Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-109063/12/Li/Rd/Gam

Linz, 29.06.2004

 

 VwSen-109063/12/Li/Rd/Gam Linz, am 29. Juni 2004

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Linkesch über die Berufung der Frau H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 15. Mai 2003, VerkR96-30580-2002, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 23. Juni 2004 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 15.5.2003, VerkR96-30580-2002, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 58 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 52 lit.a Z2 StVO 1960 verhängt, weil sie am 17.9.2002 um 16.30 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen, in Vöcklabruck auf der Parkstraße in Richtung Oberstadtgries bis auf Höhe des Hauses Parkstraße Nr. 27 gelenkt habe, wobei sie das deutlich sichtbar aufgestellte Verbotszeichen "Einfahrt verboten", mit der Zusatztafel "ausgenommen Radfahrer" missachtet habe.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin begründend ausgeführt, dass die Bw gegen keine Verkehrsregeln verstoßen habe und ihre bisherigen Angaben aufrecht halte.

 

Im Einspruch vom 23.1.2003 gegen die Strafverfügung der belangten Behörde habe die Bw angegeben, dass sie im Haus Parkstraße beim arbeite. Beim Herausfahren stehe links ein großer Blumentrog mit dem Verkehrsschild. Für sie sei dieses Schild jedoch nicht einsehbar gewesen, da es in die andere Richtung gezeigt habe. Die Gendarmen hätten vielleicht angenommen, sie sei durchgefahren und hätten sie nicht aus der Parkstraße kommen sehen.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Akt sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung verbunden mit einem Lokalaugenschein am 23.6.2004. An der Verhandlung haben die Bw, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie der Zeuge RI H, teilgenommen.

 

Im Zuge des Lokalaugenscheines ergab sich für den Oö. Verwaltungssenat folgende Situation:

Das Haus Parkstraße Nr. 27 steht isoliert auf einem Privatgrundstück und ist sowohl von der westlichen als auch von der östlichen Zufahrt sowie auf der Rückseite von Parkplätzen umgeben, wobei in Richtung zur Parkstraße vor jeder der Einfahrten das Verkehrszeichen "allgemeines Fahrverbot" mit einer Zusatztafel "Privatgrundstück" und dem "Abschleppzeichen" - offensichtlich auf Privatgrund - aufgestellt ist. In der Parkstraße auf Höhe der nordöstlichen Ecke des Hauses Nr. 27 ist auf beiden Straßenseiten in Richtung Oberstadtgries das Verkehrszeichen "Einfahrt verboten", ausgenommen Omnibusse, Postfahrzeuge, Müllabfuhr und Fahrräder, angebracht. Diese Verbotszeichen sind ausschließlich aus Richtung Anton-Hesch-Gasse zu erkennen.

Im Bereich südöstlich des Hauses Nr. 27 befindet sich das Objekt Parkstraße Nr. 23. Es ist dies die Arbeitsstätte der Bw zum Tatzeitpunkt. Vor diesem Objekt befinden sich ebenfalls einige befestigte Parkplätze, die von den Mitarbeitern des benützt werden können. Die östlich gelegene Ausfahrt bietet die Möglichkeit nach rechts in die Parkstraße abzubiegen, ohne das erwähnte Fahrverbot zu verletzen. Etwa 15 m von dieser Ausfahrt nach einem Schutzweg in Verlängerung des Pioniersteges befand sich zum Tatzeitpunkt ebenfalls ein Blumentrog in derselben Art wie derjenige beim Verkehrszeichen "Einfahrt verboten" am südlichen Straßenrand der Parkstraße. Dieser Blumentrog wurde vermeintlich vor ca. einem halben Jahr entfernt.

 

Vom Bereich der Kreuzung Oberstadtgries/Parkstraße auf Höhe der Gärtnerei Holzleitner ist die Parkstraße in westliche Richtung auch bis zum Bereich der westlich gelegenen Ausfahrt einsehbar. Das Fahrverbot in diese Richtung, das auf Höhe des Pioniersteges angebracht war, ist nicht mehr existent.

 

Die Bw hat im Zuge der Berufungsverhandlung ausgesagt, dass es für sie unlogisch gewesen wäre, das Haus Parkstraße Nr. 27 zu umfahren, noch dazu in dem Wissen, dass es wegen solch überflüssiger Grundstücksbenutzung von den Bewohnern des Hauses Nr. 27 schon Beschwerden gegeben habe. Sie habe immer - so auch am Vorfallstag - nur die östlich gelegene Ausfahrt benützt und diese Vorgangsweise sei allein schon wegen der kürzeren Streckenführung logisch. Die östlich gelegene Ausfahrt sei damals auch von mehreren ihrer Arbeitskollegen zur Einfahrt in die Parkstraße benützt worden.

 

Der Meldungsleger RI H hat zeugenschaftlich einvernommen angegeben, dass er am Vorfallstag auf Höhe der Gärtnerei Holzleitner wahrgenommen habe, wie die Bw auf Höhe der westlichen von ihm als "erste" bezeichneten Ausfahrt des Hauses Parkstraße 27 in die Parkstraße nach rechts eingebogen sei bzw. sich in diesem Bereich, somit noch vor dem Verbotszeichen, auf der Parkstraße befunden habe. Er schließe eindeutig aus, dass er die Ausfahrten aufgrund deren Parallelität als auch wegen der gleichartigen Aufstellung der Blumentröge her verwechselt habe. Aufgrund der herrschenden Verkehrssituation war damals die Ausstellung eines Organmandats nicht möglich. Er habe generell keine Veranlassung einen Sachverhalt zur Anzeige zu bringen, der nicht der Wahrheit entspreche, einen Irrtum schließe er aus.

 

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 45 Abs.2 AVG iVm § 24 VStG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

 

Die anlässlich der oa Berufungsverhandlung zeugenschaftlich getätigten Angaben des Meldungslegers, der offensichtlich von der Wahrheit seiner Darstellung überzeugt war und einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, waren für sich betrachtet schlüssig. Der Ortsaugenschein hat für das erkennende Mitglied allerdings ergeben, dass jedenfalls bei einer höheren Verkehrsfrequenz und einer Distanz von etwa 70 m aus einem fahrenden PKW betrachtet angesichts einer völlig gleich gelagerten Situation im Bereich von nur etwa 10 m, ein Irrtum über einen tatsächlichen Tatort im Sinne einer Verwechslung nicht auszuschließen ist.

Widerspruchsfrei, glaubwürdig und schlüssig waren die Angaben der Bw, deren Schilderungen des Vorganges ebenso überzeugend waren, wie die des Meldungslegers. Sie waren sohin nicht als bloße Schutzbehauptung abzutun, sondern es muss ihnen das gleiche Gewicht zukommen wie der erwähnten Zeugenaussage. Auch wenn das Verkehrsgeschehen angesichts der zahlreichen Verwaltungsübertretungen auf diesem Gebiet keineswegs immer logisch abläuft, ist im Anlassfall tatsächlich kein Grund erkennbar, weshalb die Bw auf einen Umweg zur Parkstraße fahren und überdies damit ein Verkehrsvergehen dadurch in Kauf nehmen sollte.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. VwGH 13.11.1986, 85/16/0109).

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich kommt in Anbetracht der obigen Ausführungen zum Ergebnis, dass es der Bw zumindest gelungen ist, die Angaben des Meldungslegers insoweit iSd obigen Judikatur für weniger wahrscheinlich erscheinen zu lassen, als damit ein Schuldspruch hierauf nicht mehr gestützt werden kann.

Der Oö. Verwaltungssenat verkennt jedoch nicht, dass durchaus die Angaben des Zeugen den tatsächlichen Vorgängen mehr entsprochen haben könnten, als jene der Bw. Unter Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" war jedoch der Berufung Folge zu geben bzw das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Bw gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Linkesch