Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108933/2/Ki/Vie/Ka

Linz, 22.04.2003

 

 

 VwSen-108933/2/Ki/Vie/Ka Linz, am 22. April 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Frau TAS vertreten durch Frau Rechtsanwältin Dr. BW, I, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 10. März 2003, VerkR96-3988-2002, wegen Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchabschnitt 1) sowie Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügung (Spruchabschnitt 2), zu Recht erkannt:
 
Der Berufung wird keine Folge gegeben. Der angefochten Bescheid wird mit der Maßgabe bestätigt, dass

  1. in Spruchabschnitt 1 an die Stelle der Wortfolge "unzulässig zurückgewiesen"

durch das Wort "abgewiesen" ersetzt wird;
2) in Spruchabschnitt 2 das Wort "unzulässig" durch das Wort "verspätet"
ersetzt wird.
 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG; § 24 VStG i.V.m. § 71 Abs.1 Z. 1 AVG; § 49 Abs. 1 VStG;
§ 51VStG

 
 
Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet) hat mit Strafverfügung vom 10. Dezember 2002 über Frau TS wegen drei Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 (Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 8 Abs. 1) Geld- und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Laut Mitteilung der Regierung der Oberpfalz, Regensburg, vom 3. Februar 2003, AZ. 200-1024-66433, erfolgte die Zustellung der Strafverfügung am 28. Jänner 2003. Mit diesem Tag begann die gemäß § 49 Abs. 1 VStG mit 2 Wochen normierte Frist zur Erhebung eines Einspruchs und endete diese daher mit Ablauf des 11. Februar 2003.

 

2. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2003 hat Frau TS die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gleichzeitig Einspruch gegen die zitierte Strafverfügung erhoben.

 

3. Die belangte Behörde hat mit dem zitierten Bescheid vom 10. März 2003 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung damit, die Strafverfügung sei gegen die nunmehrige Berufungswerberin gerichtet gewesen. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes sei somit in ihrem Verantwortungsbereich gelegen gewesen und hätte dies nicht an den Arbeitgeber delegiert werden können. Es treffe sie deshalb ein als nicht geringfügig zu qualifizierendes Verschulden an der verspätet erfolgten Einbringung des Rechtsmittels. Infolge der verspäteten Einbringung des Einspruch sei dieser als verspätet eingebracht zurückzuweisen.

 

4. Dagegen hat Frau TS das Rechtsmittel der Berufung erhoben. In ihrer Berufung führte die Berufungswerberin aus, sie habe die gegenständliche Strafverfügung unmittelbar nach Zustellung ihrer Arbeitgeberin zur Übermittlung an den deutschen Rechtsanwalt Dr. H zur Weiterleitung an die ag. Anwältin übergeben und sich einige Tage danach bei ihrer Dienstgeberin nochmals erkundigt, ob die Angelegenheit vom Anwalt bearbeitet werde. Dies sei bejaht worden. Tatsächlich sei die Strafverfügung versehentlich in einen falschen Akt eingeordnet worden und von ihrer Arbeitgeberin erst am 19. Februar 2003 an den deutschen Anwalt übermittelt und anschließend an die ag. Anwältin weitergeleitet worden. Für derartige Fälle bestehe eine Rechtsschutzdeckung durch den Arbeitgeber. Sie selbst könne den Rechtsanwalt nicht aussuchen, sondern müsse dies durch den Arbeitgeber erfolgen. Die von der Behörde zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich auf Umstände, in welchen einem Beschuldigten Fehler durch Vergesslichkeit unterlaufen seien. Im konkreten Fall sei jedoch nicht ihr, sondern ihrem Arbeitgeber ein Irrtum unterlaufen. Es liege ein klassisches unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Ziff 1 AVG vor und treffe sie bloß ein minderer Grad des Versehens, welcher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige.

5. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die belangte Behörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 51e Abs. 3 Z4 VStG).

 

6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in den Verfahrensakt Folgendes erwogen:

 

Gemäß § 24 VStG ist § 71 AVG betreffend die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden. Danach ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (§ 71 Abs. 1 Z. 1 AVG).

 

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden (§ 71 Abs.2 AVG).

 

Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (§ 71 Abs.3 AVG).

 

Unbestritten ist, dass die Zustellung der vorgenannten Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt durch einen Zusteller der deutschen Post am 28. Jänner 2003 durchgeführt wurde und die Strafverfügung in die Gewahrsame der Berufungswerberin gelangt ist.

 

Unter dem in der zitierten Gesetzesstelle verwendeten Begriff des minderen Grades des Versehens ist leichte Fahrlässigkeit (im Sinne des § 1332 ABGB) zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (siehe dazu auch die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E. Nr. 96 und 97 zu

§ 71 AVG zitierte hg. Rechtsprechung).

 

Mit dem Vorbringen, es liege ein klassisches, unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Ziff 1 AVG vor und treffe sie bloß ein minderer Grad des Versehens, welcher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige, ist die Berufungswerberin nicht im Recht. Zutreffend hat die belangte Behörde festgestellt, dass die dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugrunde liegende Strafverfügung an die Berufungswerberin gerichtet war und nicht an deren Arbeitgeber. Unzutreffend ist hingegen die Auffassung der belangten Behörde, die Berufungswerberin könne die Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht an den Arbeitgeber delegieren. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates ist der Arbeitgeber vielmehr als Vertreter der Berufungswerberin anzusehen. Dass die in Rede stehende Strafverfügung nicht so rechtzeitig an einen namentlich näher genannten deutschen Rechtsanwalt weitergeleitet wurde, dass dieser in der Folge einen österreichischen Rechtsanwalt mit der rechtzeitigen Einbringung eines Rechtsmittels hätte betrauen können, hat der Arbeitgeber der Berufungswerberin zu vertreten. Das Verschulden eines Vertreters ist dem der Partei gleichzuhalten (vgl. hiezu auch die VwGH-Erkenntnisse vom 26. September 1990, Zl. 90/10/0062; bzw. vom 23. Mai 2001, Zl. 2001/06/0036). Dabei stellt das dem Vertreter widerfahrene Ereignis nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Berufungswerberin dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und dem Rechtsanwalt höchstens ein Versehen minderen Grades vorzuwerfen ist. Ein Verschulden, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

 

Die Berufungswerberin geht selbst davon aus, dass die Versäumung der Berufungsfrist bei der gegebenen Sachlage auf ein Verschulden ihres Arbeitsgebers zurückzuführen ist. Es wurden keine Umstände dargetan, die Berufungswerberin bzw. ihr Arbeitgeber hätten entsprechende Maßnahmen gesetzt, die die Einhaltung der zweiwöchigen Einspruchfrist gesichert hätten. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass auch eine umgehende Übermittlung des Auftrages zur (rechtzeitigen) Einbringung eines Einspruches mittels Telefax an den deutschen Rechtsanwalt durchaus möglich gewesen wäre. Die vorliegende Verfristung des Einspruches wurde nicht nur auf Grund eines minderen Grades des Versehens verursacht. Es kann dabei dahin stehen, ob der dem Arbeitgeber unterlaufene "Irrtum" auf einem Fehler im rein manipulativen Vorgang des Einordnens in einen Akt beruhte.

 

Zusammenfassend stellt der Unabhängige Verwaltungssenat fest, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Bewilligung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen. Die Einbringung des Einspruchs gegen die in Rede stehende Strafverfügung ist deshalb nach wie vor als verspätet eingebracht anzusehen. Unrichtig ist in diesem Zusammenhang allerdings die Vorgangsweise der belangten Behörde, sowohl den Wiedereinsetzungsantrag als auch den damit gleichzeitig eingebrachten Einspruch gegen die Strafverfügung als unzulässig zurückzuweisen. Kann ein Wiedereinsetzungsantrag mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht bewilligt werden, ist er abzuweisen. Mit einer Zurückweisung ist im Falle von (nicht verbesserten) Formfehlern, bei inhaltlichen Mängeln, bei mangelnder Legitimation oder bei Fristversäumnis vorzugehen. Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Mängel, woraus eine Unzulässigkeit resultieren würde, konnten nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der von ihr angenommenen Unzulässigkeit hat die belangte Behörde den vorliegenden Sachverhalt somit unrichtig beurteilt. Der Umstand, dass der Einspruch gegen die Strafverfügung ebenfalls als unzulässig zurückgewiesen wurde, dürfte hingegen auf einem Irrtum (Schreibfehler) beruhen, zumal die belangte Behörde nach den Begründungsausführungen richtigerweise davon ausgeht, der Einspruch sei als "verspätet eingebracht" zurückzuweisen.

 

Die Abänderung im Spruch des angefochtenen Bescheides erfolgte im Hinblick auf die in § 66 Abs. 4 2. Satz AVG normierte Befugnis.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. K i s c h

 

 
 

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