Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109007/18/Bi/Be

Linz, 29.09.2003

 

 

 VwSen-109007/18/Bi/Be Linz, am 29. September 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn L M, S, D, vertreten durch RA Dr. J B, O S, S, vom 30. April 2003 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 22. April 2003, VerkR96-2971-2002-Hol, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 4. September 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
 

  1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, dass sich der in Rede stehende Überholvorgang bei km 1,865 der 1273 Trattberg Straße ereignete, wobei die Geschwindigkeit des überholten Pkw 75 km/h, die (günstigste) Sichtweite ca 180 m und die erforderliche Überholsicht ca 300 m betrugen und im Punkt 2) der Zeuge seinen Pkw wegen des knappen Wiedereinordnens des Pkw des Rechtsmittelwerbers infolge Gegenverkehr abbremsen musste.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) und 2) je 29 Euro, insgesamt 58 Euro, ds jeweils 20 % der verhängten Geldstrafen, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 441 Z1 und 19 VStG,

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 16 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) und 2) je 145 Euro (je 3 Tagen EFS) verhängt, weil er 1) am 27. März 2002 um 19.02 Uhr im Gebiet der Gemeinde Puchkirchen am Trattberg auf der 1273 Trattberg Straße im Freiland aus Fahrtrichtung Puchkirchen am Trattberg kommend in Fahrtrichtung Ampflwang/H mit dem für seine Person zugelassenen Pkw, , , gefahren sei und bei Strkm 18,650 als Lenker dieses Pkw dort den vor ihm mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h fahrenden und von Herrn P H, geb. , A, A, gelenkten Pkw, Peugeot 405, , verbotenerweise überholt habe, da durch dieses Überholmanöver andere Straßenbenutzer gefährdet werden konnten, zumal er bei diesem Überholmanöver bei einer Sichtweite von 253 m die erforderliche Überholsicht von 425 m nicht eingesehen habe und Herr H den von ihm gelenkten Pkw aufgrund eines im Gegenverkehr ankommenden Pkw abbremsen habe müssen, wodurch der Beschuldigte eine Übertretung gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 gesetzt habe und 2) habe er beim selben Überholmanöver verbotenerweise überholt, da er aufgrund der dort gegebenen Sichtweite von 253 m nicht einwandfrei habe erkennen können, dass er den von ihm gelenkten Pkw nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen könne, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden, zumal diese Sichtweite nicht ausgereicht habe, um die erforderliche Überholsicht von 425 m einsehen zu können und Herr Holzleitner den von ihm gelenkten Pkw aufgrund eines im Gegenverkehr ankommenden Pkw abbremsen habe müssen, wodurch der Beschuldigte eine Übertretung gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 gesetzt habe.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von insgesamt 29 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 4. September 2003 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung bei km 1,840 der 1273 Trattberg Straße/Kreuzung mit der 1271 Jochlinger Straße im Gemeindegebiet Puchkirchen/T in Anwesenheit des Bw, seines rechtsfreundlichen Vertreters RA Dr. J B, der Zeugen M M und P H und des technischen Amtssachverständigen Ing. R H durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz ist entschuldigt nicht erschienen.

 



3. Der Bw wendet sich in der Berufung gegen das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Ing. H und behauptet, früher als von diesem angenommen mit dem Überholmanöver begonnen zu haben, wobei eine Sichtweite von 400 bis 500 m bestanden habe. Bei Beginn des Überholmanövers sei außerdem kein Gegenverkehr erkennbar gewesen und er habe sich problemlos wieder einordnen können, ohne den Gegenverkehr oder den Überholten zum Abbremsen zu zwingen. Der Anzeiger sei zwar Gendarmeriebeamter, habe sich aber beim angezeigten Vorfall nicht im Dienst befunden, was bei der Gewichtung seiner Aussage berücksichtigt werden müsse. Da die Angaben des Bw überdies von denen seiner Gattin gestützt würden, sei im Zweifel das Verfahren einzustellen. Im Übrigen sei nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon auszugehen, dass er diese Übertretungen begangen habe. Er beantragt die Durchführung eines Lokalaugenscheins, eine mündliche Verhandlung, im Übrigen die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bei Strkm 1,840 der Trattbergstraße, im Rahmen derer der Bw sowie sein rechtsfreundlicher Vertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, die Zeugen einvernommen und basierend darauf und dem Ortsaugenschein ein technisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde verzichtet.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung revidierte der Bw seine bisherigen Ausführungen dahingehend, er könne sich an ein Überholmanöver dort überhaupt nicht erinnern. Er habe den Tatvorwurf auf ein ganz anderes Straßenstück bezogen, nämlich kurz vor dem Ortsgebiet von Puchkirchen/T, wo der auf einem langgezogenen Abschnitt einen Pkw, allerdings ohne jede Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer, überholt habe. Den Zeugen H kannte der Bw nicht.

Auch die Zeugin M M gab nach Hinweis auf ihr Entschlagungsrecht als Gattin des Bw, ihrer Erklärung, sie wolle aussagen, und dem Hinweis auf die Wahrheitspflicht an, sie habe einen Überholvorgang ihres Gatten zwischen dem Bahnübergang und dem Ortsgebiet Puchkirchen gemeint. An ein Überholmanöver im dortigen Bereich konnte sie sich nicht erinnern.

 

RI H gab zeugenschaftlich vernommen an, er kenne den Bw nicht und sei ihm noch nie begegnet. Er sei außer Dienst mit seinen beiden Kindern im Privat-Pkw auf der Trattberg Straße nach dem Ortsgebiet Puchkirchen/T in Richtung Ampflwang gefahren, wobei ihm etwa auf Höhe des Buswartehäuschens, das sich kurz vor
km 1,840 nach der Kreuzung mit der Jochlinger Straße befindet, möglicherweise auch einige Meter vorher, ein überholender Pkw aufgefallen sei. Er konnte nicht sagen, ob dieser bereits auf gleicher Höhe fuhr oder noch seitlich versetzt, jedenfalls aber bereits auf der linken Seite, und er konnte auch nicht sagen, ob der Pkw mit höherer Geschwindigkeit aufgeschlossen und gleich zu überholen begonnen hat oder ihm schon vorher nachgefahren war. Nach eigenen Aussagen hatte der Zeuge eine Geschwindigkeit von ca 75 bis 80 km/h inne und war der Geschwindigkeitsunterschied beim Überholen ausreichend. Wegen des auftauchenden Gegenverkehrs, einem beleuchteten Pkw, habe der überholende Lenker dann relativ schnell nach rechts gelenkt und sich vor seinem Pkw rechts eingeordnet, sodass er zu einer Blockierbremsung gezwungen gewesen sei. Der Zeuge konnte sich nicht erinnern, ob die Fahrbahn trocken oder nass war, betonte aber, er wisse noch, dass er auf die Bremse gesprungen sei und es den Pkw, einen Peugeot 405 ohne ABS mit Winterreifen, versetzt habe. Das rasche Wiedereinordnen des überholenden Pkw habe er auf den schon nahenden Gegenverkehr bezogen. Er habe zuerst seine Kinder beruhigen müssen und nicht darauf geachtet, ob der entgegenkommende Lenker Hup- oder Lichtzeichen gegeben habe oder an diesem Pkw die Bremslichter aufgeleuchetet hätten. Er konnte sich erinnern, dass es beim Bremsen rechts vorne "gestaubt" habe, könne das aber nicht zuordnen, nämlich ob Splitt gelegen oder er auf das Bankett gekommen sei. Er habe den Pkw nach rechts verlenkt, um dem überholenden Pkw mehr Platz zu geben und nicht mit diesem zu kollidieren, aber darauf geachtet, nicht zu weit nach rechts zu kommen.

 

Der technische Sachverständige Ing. H (SV) hat nach Ausmessung der Örtlichkeit - aus dem Ortsgebiet Puchkirchen kommend befindet sich bei km 1,865 der Trattberg Straße in Fahrtrichtung Ampflwang eine Fahrbahnkuppe, von der aus die größte Sichtweite ca 180 m beträgt, weil die Trattberg Straße dann eine leichte Linkskurve beschreibt und gleichzeitig bergab verläuft, wodurch die Sicht auf den weiteren Verlauf verdeckt wird. Die größte Sichtweite wurde mittels Messrad von einer Position, wie sie der Lenker eines auf der rechten Fahrbahnseite in Richtung Ampflwang fahrenden Pkw hat, ausgemessen. Ausgehend von dieser größten Sichtweite errechnete der SV unter Zugrundelegung einer Geschwindigkeit von 80 km/h des überholten und einer Beschleunigung von 80 auf 100 km/h mit 1 m/sec² des überholenden Pkw einen erforderlichen Überholweg von 208 m bzw 166 m bei 5 m/sec², dh unter Rennsportbedingungen. Bei 100 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit des Gegenverkehrs ergibt sich daraus eine Überholstrecke von 428 m bzw 346 m unter Rennsportbedingungen, bei 80 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit des Gegenverkehrs 384 m bzw 298 m Überholstrecke.

Geht man davon aus, dass beide Fahrzeuge auf Höhe des Buswartehäuschens, dh etwa bei km 1,840, auf gleicher Höhe waren und die Differenzgeschwindigkeit 20 km/h (80 km/h des Überholten, 100 km/h des Überholers) betragen hat, ergibt sich unter Berücksichtigung des Einscherweges und eines 5 m-Sicherheitsabstandes
beim Wiedereinordnen ein Überholweg von ca 150 m, der bei Abblendlicht eines Gegenverkehrs einsehbar gewesen sein musste. Bei zugrundegelegter Geschwindigkeit des Gegenverkehrs von 80 km/h ergibt sich daraus eine erforderliche Überholsicht von 300 m.

 

Das vom Zeugen angeführte "Stauben" bei der Bremsung konnte der SV nicht einordnen; Staub war in der Dunkelheit für den Zeugen nicht sichtbar, Splittstreuung aber nicht auszuschließen. Der SV räumte ein, dass bei einem zugunsten des Bw zur Verkürzung des Überholweges angenommenen extrem verkürzten Einscherweg und einem Sicherheitsabstand nach dem Überholen von 5 m für den Überholten der Eindruck des Geschnitten-Werdens entsteht, der auch zu Fehlreaktionen mit stärkerem Abbremsen, als in dieser Situation notwendig ist, führen kann.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates auszuführen, dass der Zeuge H in der Verhandlung einen sehr guten und vor allem glaubwürdigen Eindruck gemacht und den Vorfall, auch hinsichtlich des Beweggrundes seiner Anzeigeerstattung, aus seiner Erinnerung schlüssig und nachvollziehbar geschildert hat. Dass der Zeuge in seiner Eigenschaft als Gendarmeriebeamter ua auch in der Lage war, das Kennzeichen mit den Fahrzeugdaten laut Zulassung zu vergleichen - nach seinen Aussagen stimmten die Daten überein - mag aufgrund der mit diesem Beruf verbundenen Ausbildung seine Genauigkeit und Beurteilungsfähigkeit erhöht haben; keinesfalls waren seinen Aussagen Emotionen im Hinblick auf die Bestrafung des Bw zu entnehmen. Dass er in der von ihm geschilderten Situation mit kleinen Kindern im Fahrzeug den Entschluss, Anzeige zu erstatten, gefasst hat, verwundert nicht.

Der Bw vermochte sich, ebenso wie seine Gattin, zu den Zeugenaussagen gar nicht zu äußern, zumal er sich nicht mehr erinnern konnte, hier überhaupt überholt zu haben. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu erschüttern, reichte diese Verantwortung jedoch nicht aus. Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt zu der Auffassung, dass die Schilderungen des Zeugen der Wahrheit entsprechen, wobei die technische Nachvollziehbarkeit ebenfalls im Wesentlichen gegeben war.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist unter Bedachtnahme auf die örtlich günstigsten Bedingungen und zugunsten des Bw auszulegenden Schilderungen des Zeugen davon auszugehen, dass der Bw bei einer maximalen Sichtweite von ca 180 m nach Passieren der Fahrbahnkuppe noch vor dem Kreuzungsbereich der beiden Landesstraßen zu überholen begann, dabei bei einer Geschwindigkeit des Zeugen-Pkw von 75 km/h (dort befindet sich eine 80 km/h-Beschränkung und es wurde auch eine Tachoabweichung beim Zeugen-Pkw zugunsten des Bw angenommen) auf eine größtmögliche Geschwindigkeitsdifferenz beschleunigte und sich auf Höhe des Buswartehäuschens in etwa auf gleicher Höhe mit dem Pkw des Zeugen befand, wobei ein im Gegenverkehr herannahender Pkw
an seinem Abblendlicht zu erkennen war. Der Sachverständige errechnete unter diesen Bedingungen einen Überholweg von bestenfalls 150 m, was aber eine Überholsicht von mindestens 300 m erfordert hätte, wenn man von der Geschwindigkeit eines Gegenverkehr von 80 km/h (wieder zugunsten des Bw) ausgeht. Der Sachverständige führte weiters aus, dass unter diesen Bedingungen bei einem Einscherweg mit nur 5 m "Sicherheitsabstand" zum Überholten für diesen bereits der Eindruck des Geschnitten-Werdens entsteht, der auch zu Überreaktionen in dessen Bremsverhalten, zB zu einer Blockierbremsung, führen kann. Über eine Reaktion des im Gegenverkehr befindlichen Fahrzeuges im gegenständlichen Fall ist nichts bekannt.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Gemäß § 16 Abs.1 lit c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in en Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Der Lenker eines Fahrzeuges darf grundsätzlich nur dann überholen, wenn er in der Lage ist, die Überholstrecke zu überblicken und sich von der Möglichkeit des gefahrlosen Überholens zu überzeugen. Dabei ist jede unklare Verkehrssituation, zB auch fehlende Einsehbarkeit des weiteren Straßenverlaufs, in bedenklichem Sinne auszulegen. Die Zulässigkeit des Überholens ist am Beginn und nicht am Ende des Überholens zu beurteilen und das Überholen zu unterlassen, wenn auch nur die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist.

 

Bei einer Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO kommt es nicht auf den Eintritt einer Gefährdung am Ende eines unerlaubten Überholmanövers an, sondern auf ein bei Beginn des Überholvorganges erkennbares Gefährden-Können (vgl VwGH v 29.8.1990, 90/02/0044).

Von der Einhaltung der Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.c StVO kann nur gesprochen werden, wenn der Überholende beachtet, dass der nach dem Einordnen dem Hintermann verbleibende Abstand der Bestimmung des § 18 Abs.1 StVO entspricht (vgl VwGH v 4.7.1963, 1372/61) - insbesondere wenn man davon ausgeht, dass der 1 Sekunden-Abstand bei 75 km/h 20,8 m beträgt, die der Bw nach der glaubhaften Schilderung des Zeugen bei weitem nicht eingehalten hat, weil sich sonst die vom Zeugen glaubwürdig und nachvollziehbar geschilderte Bremsung nicht erklären lässt.

 

Im gegenständlichen Fall war für den Bw als Fahrzeuglenker bei Passieren der Fahrbahnkuppe bereits erkennbar, dass er ein Überholen des vor ihm mit der dort erlaubten Geschwindigkeit von 75 km/h fahrenden Pkw unter Miteinbeziehung eines eventuellen Gegenverkehrs, den er wegen der leicht abwärtsführenden Linkskurve der Trattberg Straße in einer Entfernung über ca 180 m nicht einzusehen in der Lage sein konnte, nicht innerhalb dieser Sichtweite beenden würde können, ohne gleichzeitig ausschließen zu können, den Überholten beim Wiedereinordnen zu gefährden oder zu behindern, zumal der Bw auch einen eventuellen Gegenverkehr keineswegs von vornherein ausschließen konnte. Für die Annahme der vom SV angeführten "Rennsportbedingungen" bestand für den Bw zu diesem Zeitpunkt ebenfalls kein Anlass - der Lenker des zu überholenden Fahrzeuges, dessen Persönlichkeitsstruktur und kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit war dem Bw genauso unbekannt - ebenso wenig für eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h, wenn auch nur zum Zweck der Erreichung einer ausreichenden Überholdifferenzgeschwindigkeit.

Der Bw hat bei zu gering einsehbarer Wegstrecke zu überholen begonnen, ohne die während seines Manövers gleichzeitig von einem eventuellen Gegenverkehr zurückgelegte Wegstrecke zu bedenken und in sein Vorhaben miteinzubeziehen. Dass ihm bei einmal eingeleitetem Überholvorgang nur die Möglichkeit offen stehen würde, entweder den Überholvorgang bei Erkennen des Abblendlichtes eines Gegenverkehrs abzubrechen und sich hinter dem zu überholenden Pkw einzuordnen oder das Überholmanöver unter "Rennsportbedingungen", nämlich größtmöglicher Bescheunigung und knappem Einscheren vor dem überholten Pkw, zu beenden, war in diesem Augenblick offenbar für ihn bedeutungslos. Er konnte damit aber nicht ausschließen, beim Überholen und beim Wiedereinordnen den Lenker des überholten Pkw zu gefährden oder zu behindern, und hat damit zweifellos beide ihm zur Last gelegten Tatbestände - mit Maßgabe der oben genannten Änderungen - erfüllt, zumal § 16 Abs.1 lit.a StVO mit der Wortfolge "andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende" nicht nur auf den Gegenverkehr Bezug nimmt, sondern auf jeden Straßenbenützer, also auch auf den Lenker des überholten Fahrzeuges.

 

Dass der Bw beim knappen Wiedereinordnen wegen des herannahenden Gegenverkehrs den Lenker des überholten Pkw behindert, durch das Nötigen zum abrupten Bremsen sogar gefährdet hat, ist in Bezug auf § 16 Abs.1 lit.a StVO nicht mehr Tatbestandsmerkmal, weil die bloße Möglichkeit der Gefährdung bzw Behinderung bereits ausreicht.

 

Zur Spruchkorrektur ist anzuführen, dass im erstinstanzlichen Verfahrensakt von der Anzeige bis zur Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses immer von km 1,865 der Trattberg Straße, das ist die Fahrbahnkuppe, die Rede war, was sich bei
der mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle auch als richtig erwiesen hat. Die Zitierung "km 18,650" im Spruch des Straferkenntnisses war damit zweifelsfrei als Versehen zu qualifizieren und sanierbar, weil damit keine inhaltliche Änderung des Tatvorwurfs verbunden war. Die Sichtstrecke von 180 m wurde vom SV bei der mündlichen Verhandlung ausgemessen, die erforderliche Überholsicht ergab sich nach Wertung aller für den Bw günstigen Aspekte, sodass der Spruch auch diesbezüglich gemäß § 44a Z1 VStG abzuändern war.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 726 Euro Geldstrafe bzw für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

 

Der Bw ist unbescholten, was seitens der Erstinstanz bereits mildernd berücksichtigt wurde. Erschwerend war kein Umstand. Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz im gegenständlichen Fall den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängten Strafen entsprechen unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem (aufgrund der tatsächlichen Gefährdung und Behinderung des überholten Lenkers) nicht geringen Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen als auch den finanziellen Verhältnissen des Bw (1.500 Euro monatlich, Sorgepflichten für zwei Kinder und die teilzeitbeschäftigte Gattin, kein Vermögen). Die Strafen liegen im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, halten generalpräventiven Überlegungen stand und sollen den Bw dazu anhalten, sich zukünftig Überholvorgänge sorgfältiger zu überlegen und auf andere Straßenbenützer mehr Rücksicht zu nehmen. Dass der Bw gar keine Erinnerung mehr an den ihm vorgeworfenen Überholvorgang hatte, ist eher verwunderlich und könnte auch als diesbezügliche Unsensibilität gedeutet werden. Ansatzpunkte für eine Strafherabsetzung fanden sich nicht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

§ 16 Abs.1 lit a StVO bezieht sich auf den überholten Lenker

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