Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109034/2/Bi/Be

Linz, 26.05.2003

 

 

 VwSen-109034/2/Bi/Be Linz, am 26. Mai 2003

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau M, vertreten durch RA K, vom 9. Mai 2003 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 23. April 2003, VerkR96-2013-1-2002, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
 

  1. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt wird, die Geldstrafe jedoch auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden herabgesetzt werden.

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 15 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG,

zu II.: §§ 64 und 65 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro (2 Tagen EFS) verhängt, weil sie am 26. Februar 2002 gegen 14.50 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen im Ortsgebiet von Wels auf der Bahnhofstraße in Höhe des Hauptbahnhofes gelenkt habe, wobei sie es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Polizei-oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallsbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, unterblieben sei.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe nach unrichtiger Tatsachenfeststellung eine unrichtige Beweiswürdigung vorgenommen, zumal nicht festgestellt worden sei, ob und welcher Schaden bei dem Vorfall tatsächlich entstanden sei. Der Schaden an der Stoßstange ihres Pkw sei jedenfalls schon alt gewesen und nicht beim gegenständlichen Vorfall entstanden. Das Sachverständigengutachten enthalte unzulässige Passagen. Abgesehen davon habe auch der SV ausgeführt, sie hätte einen solchen Anstoß nicht unbedingt bemerken müssen. Zur Behauptung der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird geltend gemacht, der SV spreche nur von der Möglichkeit, dass der Schaden an ihrem Fahrzeug bei dem Vorfall entstanden sei, schließe aber die Wahrnehmbarkeit praktisch aus. Die Aussage, sie hätte aufmerksamer sein müssen, stehe ihm nicht zu. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie Verfahrenseinstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass die Unfallbeteiligte und Zeugin S beim VUK der BPD Wels Anzeige gegen die unbekannte Lenkerin des Pkw erstattete, weil diese am 26. Februar 2002 gegen 14.50 Uhr aus einer Parklücke vor dem Bahnhof Wels in Rückwärtsfahrt gegen den vor dem Schutzweg hinter einem angehaltenen Pkw ebenfalls angehaltenen Pkw der Zeugin, Kz, nämlich im Bereich der rechten vorderen Tür unterhalb der Zierleiste, gestoßen sei, jedoch nach dem Anstoß vorwärts gefahren sei, sich in den fließenden Verkehr eingeordnet habe und davon gefahren sei, obwohl die Zeugin bereits vor dem befürchteten Anstoß und danach gehupt habe, um auf sich aufmerksam zu machen.

Die Bw hat laut Erhebungsbericht von AI A ausgeführt, sie habe ihre Enkelin vom Bahnhof abgeholt. Diese sei auf dem Beifahrersitz gesessen, als sie von einem neben dem Behindertenparkplatz befindlichen Parkplatz rückwärts ausgeparkt habe. Sie bestätigte, ein Hupen gehört zu haben, dann aber nach vorne weggefahren zu sein. Von einem Anstoß habe sie weder etwas gehört noch gespürt. Sie habe noch vor dem Zebrastreifen anhalten müssen. Ihre Enkelin habe noch gesagt, das sei knapp gewesen.

Festgestellt wurde laut Gutachten des SV Ing L vom 28. Februar 2003, VT-010000/4997-2002-LJ/Pl, dass am Pkw S in einer Höhe von 42 bis 50 cm


unterhalb der Zierleiste Abriebspuren bestehen. An der linken hinteren Stoßstangenecke des Pkw der Bw wurde ebenfalls eine Abriebspur festgestellt. Die beiden Abriebspuren stimmen mit der Schilderung des Unfallhergangs durch die Zeugin S ebenso überein, wie mit der Schilderung des Ausparkmanövers durch die Bw.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs.2 lit.a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere ... den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Schaden nicht meldet.

Gemäß § 4 Abs.5 leg.cit. haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs.1 genannten Personen - ds alle, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht - die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Im gegenständlichen Fall ist als erwiesen anzunehmen, dass die Bw aus der Parklücke beim Bahnhof Wels rückwärts ausgeparkt hat, als die Zeugin S wegen eines den Schutzweg überquerenden Fußgängers und des aus diesem Grund vor ihr anhaltenden Pkw ihren Pkw exakt hinter dem ausparkenden Pkw der Bw ebenfalls anhalten musste. Die Aussagen der Zeugin S, die diese Situation übereinstimmend mit der Bw beschrieben hat, ist diesbezüglich zweifellos glaubwürdig. Zum einen ist ein sich dem eigenen Pkw von der Seite bedenklich nähernder Pkw für den Lenker einsehbar, zum anderen hat auch ein rückwärts ausparkender Lenker seine besondere Aufmerksamkeit auf die im Bereich seiner Fahrtrichtung liegende Umgebung seines Pkw zu richten, dh beim Rückwärtsausparken auf dem Bereich hinter dem Pkw. Abgesehen davon müssten der Bw die Umfänge des von ihr gelenkten Pkw insoweit geläufig sein, dass es ihr möglich ist, Abstände zB von den hinteren Stoßstangenecken zu in der Umgebung befindlichen Personen oder Sachen einschätzen zu können. Wenn sie dazu nicht in der Lage ist, muss sie diesen Abstand eben entsprechend größer einhalten.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erk v 28.9.1988, 88/02/0058, v 26.5.1993, 92/03/0125, ua) setzt die Meldepflicht des § 4 Abs.5 StVO nicht unbedingt das positive Wissen um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden und vom ursächlichen Zusammenhang voraus, sondern es genügt, wenn die betreffende


Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können. Der Tatbestand des § 4 Abs.5 StVO ist daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein
gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Weiters muss der Lenker eines Fahrzeuges den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuwenden. Ein Blick in den Rückspiegel ist bei bestimmten Verkehrssituationen geboten, wenn der Lenker schon auf Grund seines Fahrverhaltens eine Verkehrslage geschaffen hat, die zu einer Beschädigung des neben ihm stehenden Pkw führen kann; der Lenker hat sich in einer solchen Situation zu vergewissern, ob er Schaden zugefügt hat oder nicht. Wenn dazu der Blick in den Rückspiegel nicht ausreicht, ist es auch zumutbar, kurz anzuhalten und sich umzuwenden, speziell bei einem vom Lenker des betreffenden Pkw abgegebenen Hupsignal (vgl VwGH v 26.9.1990, 90/02/0039).

 

Die Bw hat offenbar sehr wohl bemerkt und wurde nach ihren Aussagen auch von ihrer Enkelin darauf hingewiesen, dass es "knapp" gewesen sei. Die Lenkerin des hinter ihr anhaltenden Pkw hat gehupt, was der Bw nach ihren eigenen Aussagen auch aufgefallen ist. Trotzdem hat sie zwar kurz angehalten, um von Rückwärts- auf Vorwärtsfahrt zu wechseln, sie hat jedoch in keiner Weise ihre Aufmerksamkeit der Zeugin S bzw deren Pkw zugewendet, um sich wegen des geringen Abstandes zum Pkw S im Zuge des Ausparkens zu vergewissern, ob sie einen Sachschaden verursacht hat. Dass die Bw weder einen Anstoß gehört noch gespürt hat, ist nachvollziehbar, wenn zB dieser im Ausrollen oder beim von der Bw beschriebenen Umgebungslärm passiert ist. Abgesehen davon sind Kunststoffteile wie zB Stoßstangenecken aus Kunststoff in der Lage, ein Anstoßgeräusch weitgehend zu schlucken. Dass die Bw aber trotz des ihr jedenfalls Bewusst-Werden-Müssens ihres sehr geringen Abstandes zum dahinter stehenden Pkw, der sogar der 12jährigen Enkelin aufgefallen ist, die mit Sicherheit keinerlei Fahrgefühl für Rückwärtsfahren hatte, jedoch trotzdem feststellte, dass das knapp gewesen sei, und obwohl ihr selbst auffiel, dass die Lenkerin des Pkw, zu dem sie einen sehr geringen Abstand eingehalten hatte, gehupt hat, die Fahrt fortsetzte, ohne sich zu überzeugen, dass das knappe Ausparkmanöver keine Folgen nach sich gezogen hat, ist ihr im Lichte der oben zitierten Judikatur hingegen sehr wohl vorwerfbar. In diesem Licht ist auch die Aussage des Sachverständigen zu sehen, dessen Aufgabe es jedoch nicht war, rechtliche Überlegungen anzustellen.

Die Klärung, welche Schäden beim Vorfall entstanden sind und welche schon früher vorhanden waren, ob die Schäden übereinstimmen, ob eine Aussage aus welchen Gründen immer als falsch oder richtig zu werten ist, ob die Vermutung, jemand wolle sich eine ihm nicht zustehende Geldsumme auf ungehörige Weise beschaffen, sich



als richtig erweist oder nicht, welche Farbe eine Abriebspur haben müsste, wäre sie von einem bestimmten Fahrzeug verursacht worden - alle diese Fragen sind nicht Gegenstand dieses Verwaltungsstrafverfahrens und hier nicht zu behandeln. Durch
die Meldepflicht des § 4 Abs.5 StVO soll nämlich schlicht und einfach die Möglichkeit gewährleistet werden, klarstellen zu können, mit wem man sich in der Folge hinsichtlich der Schadensregulierung auseinanderzusetzen haben wird (vgl VwGH v 19.12.1975, 2085/74, ua).

Dass bei beiden Pkw jedenfalls auf den ersten Blick übereinstimmende und dem von der Zeugin und der Bw beschriebenen Vorfall zuzuordnende Schäden bestanden haben und somit zweifellos von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden auszugehen ist, an dem die Bw ursächlich beteiligt war, besteht kein Zweifel. Es war daher davon auszugehen, dass die Bw, die trotz nicht stattgefunden habendem Identitätsnachweis keine Meldung an die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle erstattet hat, sondern erst nach der Unfallmeldung der Zeugin hin von Beamten des GP Gunskirchen als Lenkerin ermittelt wurde, den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO bis zu 726 Euro Geldstrafe bzw für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

 

Die Erstinstanz hat die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Bw zutreffend als mildernd gewertet, jedoch auch den "Unrechtsgehalt der Tat" als erschwerend berücksichtigt, was im Sinne einer verbotenen Doppelverwertung im Sinne des § 19 VStG als unrechtmäßig anzusehen ist. Die Strafe war somit entsprechend herabzusetzen.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung als auch den finanziellen Verhältnissen der Bw (der Schätzung der Erstinstanz laut Niederschrift vom 27.8.2002 auf 800 Euro Nettomonatseinkommen bei fehlendem Vermögen und Sorgepflichten wurde nicht widersprochen). Erschwerend war kein Umstand.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.



Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 
 

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