Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108800/7/Br/Pe

Linz, 18.02.2003

 

 

 VwSen-108800/7/Br/Pe Linz, am 18. Februar 2003

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn RFR, vertreten durch Herrn Dr. JS, Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 21. Oktober 2002, VerkR96-7232-1-2002 Be, nach der am 18. Februar 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

I. Die Schuldsprüche werden mit der Maßgabe bestätigt, dass im Punkt b) die Tatzeit "09.17 Uhr" zu lauten hat; in den Strafaussprüchen wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafen auf je 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafen auf je drei Tage ermäßigt werden. Im Punkt b) gelangt als Strafnorm anstatt § 99 Abs.2 lit. c StvO § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zur Anwendung.
 


Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1, Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.
 

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf je 15 Euro. Für das Berufungsverfahren entfallen Kostenbeiträge.
 


Rechtsgrundlage:
§ 65 VStG.

 
 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem erstgenannten Straferkenntnis über den Berufungswerber im Punkt a) wegen einer Übertretung nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und im Punkt b) wegen § 52a Z10a StVO 1960 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, Geldstrafen von 250 Euro und 400 Euro und im Nichteinbringungsfall jeweils fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm zur Last gelegt, er habe am 21.10.2002 gegen 09.11 Uhr als Lenker eines Pkw mit dem Kennzeichen auf der A25 a) von km 4,000 bis km 4,500 im Gebiet von Weißkirchen in Fahrtrichtung Suben, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h, um 32 km/h überschritten und b) von km 12,300 bis 12,800 die durch VZ kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 53 km/h überschritten.

 

1.1. Gestützt wurde diese Entscheidung auf das Ergebnis einer dienstlichen Wahrnehmung durch Nachfahrt und gleichzeitiger Aufzeichnung des Fahrverhaltens mittels Pro-Vi-Da.

 

2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht erhobenen Berufung, worin er Folgendes ausführt:
"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebe ich gegen das Straferkenntnis der BH Wels-Land vom 21.10.2002, GZ VerkR 96-7232-1-2002/BE innerhalb offener Frist durch meinen Rechtsvertreter das Rechtsmittel der
 

BERUFUNG
 
und führe diese wie folgt aus:
 
Ich fechte das oben bezeichnete Straferkenntnis seinem gesamten Inhalte nach an und mache als Berufungsgründe Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend.
 
Im angeführten Straferkenntnis wird mir zur Last gelegt, am 21.10.2002 gegen 9.11 Uhr auf der A 25 von Kilometer 4,00 bis Kilometer 4,50 das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 162 km/h gelenkt zu haben und von Kilometer 12,30 bis Kilometer 12,80 das Fahrzeug SB 253 Al mit einer Geschwindigkeit von 153 km/h gelenkt zu haben.
 
Das Straferkenntnis ist, was die Anführung des Tatzeitpunkts, nämlich jeweils gegen 9.11 Uhr, betrifft mit einer Mangelhaftigkeit belastet. Die Angabe des Wortes "gegen" entbindet die Behörden nicht davon, den Tatzeitpunkt bei vorgeworfenen Delikten, deren Begehungsort nahezu 8 Kilometer auseinanderliegt, genauer zu präzisieren. Eine minutengenaue Angabe des Tatzeitpunkts ist der Behörde bei einer zeitlichen Differenz der vorgeworfenen Delikte unter Berücksichtigung der angeführten Geschwindigkeit von zumindest 3 Minuten nicht nur möglich, sondern auch zumutbar. Sowohl der Begehungsort als auch die Geschwindigkeit sind aus dem Bescheid exakt nachvoliziehbar, der Tatzeitpunkt allerdings nicht.
 
Die umschriebene Tatzeit, nämlich "gegen 9.11 Uhr", würde lediglich beim Vorwurf der Begehung eines Delikts oder beim Vorwurf der Begehung mehrerer Delikte am selben Ort den Anforderungen eines nachvollziehbaren Straferkenntnisses genügen.
 
Ich mache in der Berufung weiters geltend, dass die jeweils verhängten Geldstrafen unter Berücksichtigung der Beweisergebnisse und meiner Einkommensverhältnisse zu hoch bemessen sind. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass, ungeachtet der Frage, ob ein fortgesetztes Delikt vorliegt oder nicht, sich der Vorwurf der Übertretungen auf dieselbe Straße bezieht, was bei der Bemessung der Geldstrafen entsprechend zu berücksichtigen wäre.
 
Ich stelle aus den oben angeführten Gründen den
 

Antrag,
 
die Berufungsbehörde möge in Stattgebung meiner Berufung das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, dass dieses behoben werde und das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werde, in eventu die verhängten Geldstrafen schuldangemessen herabsetzen.
 
Purgstall, am 4.11.2002 RFR"

3. Die Erstbehörde hat die Akte zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da in keinem Punkt des Straferkenntnisses eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien zwecks unmittelbarer Sichtung des aufgezeichneten Fahrverhaltens in Wahrung der gemäß Art.6 Abs.1 EMRK zu garantierenden Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die oben genannten Verwaltungsstrafakte der Erstbehörde und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil. Beigeschafft und Einsicht genommen wurde in die im Rahmen der Nachfahrt getätigte sogenannte "Pro-Vi-Da-Aufzeichnung". Der Berufungswerber legte drei Urkunden in Kopie zum Beweis seiner Sorgepflichten und der dzt. ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse vor (Beilagen 1 bis 3).

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Der Berufungswerber lenkte in der Zeit von 09.11 Uhr bis 09.17 Uhr, ein neueres Modell eines Mercedes der C-Klasse im Bereich des km 4,000 bis 12,800 der A25. Wie sich aus der Videoaufzeichnung ergibt wurde in einer sehr dynamischen Fahrweise die Fahrgeschwindigkeit in dem hier angelasteten Ausmaß kurzfristig erreicht. Auf der genannten Wegstrecke herrschte reges Verkehrsaufkommen, wobei der Verkehrsfluss auf Grund des dort fahrenden Schwerverkehrs auf der rechten Fahrspur entsprechend langsamer war. Die im Punkt b) zu Last gelegte Fahrgeschwindigkeit wurde ebenfalls nur kurzzeitig erreicht, wobei der Berufungswerber folglich auf mehrere im Bereich der erlaubten Höchstgeschwindigkeit fahrenden Fahrzeugen auflief. In dieser Phase wurde der Abstand zum Vorderfahrzeug für eine Zeitspanne von etwa zehn Sekunden verkürzt, was hier jedoch nicht verfahrensgegenständlich ist.

Im Ergebnis vermag das Fahrverhalten als nicht von besonderer Gefährlichkeit begleitet qualifiziert werden. Es konnte bei objektiver Beurteilung des hier sequentiell gesichteten Fahrverlaufes - ca. sechs Minuten - dieses weder als rücksichtslos noch als gefährlich erkannt werden. Die hier nicht unmittelbar zu beurteilende Unterschreitung des Mindestabstandes, wofür der Berufungswerber mittels Strafverfügung offenbar rechtskräftig bestraft wurde, war sichtlich nicht als "hartes Drängen", sondern eher "nur" als Auflaufen und Abwarten in einem zu kurzem Abstand bis zum Freiwerden der Fahrspur angelegt.

Diese Beurteilung, welcher sich auch der Vertreter der Behörde erster Instanz vollinhaltlich anschloß, konnte in überzeugender Weise aus der Videoaufzeichnung gewonnen werden.

Vom Berufungswerber wurde glaubhaft gemacht, dass sich seine wirtschaftlichen Verhältnisses durch eingetretene Arbeitslosigkeit deutlich verschlechtert haben. Ebenfalls ist er für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig.

 

5.2. Nach § 20 Abs.2 StVO 1960, darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 StVO eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren. Ebenso darf die Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen nach § 52a Z10a StVO angegeben ist, nicht überschritten werden.

Im Hinblick auf die Rechtsfrage des Vorliegens von besonders gefährlichen Verhältnissen ist auf eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Man kann diese als Art Maßstab betrachten, an welchem der konkrete Fall zu messen ist.

Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h allein, ohne besonderes zusätzliches Gefahrenmoment für andere Straßenbenutzer, begründet weder besonders gefährliche Verhältnisse noch einen besonders rücksichtslosen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften (insbesondere, wenn zur Tatzeit keine anderen Straßenbenützer vorhanden waren, oder wie hier, der Verkehrsfluss eine Gefährdung überhaupt nicht erkennen ließ [VwGH 5.12.1984, 84/11/0045]).

Diese beispielsweise zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes - es könnten noch zahlreiche weitere angeführt werden - bringen deutlich zum Ausdruck, dass besonders gefährliche Verhältnisse nur dann anzunehmen sind, wenn die Übertretung unter Bedingungen erfolgt, deren Gefährlichkeit das übliche Ausmaß - hier des Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit - wesentlich übersteigt. Davon kann aber angesichts der verfahrensgegenständlichen Örtlichkeit nicht die Rede sein. Dass der Anhalteweg mit dem Ausmaß der Höhe der Fahrgeschwindigkeit entsprechend ansteigt und damit auch die Gefährlichkeit sich erhöht, gilt naturgemäß für jedes entsprechende Delikt und ist dieser Unrechtsgehalt schon durch die Strafbemessung im Rahmen der § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zu berücksichtigen.

Die Tatzeit war im Punkt b) iSd § 44a Z1 VStG der Videoaufzeichnung binnen offener Verfolgungsverjährungsfrist entsprechend zu korrigieren.

 

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 Strafgesetzbuch - StGB sinngemäß anzuwenden.

 

6.1. Angesichts des Umstandes, dass im Punkt b) bereits die strafsatzändernde Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 gegenständlich nicht anzuwenden war, hatte die Berufungsbehörde eine entsprechende Herabsetzung der verhängten Geld- und damit auch der Ersatzfreiheitsstrafe zu verfügen. Zusätzlich kommt hier noch der Umstand der wesentlich ungünstigeren wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers als zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides noch gegeben, zum Tragen. Mit Blick auf die bisher gänzliche Unbescholtenheit und des Umstandes, der sich hier zumindest subjektiv tatseitig ergebende Fortsetzungszusammenhang, vermag auch unter Berücksichtigung der Sorgepflichten mit der nunmehr festgesetzten Geldstrafen dem Strafzweck hinreichend Rechnung getragen werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

 

 

 

H i n w e i s:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 
 

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