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des Landes Oberösterreich
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VwSen-109081/27/Kl/Sta

Linz, 03.02.2004

 

 

 VwSen-109081/27/Kl/Sta Linz, am 3. Februar 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des CS, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. JB, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 8.5.2003, VerkR96-2121-2002, wegen Verwaltungsübertretungen nach der StVO 1960 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 16.1.2004, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 8.5.2003, VerkR96-2121-2002, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 145 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen (in drei Fällen), wegen Verwaltungsübertretungen nach 1. § 16 Abs.1 lit. c) StVO 1960,

2. § 16 Abs.1 lit. a) StVO 1960 und

3. § 16 Abs.2 lit. b) StVO 1960 verhängt,

weil er am 16.3.2003 um 13.55 Uhr den Pkw Opel Ascona mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet von Freinberg auf der L515 Eisenbirner Straße bei Strkm 23,270 in Richtung Schardenberg gelenkt hat, wobei

1. er als Lenker eines Fahrzeuges verbotenerweise überholt hat, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er das Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen werden könne;

2. als Lenker eines Fahrzeuges verbotenerweise überholt, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten und

3. als Lenker eines Fahrzeuges auf einer unübersichtlichen Straßenstelle (Kurve) verbotenerweise überholt hat.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin nach Verfahrensergänzung die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens begehrt. Begründend wurde ausgeführt, dass die von der Behörde I. Instanz zu Grunde gelegte Berechnung des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen kein Gutachten darstellt und nach Durchsicht des Aktes lediglich ein paar handschriftliche Notizen angefertigt wurden. Dies stellt keine taugliche Grundlage dar und kann nicht überzeugen. Darüber hinaus habe der Amtssachverständige zu Ungunsten des Beschuldigten eine Geschwindigkeit von 50 km/h durch die Lenkerin F zu Grunde gelegt, was nicht den Tatsachen entspreche, weil der Beschuldigte eine Fahrgeschwindigkeit der Zeugin F von max. 40 km/h angibt. Dies hätte jedenfalls einer zweiten Berechnung zu Grunde gelegt werden müssen. Unter Zugrundelegung einer max. Geschwindigkeit von 40 km/h würde dies eine geringere Überholstrecke bedeuten und daher ein gefahrloses Überholmanöver. Auch sei einem Laien nicht erkennbar, dass eine Überholwegstrecke von fast einem halben Kilometer für ein gefahrloses Überholmanöver erforderlich sei. Auch sei den Berechnungen des Sachverständigen nicht entnehmbar, ob er die max. mögliche Beschleunigung des Pkw's des Beschuldigten zu Grunde gelegt hat. Auch sei eine sogenannte Überschussgeschwindigkeit von mehr als 50 km/h durch den Beschuldigten vom Sachverständigen nicht berücksichtigt worden. Auch habe der Beschuldigte sein Überholmanöver viel früher eingeleitet, sodass ihm eine freie Sichtweite von zumindest 350 m zur Verfügung stand, also eine ausreichende Sichtweite, um ein ordnungsgemäßes und gefahrloses Überholmanöver durchführen zu können. Auch sei die Aussage der Zeugin B nicht richtig wiedergegeben worden, insbesondere sei diese schon auf die Eisenbirner Landesstraße gefahren. Dies hätte zur Folge, dass auch diese eine Vorrangverletzung begangen hätte, zumal sich der Vorrang nicht nur auf den rechten Fahrstreifen, sondern auf die ganze Fahrbahn erstreckt. Es könne daher nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen tatsächlich begangen hat.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16.1.2004, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und erschienen sind. Weiters wurde TAR Ing. RH als verkehrstechnischer Amtssachverständiger zur Gutachtenserstattung geladen. Darüber hinaus sind auch die geladenen Zeugen AB, MB und Bez.Insp. KF erschienen und einvernommen worden.

Der einvernommene Zeuge Bez.Insp. KF gab an, dass er zum angegebenen Zeitpunkt Richtung Schardenberg unterwegs war, wobei seine Gattin die Lenkerin war und er am Beifahrersitz saß. Seine Gattin überholte zunächst einen Radfahrer und schon zu diesem Zeitpunkt machte er die Wahrnehmung, dass hinter ihrem Pkw ein anderer Pkw fuhr. Auf Höhe ÖBB-Bushaltestelle und nachfolgendem Schotterdepot überholte dann der hinter ihnen gefahrene Pkw des Beschuldigten. Seine Gattin sagte ihm dann zwischen 50 und 60 km/h gefahren zu sein. Der Pkw hat zügig überholt. Dabei hat der Zeuge auch den Pkw auf dem Güterweg Feldschmiedsiedlung gesehen. Dieser Pkw war mit der Motorhaube schon auf der L515, und zwar zum Linksabbiegen eingeordnet, also in Richtung Schardenberg. Der Überholvorgang war aber schon vor der Einmündung des Feldschmiedweges beendet. Auch gab der Zeuge an, dass auf der Landesstraße sehr schnell gefahren wird, nämlich 100 km/h und manchmal auch mehr. Dies jedenfalls aus Richtung Schardenberg kommend, weil es bergab geht. Jedenfalls bekräftigte der Zeuge, dass seine Gattin 60 km/h gefahren ist und der Überholvorgang etwa 20 m vor der Einmündung des Feldschmiedweges beendet war.

Diese Aussagen erscheinen glaubwürdig und werden auch der Entscheidung zu Grunde gelegt. Hingegen konnte den weiteren Aussagen dieses Zeugen, dass der Pkw der Frau B aus dem Feldschmiedweg kommend nach links in die L515 eingebogen sei und dann vor dem Pkw F Richtung Schardenberg gefahren sei, nicht nähergetreten werden, weil dazu glaubwürdige Aussagen der Lenkerin B vorliegen, die auch dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung entsprechen. Im Übrigen gab der Zeuge in der mündlichen Verhandlung über Vorhalt dieses Sachverhaltes - nämlich dass die Lenkerin hinter ihm Richtung Schardenberg gefahren sei und durch Blinkzeichen zu verstehen gegeben hätte, das Fahrzeug anzuhalten - an, dass seither schon einige Zeit verstrichen ist und dies seine nunmehrige Erinnerung ist.

 

Die weiters einvernommene Zeugin MB gab glaubwürdig und widerspruchsfrei an, dass sie aus der Feldschmiedstraße kommend ihre Fahrt fortsetzte Richtung L515 und in diese nach rechts eingebogen ist, nämlich bergab in Richtung Haibach. Bei der Einmündung in die Landesstraße ist ihr Pkw angerollt und dabei hat sie plötzlich den roten Pkw auf ihrer Fahrbahnhälfte ihr entgegenkommend bemerkt. Sie hat dann stark abgebremst und nach Passieren des überholenden Pkw ihre Fahrt zunächst auf der Landesstraße fortgesetzt, ein Stück weiter vorne auf der Landesstraße, nämlich auf Höhe des Schotterdepots umgekehrt und dann die Fahrt auf der Eisenbirner Landesstraße in Richtung Schardenberg fortgesetzt. Dabei hat sie auf das Fahrzeug F aufgeschlossen und dieses angeblinkt, um es zum Anhalten zu bewegen. Dies ist auch geschehen und es wurde dann die Situation mit Frau F besprochen. Beim Einbiegen in die Landesstraße hat sie nach links und rechts gesehen und den Pkw der Ehegatten F gesehen. Den Pkw des Beschuldigten sah sie nicht, dieser kam erst bei Beginn des Einbiegevorganges sehr schnell auf die Landesstraße. Der Pkw des Beschuldigten ist dann links an ihr vorbei gefahren und zwar in die ihr entgegengesetzte Fahrtrichtung.

Der einvernommene Zeuge AB, der vom Berufungswerber namhaft gemacht wurde, hatte zum Vorgang keine Erinnerung und konnte daher keine Angaben machen.

 

Unter Zugrundelegung dieses festgestellten Sachverhaltes erstattete dann der verkehrstechnische Amtssachverständige Ing. RH in der mündlichen Verhandlung ein Gutachten zur vorhandenen und erforderlichen Sichtweite und des erforderlichen Überholweges:

Unter Zugrundelegung der Aussage der Zeugin B, die aus ihrer Sicht nach rechts in die Landesstraße einbog, also Fahrtrichtung Haibach, ist festzustellen, dass sie aus ihrer Sicht nach rechts eine Sichtweite gehabt hat von ca. 300 m. Unter Zugrundelegung der Angaben des Beschuldigten ist festzustellen, dass er das vor ihm fahrende Fahrzeug, einen VW Golf, mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 80 km/h überholt hat. Die Überschussgeschwindigkeit auf das vorausfahrende Fahrzeug, den Golf, der mit ca. 50 km/h unterwegs gewesen ist, beträgt daher ca. 30 km/h. Aus der Analyse des Überholvorganges ergibt sich, dass iSd Beschuldigten ein eigener Überholweg von ca. 140 m erforderlich war, berücksichtigt man den Gegenverkehr mit ca. 80 km/h so ist eine Gesamtüberholsichtweite von ca. 300 m erforderlich. Nach Rückrechnung auf den Ausgangspunkt des Überholvorganges ist festzustellen, dass vom Ausgangspunkt des Überholvorganges eine Gesamtsichtweite von ca. 330 m besteht, dh die Gesamtsichtweite größer war als der erforderliche einsichtbare Weg unter Berücksichtigung des Gegenverkehrs. Zum Zeitpunkt, als die beiden Fahrzeuge gleichauf waren und zwar das Fahrzeug vom überholten Golf, gelenkt von der Frau Flick, und das Fahrzeug des Beschuldigten, bestand in Bezug auf das einbiegende Fahrzeug, einen Daimler Benz, ein Abstand von ca. 100 m. Wenn man davon ausgeht, dass das einbiegende Fahrzeug gestanden ist oder langsam gerollt ist, war für diesen einbiegenden Daimler Benz die Sicht nach rechts ausreichend, um das überholende Fahrzeug auch vom Ansatz des Überholmanövers bereits erkennen zu können. Die Angaben des Beschuldigten in seiner Niederschrift sind aus technischer Sicht nachvollziehbar und zusammenfassend ist festzustellen, dass iSd Beschuldigten bei einer vorliegenden Sichtweite von 330 m und einem erforderlichen einsehbaren Weg von ca. 300 m ein Überholmanöver aus technischer Sicht vertretbar ist.

 

Das Gutachten ist schlüssig und konnte daher der Entscheidung zu Grunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 16 StVO 1960 darf ein Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten, oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist (Abs.1 lit. a), wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern (Abs.1 lit. c), bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird (Abs. 2 lit.b).

 

Im Grunde des festgestellten erwiesenen Sachverhaltes und des unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes eingeholten schlüssigen Gutachtens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen ist klar ersichtlich, dass für den Beschuldigten, der mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 80 km/h den vor ihm fahrenden Golf mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h überholte, ein eigener Überholweg von ca. 140 m erforderlich war, bei Berücksichtigung des Gegenverkehrs von mit ca. 80 km/h Geschwindigkeit, sohin eine Gesamtüberholsichtweite von ca. 300 m erforderlich war. Vom Ausgangspunkt des Überholvorganges war eine Gesamtsichtweite von ca. 330 m gegeben, also war die Gesamtsichtweite größer als der erforderliche einsichtbare Weg unter Berücksichtigung des Gegenverkehrs. Es war daher aus technischer Sicht bei einer vorliegenden Sichtweite von 330 m und einem erforderlichen einsehbaren Weg von ca. 300 m ein Überholmanöver vertretbar. Dies geht von für den Beschuldigten ungünstigen Verhältnissen aus, d.h. bei einer geringeren Geschwindigkeit des PKW Flick von 40 km/h ist der Überholweg kürzer und daher auch die erforderliche Überholsichtweite geringer.

Zum Zeitpunkt des Einbiegens aus dem Feldschmiedweg bestand ein Abstand von ca. 100 m zwischen den gleichauf fahrenden Fahrzeugen des Beschuldigten und des überholten Golf und dem Fahrzeug aus dem Feldschmiedweg. Ausgehend davon, dass dieses Fahrzeug gestanden ist oder langsam gerollt ist, war für dieses Fahrzeug die Sicht nach rechts ausreichend, um das überholende Fahrzeug auch vom Ansatz des Überholmanövers bereits erkennen zu können.

 

Es ist daher für den Oö. Verwaltungssenat erwiesen, dass der Berufungswerber die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat. Es war daher das Straferkenntnis in allen Punkten aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge (§ 66 Abs. 1 VStG).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. Klempt
 
Beschlagwortung:

Überholsicht, keine Gefährdung

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