Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240378/2/Gf/Km VwSen240379/2/Gf/Km

Linz, 10.07.2000

VwSen-240378/2/Gf/Km VwSen-240379/2/Gf/Km Linz, am 10. Juli 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des Dr. H-P J, gegen die Straferkenntnisse des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 14. Juni 2000, Zlen. SanRB96-148-12-1999-Au/Pü und SanRB96-149-12-1999-Au/Pü, wegen zweier Übertretungen des Lebensmittelgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit zwei Straferkenntnissen des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 14. Juni 2000, Zlen. SanRB96-148-12-1999-Au/Pü und SanRB96-149-12-1999-Au/Pü, wurde über den Rechtsmittelwerber jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 48 Stunden) verhängt, weil er es als Verlassenschaftskurator zu verantworten habe, dass - wie im Zuge einer lebensmittelpolizeilichen Revision in dem von ihm vertretenen landwirtschaftlichen Betrieb am 7. Oktober 1999 festgestellt worden sei - lediglich ein rissiger und teilweise stark verschmutzter Betonboden vorhanden und auch in einem Nebenraum Lebensmittel (Fruchtsäfte) der Gefahr einer Kontamination ausgesetzt gewesen seien; dadurch habe er jeweils eine Übertretung des § 74 Abs. 4 Z 1 des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. II 372/1998, i.V.m. § 4 Abs. 1 Z. 2 und i.V.m. Abschnitt II Z. 1 lit. a des Anhanges zur Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl.Nr. II 31/1998, begangen, weshalb er nach der erstgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen diese ihm jeweils am 16. Juni 2000 zugestellten Straferkenntnisse richtet sich die vorliegende, am 30. Juni 2000 - und damit rechtzeitig - persönlich bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

2.1. In den angefochtenen Straferkenntnissen führt die belangte Behörde übereinstimmend begründend aus, dass der gerichtlich zum Verlassenschaftskurator bestellte Beschwerdeführer für die ihm angelasteten Übertretungen, die aufgrund entsprechender Wahrnehmungen von Lebensmittelaufsichtsorganen als erwiesen anzusehen seien und von ihm auch nicht bestritten würden, einzustehen habe.

2.2. Dagegen wendet der Rechtsmittelwerber ein, dass der verfahrensgegenständliche Betrieb nicht zu der ihm zur Vertretung überantworteten Verlassenschaft gehöre; somit habe er für mit diesem im Zusammenhang stehende Ordnungswidrigkeiten auch nicht verwaltungsstrafrechtlich einzustehen.

Aus diesem Grund wird die Aufhebung der angefochtenen Straferkenntnisse und die Einstellung der Verwaltungsstrafverfahren beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der BH Eferding zu Zlen. SanRB96-148 u. 149-1999; im Übrigen konnte - da gegenständlich bloß eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend gemacht wird sowie mit den angefochtenen Straferkenntnissen lediglich eine 1.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt und von den Verfahrensparteien ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde - gemäß § 51e Abs. 3 Z. 1 und 3 VStG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Wie sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, ist diese offenkundig fälschlicherweise davon ausgegangen, dass sich die Bestellung des Rechtsmittelwerbers als Verlassenschaftskurator auf § 128 i.V.m. § 8 des Außerstreitgesetzes, RGBl.Nr. 208/1854, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 125/1999 (im Folgenden: AußStrG), gründete; tatsächlich fußt diese jedoch, wie dem Beschluss des BG Eferding vom 22. Dezember 1983, Zl. A-14/82-77, zu entnehmen ist, auf § 145 AußStrG i.V.m. § 811 ABGB.

4.2. Aus diesem Beschluss sowie aus den §§ 145 ff AußStrG geht hervor, dass der Beschwerdeführer zur Verwaltung und Besorgung des Nachlasses ("Da bei widerstreitenden Erbserklärungen keinem der erbserklärten Erben die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses überlassen werden kann, war ein Verlassenschaftskurator zu bestellen.") gemäß den §§ 810 ff ABGB eingesetzt wurde. Damit obliegen ihm aber bloß administrative Tätigkeiten, die in aller Regel einer vorhergehenden Genehmigung des zuständigen Nachlassgerichtes bedürfen. Anders als z.B. einem Masseverwalter im Ausgleichs- oder Konkursverfahren kommt ihm somit u.a. nicht die Aufgabe der ordnungsgemäßen Fortführung eines in der Erbmasse befindlichen Unternehmens, sondern lediglich die einstweilige prozessuale Vertretung des ruhenden Nachlasses - im Umfang des Bestellungsbeschlusses - bis zur Einantwortung durch die Erben zum Zweck der Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger in jenem (einzelnen) Rechtsstreit, für den er vom Abhandlungsgericht bestellt wurde, zu [vgl. z.B. E. Feil, ABGB-Handkommentar, Bd. IV, Eisenstadt 1977, 272; s.a. die bei F. Fetter - O. Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen, Wien 1956, auf S. 258 unter Nr. 45 auszugsweise wiedergegebene Entscheidung des OGH: "Die Rechte und Pflichten des Nachlassverwalters sind die eines Verwahrers, Sequesters oder Bevollmächtigten (§§ 968 und 1012 ABGB)".]. Da ihm sohin lediglich eine formale Vertretungsbefugnis zukommt, während er hinsichtlich allfälliger materieller Vertretungshandlungen gemäß § 145 AußStrG an eine vorangehende gerichtliche Zustimmung gebunden ist, kann er nicht als ein außenvertretungsbefugtes Organ i.S.d. § 9 Abs. 1 VStG angesehen werden; dies schließlich auch deshalb nicht, weil "der Nachlass" lediglich ein einheitliches Vermögen - nämlich: die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse des Erblassers, die beim Erbfall als Ganzes auf den Erben übergeht -, nicht aber auch eine eigenständige juristische Person i.S. dieser Bestimmung darstellt (vgl. wiederum E. Feil, a.a.O., 1 ff).

4.3. Dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Verlassenschaftskurator wurden sohin im Ergebnis Taten angelastet, die in dieser Form keine Verwaltungsübertretungen bilden; der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, die angefochtenen Straferkenntnisse waren aufzuheben und die Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. G r o f