Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108849/12/Fra/Pe

Linz, 16.05.2003

 

 

 VwSen-108849/12/Fra/Pe Linz, am 16. Mai 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn Mag.jur. EL, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 4. Februar 2003, VerkR96-6790-2001, betreffend Übertretungen des § 16 StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Mai 2003 iVm einem Lokalaugenschein zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) 1) wegen Übertretung des § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a. leg.cit eine Geldstrafe von 109,01 Euro (EFS 36 Stunden) und 2) wegen Übertretung des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 109,01 Euro (EFS 36 Stunden) verhängt, weil er am 6.8.2001 um 9.15 Uhr den Pkw auf der Salzkammergut Straße B 145 im Gemeindegebiet von Ebensee in Fahrtrichtung Bad Ischl gelenkt hat, wobei er

1) im Ortsgebiet Langwies bei Strkm 50,1 mehrere in gleiche Richtung fahrende mehrspurige Kraftfahrzeuge im Bereich einer dort unübersichtlichen Straßenstelle verbotenerweise überholt hat und

2) nicht einwandfrei erkennen konnte, dass er das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Über die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung, mit der der Bw die ihm zur Last gelegten Übertretungen plausibel begründend bestreitet, hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Mai 2003 iVm einen Lokalaugenschein erwogen:

 

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie (§ 55 Abs.2) geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.

 

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Der VwGH hat beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 12.3.1986, 85/03/0152, ausgeführt, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit des Überholmanövers aus der Sicht des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 grundsätzlich die Feststellung jener Umstände voraussetzt, die für die Länge der für den geplanten Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung sind, das sind in erster Linie die Geschwindigkeit des überholenden und des zu überholenden Fahrzeuges, bei mehreren zu überholenden Fahrzeugen deren Anzahl und Tiefenabstand. Ferner sind Feststellungen über die dem Lenker des überholenden Fahrzeuges zur Zeit des Beginnes des Überholvorganges zur Verfügung stehenden Sichtstrecke erforderlich. Schließlich sind noch Feststellungen über das Vorhandensein allfälliger bereits zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholmanövers dem Lenker erkennbarer Hindernisse zu treffen, die unter Berücksichtigung der erforderlichen Überholstrecke einem gefahrlosen Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten.

 

Zu § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 21.9.1983, 82/03/0272, ausgeführt, dass im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung nach dieser Gesetzesstelle die Behörde Feststellungen darüber zu treffen hat, wie weit die Sicht des Beschuldigten, gemessen von seiner Position zu Beginn des Überholmanövers reicht, welche Länge die Überholstrecke hat und inwieweit das gegenständliche Straßenstück ihm bis zum Ende der Überholstrecke nicht die erforderliche Übersichtlichkeit bietet.

 

Laut Anzeige des GP Ebensee vom 6.8.2001, Gz: 775/1/2001 KÜP, hat sich der Überholvorgang auf der B 145 bei Strkm. 50,1 ereignet.

 

Bei der Berufungsverhandlung sagte der Meldungsleger RI L zeugenschaftlich aus, dass der Bw ca. bei Strkm. 49,8 sein Überholmanöver begonnen hat. Um beurteilen zu können, ob die inkriminierten Übertretungen vorliegen, hätten die in den o.a. Erkenntnissen des VwGH erforderlichen Kriterien von diesem Straßenkilometer aus beurteilt werden müssen. Dieser Straßenkilometer, der ein wesentliches Element iSd Tatumschreibung gemäß § 44a Z1 VStG bildet, wurde dem Bw jedoch während der Verfolgungsverjährungsfrist nie vorgeworfen. Es ist daher Verfolgungsverjährung eingetreten. Nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist ist es dem Oö. Verwaltungssenat als Berufungsinstanz verwehrt, den Tatvorwurf richtigzustellen. Dies käme einer unzulässigen Tatauswechslung gleich. Es war daher auch nicht mehr auf die widersprüchlichen Angaben insofern einzugehen, als aus der Anzeige einerseits hervorgeht, dass der Bw das Gendarmeriekraftfahrzeug, einen weiteren Pkw und einen Lkw überholt hat, andererseits die Meldungsleger RI L und RI K in ihren zeugenschaftlichen Angaben vor der Erstinstanz davon sprechen, der Bw habe drei Pkw´s und einen Lkw überholt. Im Übrigen ist festzustellen, dass nach den überschlagsmäßigen Berechnungen des Amtssachverständigen Ing. H bei der Berufungsverhandlung, ausgehend davon, dass der Beginn des Überholvorganges ca. bei Strkm. 49,8 stattgefunden hat, dass das Gendarmeriefahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca. 90 bis 100 km/h gelenkt wurde, dass die Überholgeschwindigkeit um ca. 30 km/h höher war, dass der Bw zwei Pkw´s und einen Lkw überholt hat - dies nach Angaben des Meldungslegers bei der Berufungsverhandlung - und dass die Tiefenabstände ca. 20 m betragen haben, die Überholsicht für ein gefahrloses Überholen ausgereicht hätte.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 
3. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. F r a g n e r

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