Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108966/4/Fra/Ka

Linz, 11.02.2004

 

 

 VwSen-108966/4/Fra/Ka Linz, am 11. Februar 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung der Frau UB, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. EK, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 14.3.2003, Zl. S-27.893/02-4, betreffend Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; die Berufungswerberin hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin (Bw) wegen Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 100 Euro (EFS 48 Stunden) verhängt, weil sie am 24.6.2002 um 16.40 Uhr in Linz, A 7, Richtungsfahrbahn Süd, Strkm.15,8, als Lenkerin des Kraftfahrzeuges, Kz.: beim Hintereinanderfahren zum nächsten vorderen Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten hat, der ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht hätte, wenn dieses plötzlich abgebremst worden wäre, da sie bei einer Fahrgeschwindigkeit von 118 km/h einen Abstand von nur 14 m eingehalten hat. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Die Bw bringt ua vor, sie habe bei optimalen Sicht- und Fahrbahnverhältnissen am linken Fahrstreifen der A 7 Richtungsfahrbahn Süd mit einer Geschwindigkeit weit unter den der normierten Geschwindigkeitsbeschränkung von 130 km/h, nämlich mit lediglich 118 km/h fahrend, sukzessiv auf das vor ihr befindliche Fahrzeug aufgeschlossen. Dies dergestalt, dass sie vollkommen ausgeruht und auf das vor ihr befindliche Fahrzeug voll konzentriert gewesen sei. Sie sei nicht bremsbereit, sondern bereits bremsend durch Betätigung des Fußbremspedales gefahren. Es stellte sich die Verkehrssituation als übersichtlich, einfach und bekannt dar und es handelte sich bei der von ihr eingehaltenen Fahrweise um eine völlig übliche und eingeschliffene Reaktionshandlung. Sie lege jährlich mehr als 20.000 km zurück und gerade die verfahrensgegenständliche Strecke werde von ihr mehrmals in der Woche befahren. Aufgrund dieser Tatsache sei der von ihr gehaltene Sekundenabstand von 0,41 Sekunden als jedenfalls im Sinne des § 18 Abs.1 StVO 1960 ausreichend anzusehen und wäre ein zum Stillstandbringen ihres Fahrzeuges jederzeit möglich gewesen.

 

4. Aufgrund des Vorbringens der Bw hat der Oö. Verwaltungssenat ein verkehrstechnisches Gutachten darüber eingeholt, ob unter Zugrundelegung des Vorbringens der Bw der Sicherheitsabstand von 0,41 Sekunden zum Vorderfahrzeug als ausreichend im Sinne des § 18 Abs.1 StVO 1960 angesehen werden kann.

 

Das vom kfz-technischen Sachverständigen, Herrn Ing. H, hiezu erstellte Gutachten lautet wie folgt:

 

"Zu der Frage, ob im gegenständlichen Fall aus technischer Sicht ein Sicherheitsabstand von 0,41 s wie er als Meßergebnis ausgewiesen wurde, als ausreichend angesehen werden kann, ist folgendes festzustellen:

Die Messung des Sicherheitsabstandes erfolgte im vorliegenden Fall mit dem Videomeßsystem VKS 3.0, am 24.6.2002 gegen 16.40 Uhr auf der A7.

Die Auswertung der Messung ergab abzüglich der Toleranzen eine Fahrgeschwindigkeit von 118 Km/h (32,77 m/s). Der Abstand zwischen den beiden PKW wurde mit 13,5 m bestimmt. Entsprechend den Abnahmevorschriften (Eichung) des gegenständlichen Geschwindigkeits- und Abstandsmessystems ist bei der wie im gegenständlichen Fall durchgeführten halbautomatischen polizeilichen Auswertung der gemessene Fahrzeugabstand auf die nächste ganze Zahl aufzurunden. Der aufgerundete Wert ist vorzuwerfen. Im gegenständlichen Fall sind statt 13,50 m daher 14,00 m als Sicherheitsabstand vorzuwerfen.

 

Der im Auswerteprotokoll angeführte Sekundenabstand von 0,41 s bezieht sich auf den nicht gerundeten Wert und ist daher im halbautomatisierten Auswerteverfahren nicht maßgebend. Korrekt ist ein Sekundenabstand vorzuwerfen, der sich auf den aufgerundeten Abstand ( 14m ) bezieht. Daraus ergibt sich ein korrekt vorwerfbarer Sekundenabstand von 0,43 s (rechnerisch 0,427s). Entsprechend den österreichischen Bestimmungen ist nur die Geschwindigkeitsmessung eichpflichtig, die Abstandsmessung muß nicht geeicht sein.

Das im gegenständlichen Fall verwendete Geschwindigkeitsmeßsystem war zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung nicht geeicht. Die vorgeworfenen 118 km/h wurden daher mit einem nicht geeichten Meßsystem festgestellt.

Da ein Sekundenabstand vorgeworfen wird, in dem die gemessene Geschwindigkeit miteinfließt, ist auch der rechnerisch korrekte Sicherheitsabstand von 0,43 s (statt 0,41 s ) unter Zugrundelegung einer Geschwindigkeit ermittelt worden, die von einem nicht geeichten System gemessen worden ist.

Für alle weiteren Ausführungen wurde von der vorgeworfenen Geschwindigkeit von 118 km/h ausgegangen.

Der in Österreich nicht eichpflichtige Sicherheitsabstand ist korrekt mit 14m vorzuwerfen. Legt man die gemessene Geschwindigkeit von 118 km/h zugrunde, ergibt sich bei einer verbleibenden Reaktionszeit von 0,45 s aus technischer Sicht ein verbleibender Reaktionsweg von rechnerisch 14,74 m. Ein Auffahrunfall wäre durch eine alleinige Notbremsung nicht vermeidbar. Bei dieser Aussage wurde berücksichtigt, dass der vorwerfbare Abstand von 14 m durch Aufrundung und durch die Berücksichtigung zusätzlicher bei der automatisierten Auswertung berücksichtigter Toleranzen, im Sinne der Beschuldigten ermittelt worden ist.

Die angesetzte "Restreaktionszeit" ( = Zeit, die für die Informationsaufnahme gebraucht wird, um auf das aufleuchtende Bremslicht z.B durch eine Verstärkung der Abbremsung zu reagieren) mit 0,45s trifft für 50% der Lenker zu.

Statistisch gesehen gilt für 98 % der Lenker eine Zeit für die Informationsaufnahme von 0,58 s. Legt man diesen Wert mit höherer Wahrscheinlichkeit zugrunde, wäre ein Auffahrunfall durch eine Notbremsung alleine nicht zu verhindern gewesen, auch wenn man die bremsende Annäherung des PKW berücksichtigt.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, das der im Protokoll der gegenständlichen Messung vorgeworfene Abstandswert von 13,5 m insofern falsch ist, da die erforderliche Aufrundung auf die nächste ganze Zahl nicht erfolgte und die Geschwindigkeitsmessung mit einem nicht geeichten Meßsystem erfolgte, obwohl die Geschwindigkeitsmessung in Österreich eichpflichtig ist. Der zu Gunsten der Beschuldigten angeführte Sicherheitsabstand von 14,0 m ist unter Zugrundelegung der gemessenen Geschwindigkeit von 118 km/h auch bei bremsender Annäherung nicht ausreichend, um einen Auffahrunfall durch eine alleinige Notbremsung zu verhindern. Über die Genauigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit dem nicht geeichten Meßsystem können keine Angaben gemacht werden."

 

Der Oö. Verwaltungssenat hält sohin - unter Zugrundelegung des oa schlüssigen Gutachtens - fest, dass es sich beim gegenständlichen Gerät der Bauart VKS 3.0 um ein Geschwindigkeitsmessgerät handelt. Dieses Geschwindigkeitsmesssystem war zur Tatzeit noch nicht geeicht. Sohin kann ungeachtet der begründeten Ausführungen des Amtssachverständigen nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Bw tatbildlich gehandelt hat. Mangels Eichung zur Tatzeit kommt dem Geschwindigkeitsmesssystem keine ausreichende Beweiskraft zu, weshalb der Berufung in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 
5. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

 

 

 
 

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