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VwSen-109074/6/Li/Rd/Gam

Linz, 03.06.2004

 VwSen-109074/6/Li/Rd/Gam Linz, am 3. Juni 2004

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Linkesch über die Berufung des K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 14. Mai 2003, VerkR96-2460-2002/Mg/Hel, wegen mehrerer Übertretungen der StVO 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 14.5.2003, VerkR96-2460-2002/Mg/Hel, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) Geldstrafen zu 1) 218 Euro und 2) 181 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen zu 1) 101 Stunden und 2) 84 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 2) § 4 Abs.5 StVO 1960 verhängt, weil er am 13.9.2002 um 8.55 Uhr das Sattelzugfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen mit dem Sattelanhänger mit dem amtlichen Kennzeichen im Gemeindegebiet von Aurolzmünster auf der B 143 an der Kreuzung der B 143 mit der L 510 Weilbacher Straße und der L 1083 Mehrnbacher Straße bei Strkm 9,100 der B 143 gelenkt und einen Verkehrsunfall verursacht habe, und als Person, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

  1. sein Fahrzeug nicht sofort angehalten und
  2. nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt habe, obwohl er jenen Personen, in deren Vermögen ein Schaden eingetreten sei, nicht seinen Namen und seine Anschrift nachgewiesen habe.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin ausgeführt, dass der Bw eine Vollbremsung deshalb hingelegt habe, um einen Unfall zu vermeiden, nicht einen zu verursachen. Es sei kein Unfall zu sehen gewesen bzw anzunehmen gewesen. Für den Bw habe es keinerlei Anzeichen eines Unfalles gegeben, zumal er der Unfallgegnerin diesbezüglich auch zugerufen habe, ob etwas passiert sei. Diese habe ihm mit Kopfbewegungen ein "Nein" signalisiert und habe sonst keinerlei Reaktion diesbezüglich gezeigt; sie sei sogar im Auto sitzen geblieben. Ebenso sei es für den Bw lebensfremd, wie ein Sattelschlepper der links in eine Kurve einfährt, ein gleichfalls links einbiegendes Auto streifen könne. Ein fachkundiger Sachverständiger könne dies ebenfalls als unmöglich ansehen. Als er vom angeblichen Unfall erfahren habe, habe er bei der zuständigen Dienststelle sofort Anzeige erstattet und zur Aufklärung des Falles beigetragen. Er sei sich keiner Schuld bewusst und habe auch keine Straftat begangen, weshalb das gesamte Straferkenntnis angefochten werde.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Vom Oö. Verwaltungssenat wurde ein Gutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen zu der Frage eingeholt, ob der Bw bei gehöriger Aufmerksamkeit den Anstoß optisch, akustisch oder durch Stoßreaktion wahrnehmen hätte müssen.

Im Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen der Abteilung Verkehrstechnik vom 14.5.2004 wurde Folgendes ausgeführt:

"Wie aus den Aktunterlagen hervorgeht, lenkte der Beschuldigte am 13.9.2002, gegen 8.55 Uhr ein Sattelkraftfahrzeug auf der B 143, im Bereich der Kreuzung Weilbacherstraße - Mehrnbacherstraße.

Der Beschuldigte bog bei dieser Kreuzung, aus seiner Sicht, in Form eines Linksbogens ab. Dabei streifte der Sattelaufleger wahrscheinlich mit dem linken hinteren Rad die vordere Stoßstangenecke eines Pkw, der im Kreuzungsbereich anhielt.

Beim Sattelaufleger konnte kein Schaden festgestellt werden, beim Pkw wurde das linke vordere Stoßstangeneck durch die Streifung abgeschürft. Weitere Schäden sind nicht bekannt.

 

Im Hinblick auf die Massenverhältnisse der beteiligten Fahrzeuge Pkw : Sattel KFZ ~ 1:40 ist für den Beschuldigten die Wahrnehmung der gegenständlichen Streifung als Stoß nicht nachweisbar, da die dadurch aufgetretene Fahrzeugverzögerung eindeutig unter der Wahrnehmbarkeitsgrenze lag.

 

Die Möglichkeit ein Streifgeräusch wahrzunehmen, kann aus technischer Sicht nicht nachgewiesen werden, da das Geräusch in Bezug auf den Beschuldigten ca. 15 m hinter ihm eingeleitet worden ist, wodurch das Geräusch für den in einer schallgedämmten Kabine sitzenden Lenker so weit absorbiert wurde, dass eine eindeutige Wahrnehmung nicht mehr nachgewiesen werden kann.

Unter der Annahme, dass an der Streifung ausschließlich ein Reifen des Auflegers beteiligt gewesen ist, war der Schallpegel relativ gering. Eventuelle Ladungsgeräusche beim Kurvenfahren können zusätzlich einen Schallpegel verursachen, der die eindeutige Wahrnehmung der Streifkollision für den Beschuldigten ausschließen.

 

Im Hinblick auf die optische Wahrnehmung der Streifung über den Fahreraußenspiegel ist festzuhalten, dass entsprechend der EU-Richtlinie 71/127/EWG der Sichtwinkel für den Fahreraußenspiegel zumindest 14 Grad betragen muss.

Da das Zugfahrzeug im Zuge des Abbiegens einen anderen Winkel als der Aufleger gehabt hat, kann der Mindestsichtwinkel von 14 Grad nicht ausgereicht haben, um die Berührungsstelle einzusehen.

Im Hinblick auf das Abbiegemanöver kann der Berührungsbereich für den Beschuldigten im "Toten Winkel" des Außenspiegels gelegen sein, so dass die Berührungsstelle aus Sicht des Beschuldigten nicht einsehbar gewesen ist.

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall aus technischer Sicht eine eindeutige Wahrnehmbarkeit des Sachschadens nicht nachweisbar ist."

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 4 Abs.5 leg.cit. haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die in Abs.1 angeführten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

5.2. Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht nach § 4 Abs.1 lit.a und Abs.5 StVO 1960 ist nicht nur das objektive Tatbildmerkmal des Eintritts eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände (Anstoßgeräusch, ruckartige Anstoßerschütterung) zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. VwGH vom 6.7.1984, 82/02 A/0072, VwGH vom 23.5.2002, 2001/03/0417).

Nur das Ausmaß der Spuren am Fahrzeug (Länge, Breite, Tiefe, allenfalls Verlauf) wird eine sachverständige Antwort auf die Frage ermöglichen, ob eine Kollision, die derartige Spuren hinterließ, nach Geräusch und Erschütterung vom Lenker eines beteiligten Kfz bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerkt werden müssen oder ob der streifende Kontakt nur außerordentlich geringfügig war, sodass die Wahrnehmung durch den Lenker eher unwahrscheinlich erscheint. Der bloße Hinweis auf die praktischen Erfahrungen allein genügt nicht (VwGH 23.2.1976, 285/74).

 

5.3. Der Bw hat sich vehement von beiden Tatvorwürfen mit dem Vorbringen distanziert, keinerlei Wahrnehmungen vom verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall gemacht zu haben.

Aufgrund des oa schlüssigen Gutachtens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen, wonach dem Bw keine eindeutige Wahrnehmung des Verkehrsunfalls nachweisbar ist, lag eine wesentliche Voraussetzung für ein strafbares Verhalten, nämlich die Vorwerfbarkeit der Nichtwahrnehmung des Verkehrsunfalls, nicht vor, weshalb mit der Stattgebung der Berufung vorzugehen war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Linkesch

 

 
 

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