Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108795/2/Fra/Ka

Linz, 01.10.2003

 

 

 VwSen-108795/2/Fra/Ka Linz, am 1. Oktober 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn Univ.Prof. Dr. AB, geb.15.12.1952, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 2.1.2003, VerkR96-5009-2002, betreffend Übertretung des § 46 Abs.4 lit.c StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der Strafausspruch behoben und von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird; der Berufungswerber hat weder zum erstinstanzlichen noch zum Berufungsverfahren Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 21 und 24 VStG; § 66 Abs.1 VStG
 
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 46 Abs.4 lit.c StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 72 Euro (EFS 36 Stunden) verhängt, weil er am 12.7.2002 um 08.57 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der A 1, Westautobahn, in Fahrtrichtung Salzburg gelenkt hat, wobei er bei km. 201,100, Gemeindegebiet Eberstallzell, als Lenker eines Fahrzeuges verbotenerweise auf der Autobahn eine Betriebsumkehre befahren hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Über die dagegen rechtzeitig eingebrachte Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) erwogen:

 

Der Bw bestreitet nicht, dass er vom Parkplatz aus die Ausfahrt bei geöffnetem Schranken benutzt habe. Er bringt vor, dass dies für ihn wegen eines dringenden körperlichen Bedürfnisses notwendig gewesen sei. Die Strecke vom Parkplatz zu seiner Wohnadresse betrage 400 m. Der (gebotene) alternative Umweg über Vorchdorf hätte eine Wegstrecke von ca. 15 km bedeutet, dem das körperliche Bedürfnis entgegen gestanden sei.

 

Der Bw hat bereits mit Eingabe vom 21.10.2002 an die belangte Behörde die Anwendung des § 21 VStG beantragt und darauf hingewiesen, dass nach ständiger Judikatur des VwGH diese Bestimmung auch bei vorsätzlichem Handeln anzuwenden ist.

 

Das o.a. Vorbringen des Bw ist nicht widerlegbar. Im letzten Absatz auf Seite 2 des angefochtenen Straferkenntnisses führt die belangte Behörde aus, dass die Rechtfertigung des Bw, er hätte ein dringendes körperliches Bedürfnis gehabt, nicht die Anwendung des § 21 VStG rechtfertigt. Daraus schließt der Oö. Verwaltungssenat, dass auch die belangte Behörde das oa diesbezügliche Sachverhaltsvorbringen des Bw implizit ihrem Bescheid zugrunde gelegt. In rechtlicher Beurteilung ist die belangte Behörde jedoch zum Ergebnis gelangt, dass dieser Sachverhalt nicht die Anwendung des § 21 VStG rechtfertigt. Weiters führt die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis aus, dass die Übertretung vom Bw nicht bestritten wird. Diesem Argument ist entgegenzuhalten, dass der Bw lediglich das gesetzliche (objektive) Tatbild der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zugesteht, jedoch das Verschulden in Abrede stellt, indem er Notstand einwendet. Nach der Judikatur des VwGH kann unter Notstand im Sinne des § 6 VStG jedoch nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (VwGH vom 17.2.1992, 91/19/0328 uva).

Der Bw ist Rollstuhlfahrer und es ist ihm daher zuzugestehen, dass es ihm nicht zumutbar ist, das vorgebrachte Bedürfnis im Freien zu verrichten. Ein Notstand im Sinne des § 6 VStG liegt sohin vor dem Hintergrund der zitieren VwGH-Judikatur nicht vor, da in diesem Falle ein Anhalten auf dem Pannenstreifen gemäß § 46 Abs.3 StVO 1960 zulässig ist und daher eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben ausgeschlossen werden kann. Aufgrund der Umstände der im vorliegenden Fall zu berücksichtigenden Sachverhaltselemente liegen jedenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG vor. Die Tat hat auch keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen. Auf den weiteren Eventualantrag auf Beischaffung der Verordnung der Bundesstraßenverwaltung zum Beweis dafür, dass diese Verordnung nicht ordnungsgemäß erlassen ist und dass keine Betriebsumkehre vorliegt, weil der Parkplatz an einen öffentlichen Güterweg angebunden ist, war nicht weiter einzugehen, weil eine Verordnung der Bundesstraßenverwaltung für das gegenständliche Verfahren rechtlich nicht von Bedeutung ist.

 
3. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

 
 

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