Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-109037/9/Fra/Ka

Linz, 05.11.2003

 

 

 VwSen-109037/9/Fra/Ka Linz, am 5. November 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn AB, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. JP, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 1.4.2003, VerkR96-1954-2002, betreffend Übertretung des § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird antragsgemäß Folge gegeben. Der Schuld- und Strafausspruch hat wie folgt zu lauten:

"Sie lenkten am 1.3.2002 um 16.50 Uhr das Mtorrad, Marke Yamahy YZF 750 R, Kz.: im Gemeindegebiet 5232 Kirchberg b.M., auf der L1050, und haben die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h bei Strkm. 3,230 um 91 km/h überschritten.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 20 Abs.2 StVO 1960.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 350 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen verhängt."

 

II. Der Kostenbeitrag für das Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 10 % der neu bemessenen Strafe, ds. 35 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG; §§ 16 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:
 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.c leg.cit. eine Geldstrafe von 1.000 Euro (EFS 15 Tage) verhängt, weil er am 1.3.2002 um 16.50 Uhr das Motorrad, Marke Yamaha YZF-750 R, Kennzeichen , im Gemeindegebiet 5232 Kirchberg b.M. auf der L 1050, aus Richtung Kirchberg b.M. kommend in Richtung Pfaffstätt gelenkt und die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h bei Strkm.3,230 um 91 km/h überschritten hat. Bei Strkm.3,271 befindet sich die westliche Ortsausfahrt von Siegersthaft, bei Strkm.3,007 befindet sich die mittlere Ortsausfahrt von Siegersthaft und Ortsausfahrt von Edt, bei Strkm.2,922 befindet sich die mittlere Ortsausfahrt von Siegersthaft sowie die Ausfahrt vom Gasthaus S und eine Tankstellenausfahrt mit teilweiser Sichtbehinderung in Fahrtrichtung Kirchberg durch eine Hecke und ein aufgestelltes Schild. Weiters befindet sich bei Strkm.2,685 die östliche Ortsausfahrt von Siegersthaft mit einer starken Sichtbehinderung in Fahrtrichtung Kirchberg durch Sträucher und Hecken.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Der Bw stellt das Ausmaß der ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung darin außer Streit, er vertritt jedoch die Rechtsansicht, dass als Strafnorm im gegenständlichen Fall die Bestimmung des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 heranzuziehen wäre und nicht jene des § 99 Abs.2 lit.c leg.cit., da besonders gefährliche Verhältnisse nicht vorgelegen seien. Der Beschuldigte verweist auf seine Stellungnahmen vom 11.4.2002, vom 21.11.2002 und vom 25.2.2003. In diesen Stellungnahmen hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die oa Ausfahrten keine besonders gefährliche Verhältnisse zu begründen vermögen, weil die Vorrangverhältnisse klar seien und jeder Verkehrsteilnehmer, der sich diesen Kreuzungen annähert, unmittelbar vor dem Einfahren in die L 1050 gute Sicht in beide Richtungen habe. Was die Ausfahrt vom Gasthaus S anlange, so sei diese so ausgestaltet, dass sich der Parkplatz direkt an der Landesstraße befindet und von dieser baulich nicht getrennt ist. Von diesem Parkplatz aus sei die Sicht auf die Landesstraße einwandfrei. Wenn von einer Sichtbehinderung durch ein Verkehrsschild sowie Sträuchern und Hecken gesprochen werde, so sei dazu festzuhalten, dass man von den genannten Ausfahrten in keinem einzigen Fall die Landesstraße in gerader Richtung übersetzen könne. Es handle sich bei allen Kreuzungen um sogenannte T-Kreuzungen, die benachrangten Verkehrsflächen finden gegenüber der Landesstraße keine Fortsetzung, weswegen nicht die Gefahr bestehe, dass jemand unvorsichtig und mit hoher Geschwindigkeit die Landesstraße übersetze. Von diesen Ausfahrten könne man lediglich nach links in Richtung Pfaffstätt und nach rechts in Richtung Kirchberg jeweils 90 Grad in die Landesstraße einbiegen, was nur mit geringer Geschwindigkeit möglich sei.

 

Bezugnehmend auf den Befund und das Gutachten des Amtssachverständigen für KFZ-Technik, Ing. Hn, vom 25.10.2002, AZ. VT-0100004871-2002-Hag, führte der Bw in seiner Stellungnahme vom 21.11.2002 ua aus, dass am 1.3.2002 kein Bewuchs vorhanden gewesen sei, was eine entscheidende Änderung der Sichtverhältnisse in seine Fahrtrichtung mit sich bringe. Von jener Stelle, von welcher das Lichtbild 1 aufgenommen wurde, bestehe eine Sicht von bedeutend mehr als einem halben Kilometer in Richtung Pfaffstätt. Der auf Seite 3 des Gutachtens angeführte Schaukasten beeinträchtige die Sicht nur punktuell. Nähert sich in diesem Bereich jemand der von ihm befahrenen, bevorrangten Landesstraße, habe er vor Erreichung des Kastens gute Sicht auf den ankommenden Verkehr aus beiden Richtungen. Der Schaukasten behindere dann nur kurzfristig die Sicht nach rechts, dann bestehe aber wieder ungehinderte Sicht auf die Siegertshafter Landesstraße, bevor die Fluchtlinie zu dieser erreicht wird. Die Straßenverhältnisse seien damals ebenso wie Sicht- und Verkehrsverhältnisse optimal gewesen. Es haben sich keine andere Verkehrsteilnehmer vor Ort befunden. Zu Unrecht habe der Sachverständige seiner Berechnung eine Geschwindigkeit von 197 km/h zugrunde gelegt. Vielmehr wäre eine solche von 191 km/h anzusetzen gewesen.

 

In seiner Stellungnahme vom 25.2.2003 brachte der Beschuldigte vor, es sei unzulässig, wenn in Bezug auf Lichtbild 1 davon ausgegangen werde, dass auf der gesamten Sichtstrecke von 230 m diese Geschwindigkeit eingehalten wurde, was weder der Fall noch technisch möglich sei, da in seiner Fahrtrichtung die Kilometrierung absteigend ist und er die ihm zur Last liegende Geschwindigkeit erst bei Kilometer 3,23 erreicht habe. Jene Linkskurve, welche auf dem Lichtbild 2 zu sehen ist, und wo der Sachverständige einen Pfeil eingezeichnet hat, sei mit dieser Geschwindigkeit nicht annähernd zu bewerkstelligen. Von dort aus habe er eigentlich richtig beschleunigt, weswegen es unzulässig sei, schon ab diesem Punkt eine Geschwindigkeit von 191 km/h anzunehmen. Diese sei dort bei maximal 120 km/h gelegen. Gehe man von einem derart gut motorisiertem Motorrad von einem Beschleunigungsvermögen von 4 m/s2 aus, so komme man am besagten Punkt auf eine Beschleunigungsausgangsgeschwindigkeit von etwa 32 m/s, das sind 115 km/h. Die punktuelle Betrachtung im KFZ-technischen Amtssachverständigengutachten sei somit nicht zulässig und erweitere sich die Sicht, je weiter man in den Bereich des Gasthofes S komme. Eine solche von lediglich 230 m sei dann nicht mehr gegeben, diese verbessere sich deutlich. Im Bereich des Gasthauses in Siegertshaft sehe man rund 1 km die Landesstraße ein. Dies sei auch ein Grund, warum er in seinen bisherigen Stellungnahmen auf die Wichtigkeit dieses Umstandes hingewiesen habe, dass am 1. März der auf den Lichtbildern ersichtliche rechtsseitige Bewuchs nicht gegeben gewesen sei und daher eingeschränkte Sicht bestanden habe.

 

In seinem Rechtsmittel führt der Beschuldigte aus, dass sich die Flora am Vorfallstag völlig anders gestaltet habe als zu jenem Zeitpunkt, an welchem der KFZ-technische Amtssachverständige vor Ort Befund und Lichtbilder aufgenommen hat, nämlich am 26.9.2002. Sein Verteidiger habe am 16.4.2003 gegen 11.00 Uhr vom in Rede stehenden Bereich einige Lichtbilder aufgenommen. Die äußeren Bedingungen seien zum Zeitpunkt der Aufnahme dieser Fotos ident gewesen mit jenem am 1.3.2002. Auch damals habe Sonnenschein geherrscht, die Sicht sei gänzlich unbeeinträchtigt gewesen, die Fahrbahn trocken und es sei kein Verkehrsteilnehmer auf der L 1050 unterwegs gewesen. Es haben sich auch keine Fußgänger auf bzw neben der Fahrbahn befunden. Das erste in diesem Rechtsmittelschriftsatz enthaltene Foto sei in seine damalige Fahrtrichtung ca. 850 m vor dem Gasthaus S, Siegertshaft, Gemeinde Kirchberg b.M., aufgenommen worden und belege dieses, dass die vom KFZ-technischen Sachverständigen am 26.9.2002 festgestellte Sicht von 230 m auf den do. Schaukasten vor dem Gasthaus viel zu gering aufgenommen worden sei; dies mag daran liegen, dass jene Bäume, welche man auf dem Lichtbild auf Seite 2 des Befundes vom 25.6.2002 sieht, am 16.4.2003 und somit auch am 1.3.2002 keine Blätter hatten, was die Sicht enorm vergrößert habe. Das nächste Lichtbild zeige vom besagten Standort 850 Meter oberhalb des Gasthauses S den gesamten weiteren Verlauf der Siegertshafter Landesstraße in Richtung Mattighofen. Von dort sehe man nicht nur bis zum besagten Gasthaus, weit darüber hinaus eine Strecke von der Distanz von 2.400 Meter ein. Vom Tatort sehe man den weiteren Straßenverlauf auf ca. 1,9 km ein. Das nächste Lichtbild vom 16.4.2003 zeige die Siegertshafter Landesstraße entgegen seiner damaligen Fahrtrichtung. Dieses wurde einige hundert Meter vor jenem Punkt aufgenommen, welchen man von der oben bezeichneten Stelle 850 m oberhalb des Gasthauses S immer noch einsehen könne. Kurz nach diesem Punkt beginne ein kurzes Waldstück, welches man dann von der bezeichneten Stellen nicht mehr einsehen kann. Daraus ergebe sich, dass in seine damalige Fahrtrichtung gesehen ab einer Entfernung von 850 m oder etwas mehr oberhalb des Gasthauses S Sicht über den gesamten weiteren Fahrbahnverlauf in einem Ausmaß von zumindest 2.400 Meter gegeben sei. Besonders gefährliche Verhältnisse seien daher nicht vorgelegen. Die vom KFZ-technischen Sachverständigen festgestellte Sicht im Ausmaß von 230 m sei in Anbetracht der am 1. März bestandenen Vegetationsverhältnisse bedeutend zu kurz.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.4. Aufgrund des Berufungsvorbringens hat der Oö. Verwaltungssenat ein KFZ-technisches Gutachten zu der Frage eingeholt, ob die vom Bw angeführten Sichtverhältnisse den Tatsachen entsprechen und ob die in der Stellungnahme des Bw vom 25.2.2003 angestellten Berechnungen technisch nachvollziehbar sind.

 

Der Amtssachverständige Ing. H führt dazu in seinem Gutachten vom 25.9.2003, Zl. VT-010191/822-2003-Hag aus, am 12.8.2003 einen Lokalaugenschein durchgeführt zu haben und dabei die Kilometerkalibrierung überprüft zu haben, da bei dem am 26.9.2002 durchgeführten Lokalaugenschein eine Straßenbaustelle vorhanden war und die Richtung der Straßenkilometerkalibrierung sowie der Standort des Gendarmeriebeamten telefonisch mit dem Gendarmerieposten Palting abgeklärt werden musste, da aufgrund der Straßenbaustelle im gegenständlichen weitläufigen Bereich keine Kilometerangaben vorhanden gewesen sind. Aufgrund dieser Nachprüfung zeigte sich, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht wie angenommen durchgeführt worden ist. Die ursprüngliche Annahme geht davon aus, dass der Motorradfahrer beim Bergabfahren gemessen wurde und bei der Messung auf den Gendarmeriebeamten zufuhr (Gutachten vom 25.10.2002 bzw. 21.1.2003). Aus der Sicht des Gendarmeriebeamten muss sich aufgrund der am 12.8.2003 vorhandenen Straßenkilometerkalibrierung der Motorradfahrer vom Beamten während der Messung entfernt haben und wurde auf einem praktisch ebenen Straßenabschnitt gemessen. Dieser Umstand hat auf die Geschwindigkeitsmessung keinen Einfluss, aber der befahrene Streckenabschnitt und die Sichtverhältnisse stellen sich dadurch anders dar. Die ursprünglich zugrunde gelegten Sichtverhältnisse beziehen sich daher aus Sicht des Beschuldigten auf einen Streckenabschnitt vor der Geschwindigkeitsmessung. Den Streckenabschnitt im Bereich der Geschwindigkeitsmessung in Fahrtrichtung des Bw stellt der Sachverständige schließlich anhand von Lichtbildern dar, wobei die Messung in jenem Bereich erfolgt ist, welcher auf dem Lichtbild 1 mit einem Pfeil versehen ist. Die Sicht ist in Fahrtrichtung des Motorradfahrers nach rechts überhaupt nicht eingeschränkt, nach links liegt eine geringe Sichtbeeinschränkung durch die dort befindlichen Bäume (Lichtbild Nr.2) vor. Aus Sicht des Kreuzungsbereiches besteht in Richtung der Anfahrtsstrecke des Bw keine Sichteinschränkung, Verkehrsteilnehmer im Kreuzungsbereich haben eine ausreichende Sicht auf den ankommenden Verkehr, da keine Sichteinschränkung vorliegt. Die Sichtverhältnisse auf den links gelegenen Parkplatz (Lichtbild Nr.4) sind durch die erkennbaren Ständer mit Hinweis- bzw Werbetafeln eingeschränkt, ca. 100 m , etwa 550 m nach der Messstelle, befindet sich eine Straßeneinmündung, die ohne Feldbewuchs zur Gänze einsehbar ist. Da die Messung Anfang März erfolgte, wird zum Vorfallszeitpunkt wahrscheinlich nur eine geringe Sichtbeschränkung durch Äste und Sträucher vorhanden gewesen sein (Lichtbild Nummer 5). Aus 191 km/h beträgt der Anhalteweg mindestens 233 m bei einer Reaktionszeit von 0,6 sec. und einer Anhaltezeit von ca. 6 Sekunden. Bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit beträgt der Anhalteweg 71 m und die Anhaltezeit ca. 3,3 sec.

 

Der Bw merkt in seiner abschließenden Stellungnahme vom 22.10.2003 zum oa Gutachten an, dass die zwischen den Lichtbildern 1 und 2 angeführte Distanz von ca. 160 m bis zur nächstgelegenen Kreuzung, welche auf dem Lichtbild 2 erkennbar ist, nicht stimmen könne, weil auf Seite 3 des Gutachtens angeführt ist, dass ca. 60 m nach diesem Kreuzungsbereich und ca. 310 m nach der Messstelle sich das Gasthaus S mit seinem Parkplatz befinde. Er sei diese Strecke nochmals abgefahren und habe feststellen können, dass die vom Sachverständigen angegebene Distanz von 160 m zwischen der erstgenannten Kreuzung und dem Beginn des Gasthausparkplatzes ebenso richtig sei, wie die angegebene Distanz von 310 m (Beginn des Parkplatzes bis zur Vorfallsstelle), woraus sich aber zwingend ergebe, dass die Distanz zwischen Messstelle und (der ersten) Kreuzung, welche sich auf dem Lichtbild 2 befinde, somit nicht rund 160 m sondern 250 m beträgt. Ganz abgesehen davon, dass er im Sinne der Ausführungen des technischen Amtssachverständigen auf diese Distanz das Motorrad auch aus einer Geschwindigkeit von 191 km/h (auf 233 m) zum Stillstand bringen könne und somit Gefahren, welche sich mit dem Vorhandensein dieser Kreuzung ergeben könnten, nicht mehr vorliegen, sei es so, dass die Sichtverhältnisse an dieser Kreuzung und von dieser Kreuzung in seine Annäherungsrichtung sehr gut seien, weswegen unter diesen drei Prämissen besonders gefährliche Verhältnisse keinesfalls vorliegen. Dass die erstangeführte Distanz nicht 160 m, sondern rund 250 m beträgt, ergebe sich auch aus dem Lichtbild 1, welchem man entnehmen kann, dass die Distanz vom Messort bis zur Kreuzung sich über 8 bis 9 Leitpflöcke erstreckt. Die seines Erachtens geringe Sichtbeeinträchtigung durch die Werbetafel am Parkplatz des Gasthauses S könne sich somit nicht zu seinen Ungunsten auswirken, diese befindet sich in einer Distanz von 310 m zum Messort.

 

Das oa abschließende Vorbringen des Bw bezüglich der Distanz von der Messstelle bis zur nächstgelegenen Kreuzung ist plausibel und wird daher als erwiesen festgestellt. Zum oa Gutachten des Amtssachverständigen vom 25.9.2003 hat die belangte Behörde innerhalb der eingeräumten Frist keine Stellungnahme eingebracht. Dieses Gutachten ist schlüssig und nachvollziebar und werden die darin festgestellten Sachverhaltselemente bezüglich Sichtverhältnisse als erwiesen festgestellt. Aufgrund dieses Beweisergebnisses ist rechtlich auszuführen:

 

Es kann dahingestellt bleiben, ob die in der tatsächlichen Fahrtrichtung des Bw vorliegenden Sichtverhältnisse für die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse im Sinne des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 ausreichen, zumal hinsichtlich dieser Sachverhaltselemente keine rechtzeitige Verfolgungshandlung vorliegt. Eine solche liegt lediglich hinsichtlich der spruchgegenständlichen Sachverhaltselemente vor. Unter diesem Aspekt ist es aber nicht nachvollziebar, weshalb die belangte Behörde im angefochtenen Schuldspruch zwar allenfalls strafsatzbegründende Umstände im Sinne des § 99 Abs.2 lt.c leg.cit. aufgenommen hat, andererseits jedoch auf Seite 3 des angefochtenen Straferkenntnisses anführt, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in einem Ausmaß von 91 km/h schlechthin geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Der Bw verweist hiezu auf die Mosaiktheorie, welche zu § 81 Z1 StGB entwickelt wurde. Demnach sei die außergewöhnlich hohe Unfallwahrscheinlichkeit im Wege wertender Gesamtschau zu beurteilen und aus der Häufung mehrerer unfallträchtiger Faktoren abzuleiten. In diesem Zusammenhang habe die Judikatur im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsüberschreitungen besonders gefährliche Verhältnisse bei schlechten Sicht- bzw Fahrbahnverhältnissen angenommen, bei Übermüdung bzw Alkoholisierung oder bei Fahrzeugmängeln. Der Bw verweist auch auf den Aufsatz von Professor GG in ZVR. 1991/ 70 ff. Dieser Autor habe an Hand der verwaltungsgerichtlichen Judikatur ausgeführt, dass auch zu Geschwindigkeitsüberschreitungen als wohl einer der häufigsten und schwerwiegendsten Unfallursachen zur Begründung der besonderen Gefährlichkeit zusätzliche Sachverhaltselemente hinzukommen müssen, insbesondere beeinträchtigte Sichtverhältnisse, ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit oder starkes Verkehrsaufkommen. Weiters gehören hiezu Verlauf und Breite der Straße und die körperliche und geistige Verfassung des Lenkers. Die Siegertshafter Landesstraße sei fast 6 m breit. Im Bereich des Tatortes sei auch kein Ortsgebiet, weswegen auch jene Gefahren nicht gegeben gewesen seien, welche ein Ortsgebiet mit sich bringe.

 

Der Oö. Verwaltungssenat folgt der oa Argumentation des Bw insoferne, als er hiezu auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verweist. Dieser hat beispielsweise im Erkenntnis vom 5.12.1984, Zl. 84/011/0045, ausgeführt, dass eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 50 km/h alleine, ohne besondere zusätzliche Gefahrenmomente für andere Straßenbenützer keine besonders gefährlichen Verhältnisse begründet. Im Erkenntnis vom 20.2.1985, 84/011/0156, hat der VwGH ausgeführt, dass auch die Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Geschwindigkeit um 90 % dann nicht die Verletzung von Verkehrsvorschriften mit besonderer Rücksichtslosigkeit begründet, wenn zur Tatzeit kein anderer Straßenbenützer vorhanden war. Die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung wurde außerhalb des Ortsgebietes begangen, es herrschte zur Tatzeit gute Sicht, Sonnenschein und die Fahrbahn war trocken. Es war auch kein sonstiger Verkehrsteilnehmer auf der Fahrbahn unterwegs. Besonders gefährliche Verhältnisse können unter diesen Prämissen nicht angenommen werden, weshalb dem Berufungsantrag Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.

 
II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum