beider Zeugen ebenfalls, aber äußerst (aus ihrer Sicht) links am Fahrbahnrand gelaufen ist, kausal für den Sturz war, bleibt dahingestellt, weil der Zeuge E einen Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand einzuhalten hatte, sodass ein so deutliches Ausweichen möglicherweise nicht

erforderlich gewesen wäre. Hinsichtlich der Bw, die den Fahrstreifen jedenfalls in größerer Breite für sich in Anspruch genommen hat, ist Kausalität im Sinne einer "ursächlichen Beteiligung" am Verkehrsunfall zugrundezulegen, wobei aber zu betonen ist, dass hier nicht automatisch von einem Verschulden am Verkehrsunfall die Rede ist.

Der Zeuge E hat sich beim Verkehrsunfall Rippenbrüche zugezogen, sodass zweifellos von einem Verkehrsunfall mit Personenschaden auszugehen ist. Schon am Unfallsort klagte der Zeuge über Schmerzen im oberen Rücken und die Zeugin L hat auch die ärztliche Versorgung im UKH beschleunigt. Für die Bw war daher ein Verkehrsunfall mit Verletzung des Unfallbeteiligten mit Sicherheit erkennbar und auch ihre eigene ursächliche Beteiligung daran musste ihr schon aufgrund ihres Standortes beim Erscheinen des Radfahrers aus der Kurve heraus bewusst sein. Sie wäre daher verpflichtet gewesen, die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen, um eine Unfallsaufnahme zu veranlassen, bei der die wesentlichen Daten gesichert sowie Unfallshergang und Unfallstelle dokumentiert worden wären.

Sie hat diesbezüglich nichts unternommen, stützt aber nun ihre Verantwortung auf bloß behauptete Daten, die, wäre eine Unfallsaufnahme erfolgt, objektiv geprüft zur Verfügung gestanden wären. Ihre Verantwortung hat sich im Beweisverfahren als nicht stichhaltig und daher unglaubwürdig herausgestellt.

Die beantragte Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens erübrigte sich schon deshalb, weil eben keine Unfallsaufnahme erfolgte und daher keinerlei objektive Daten festgehalten wurden. Es waren weder Bremsspuren noch sonst als Grundlage für technische Berechnungen geeignete Anhaltspunkte vorhanden. Abgesehen davon ist im gegenständlichen Verfahren nicht zu klären, wen welches Verschulden am Verkehrsunfall trifft.

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt aus all diesen Überlegungen zur Auffassung, dass die Bw den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. Die Spruchkorrektur in örtlicher Hinsicht ist kosmetischer Natur.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 726 Euro Geld- bzw bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die Unbescholtenheit wurde zutreffend als mildernd berücksichtigt; ebenso wurde von der Einkommenslosigkeit der Bw beim Bestehen einer Unterhaltspflicht und dem Fehlen von Vermögen ausgegangen - in diesem Fall

besteht jedoch ein Unterhaltsanspruch, sodass die verhängte Strafe gemäß § 19 VStG auch der Höhe nach angemessen ist.

Die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe erfolgte im Verhältnis zur Geldstrafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens.

Die verhängte Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand.

Der Ausspruch einer Ermahnung iSd § 21 VStG war nicht gerechtfertigt, weil das Verschulden der Bw nicht als geringfügig (vgl VwGH v 27.5.1992, 92/02/0167, ua) und die Folgen der Übertretung nicht als unbedeutend anzusehen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den von der Bw zu tragenden Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Zum beantragten Kostenersatz "im gesetzlichen Ausmaß" wird auf die UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl.II Nr. 499, verwiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bissenberger


Beschlagwortung:

Beweisverfahren ergab unsächliche Beteiligung der Bw am Unfall - bet.

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 29.08.2003, Zl.: 2003/02/0072-3

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