Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109117/15/Zo/Pe

Linz, 01.10.2003

 

 

 VwSen-109117/15/Zo/Pe Linz, am 1. Oktober 2003

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau RMP, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. MP, vom 16.6.2003, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 20.5.2003, VerkR96-25359-2002/U, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 5.8. sowie 30.9.2003, zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2.  

  3. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II.: §§ 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Der Bezirkshauptmann von Linz-Land hat gegen die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs.2 iVm § 99 Abs.2c StVO eine Geldstrafe von 72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden, Verfahrenskostenbeitrag 7,20 Euro) verhängt, weil diese am 8.10.2002 um 14.00 Uhr in Linz auf der Dauphinestraße vor dem Schutzweg Höhe Haus Nr.180, in Richtung Lilienthalstraße, stadteinwärts, als Lenkerin des Pkw einem Fußgänger, der einen Schutzweg erkennbar benützen wollte, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht habe.

 

Diese Straferkenntnis wurde im Wesentlichen mit der Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz vom 11.10.2002 und den Zeugenaussagen der Polizeibeamten begründet. Für die Polizeibeamten sei klar erkennbar gewesen, dass die Fußgängerin den angeführten Schutzweg überqueren wollte, weil diese auf dem Fahrbahnteiler gestanden und in Richtung des ankommenden Verkehrs geblickt habe. Die Verwaltungsübertretung des § 9 Abs.2 StVO 1960 liegt bereits vor, wenn die Überquerungsabsicht des Fußgängers objektiv aus seinem gesamten Verhalten erkennbar ist.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher die Berufungswerberin vorbringt, dass keinesfalls klar gewesen sei, ob die Fußgängerin den Schutzweg überhaupt überqueren wollte. Sie habe trotz des Handzeichens des Polizeibeamten und der Tatsache, dass der linke Fahrstreifen frei gewesen sei, keine Anstalten gemacht, den Schutzweg zu benützen. Die Berufungswerberin habe daher nicht erkennen können, ob die Fußgängerin den Schutzweg benützen wollte oder nicht.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Linz-Land hat den Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt, eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gemäß § 51 Abs.1 VStG, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat, weil im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (§ 51c VStG).

 

In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass gegen die Berufungswerberin auch ein Führerscheinentzugsverfahren durchgeführt wurde, wobei die Berufung gegen diesen Bescheid von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenates bereits entschieden wurde und am 5.8.2003 eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt wurde.

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 5.8.2003 bei welcher die Berufungswerberin in Anwesenheit ihres Rechtsvertreters sowie der Meldungsleger RI W unter Hinweis auf Entschlagungsrechte und die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen sowie ein Ortsaugenschein am vorgeworfenen Tatort durchgeführt wurde. Am 30.9.2003 wurde der Lenker des Polizeifahrzeuges, RI K, in der fortgesetzten Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters der Berufungswerberin als Zeuge einvernommen.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Die Dauphinestraße weist am Tatort vier Fahrstreifen, nämlich zwei in jeder Fahrtrichtung auf, wobei die Fahrspuren durch Leitlinien getrennt sind, die Fahrstreifen selbst sind nicht gekennzeichnet. In der Mitte der Dauphinestraße befindet sich ein ca. 1,2 bis 1,5 m breiter Fahrbahnteiler, in diesem Bereich befindet sich auch der Schutzweg über die Dauphinestraße. Vom Tatort wurden Fotos angefertigt, welche dem Rechtsvertreter der Berufungswerberin zur Einsicht vorgelegt wurden.

 

Der Zeuge RI K lenkte damals den Funkstreifenwagen auf der Dauphinestraße stadteinwärts auf dem rechten Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h. Bei der Annäherung an den gegenständlichen Schutzweg hat er auf dem Fahrbahnteiler in der Mitte der Dauphinestraße eine Fußgängerin gesehen, welche in Blickrichtung Lilienthalstraße gestanden ist und für ihn offensichtlich die Fahrbahn überqueren wollte. Er hat die Fußgängerin bereits aus relativ großer Entfernung wahrgenommen und zwar war die Entfernung so groß, dass er ganz leicht vor dem Schutzweg anhalten konnte. Bei der Annäherung des Funkstreifenwagens an den Schutzweg befand sich zwischen diesem und dem Schutzweg kein weiteres Fahrzeug. Nach dem Anhalten vor dem Schutzweg hat der Zeuge mit der Fußgängerin Blickkontakt aufgenommen und ihr ein Handzeichen zum Überqueren der Fahrbahn gegeben. Die Fußgängerin hat jedoch den Schutzweg nicht betreten sondern wieder in Richtung stadtauswärts geblickt, woraufhin der Zeuge im Rückblickspiegel gesehen hat, dass sich die Berufungswerberin in dem von ihr gelenkten roten Ford auf dem linken Fahrstreifen angenähert hat. Die Berufungswerberin hat ihr Fahrzeug nicht vor dem Schutzweg angehalten sondern diesen mit etwa gleichbleibender Geschwindigkeit überquert, diese betrug ca. 40 bis 50 km/h.

 

In weiterer Folge wurde das Blaulicht eingeschaltet und die Nachfahrt aufgenommen. Nachdem auch der Funkstreifenwagen den Schutzweg überquert hatte, hat die Fußgängerin die Dauphinestraße auf dem Schutzweg überquert.

 

Die Berufungswerberin gab an, dass sie die Fußgängerin bei der Annäherung bereits ca. 200 m vor dem Schutzweg wahrgenommen hat und diese bereits zu dieser Zeit auf dem Fahrbahnteiler der Dauphinestraße gestanden ist. Weiters gab die Berufungswerberin an, dass sich vor dem Streifenwagen ein Kleinlastwagen befunden hat und sie den Schutzweg bereits vor diesem Kleinlastwagen und damit auch vor dem Streifenwagen überquert hat. Dies deswegen, weil der Kleinlastwagen rechts geblinkt hat und offensichtlich rechts abbiegen wollte und deshalb seine Geschwindigkeit entsprechend verringert hatte, während sie bereits mit der angegebenen Geschwindigkeit von max. 45 km/h auf dem linken Fahrstreifen weiter gefahren ist.

 

4.2. Im Rahmen der Beweiswürdigung gelangt das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenates zu der Auffassung, dass die Behauptung der Berufungswerberin, sie habe den Schutzweg bereits vor dem Streifenwagen überquert, nicht nachvollziehbar ist. Wäre dies tatsächlich der Fall gewesen, so hätten die Polizeibeamten keinen Grund gehabt, ihr Fahrzeug anzuhalten und mit der Fußgängerin Blickkontakt aufzunehmen, sondern sie hätten aufgrund der von ihnen vermuteten Verwaltungsübertretung wohl sofort das Blaulicht eingeschaltet und die Nachfahrt aufgenommen, ohne vor dem Schutzweg anzuhalten. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum die Polizeibeamten in der Anzeige und in ihren Zeugeneinvernahmen den Sachverhalt anders schildern sollen, weil der Verdacht der der Berufungswerberin vorgehaltenen Verwaltungsübertretung (nämlich das Behindern einer Fußgängerin, welche den Schutzweg benützen will) aus der Sicht der Polizeibeamten zum damaligen Zeitpunkt auch dann vorgelegen wäre, wenn sich der Sachverhalt so ereignet hätte, wie ihn die Berufungswerberin geschildert hat. Es besteht daher kein objektiv nachvollziehbarer Anhaltspunkt dafür, dass die Polizeibeamten irgendeinen Grund gehabt hätten, den Sachverhalt bewusst wahrheitswidrig zu schildern. Im Übrigen haben beide Gendarmeriebeamten bei der mündlichen Verhandlung einen sachlichen Eindruck hinterlassen und waren erkennbar bemüht, den Vorfall aus ihrer Erinnerung so objektiv wie möglich zu schildern.

 

5. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger oder Rollschuhfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, dass unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.

 

5.2. Entscheidend für die Beurteilung des gegenständlichen Falles ist die Frage, ob die Fußgängerin den Schutzweg erkennbar benützen wollte. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Rechtsvertreters der Berufungswerberin nicht darauf an, ob diese Überquerungsabsicht für die Berufungswerberin selbst subjektiv erkennbar war, sondern es ist als Maßstab für die Erkennbarkeit der objektive, sorgfältige und normtreue durchschnittliche Kraftfahrer heranzuziehen.

 

Auf den ersten Blick ist es objektiv nachvollziehbar, dass eine Fußgängerin, die sich allein auf Höhe eines Schutzweges auf dem Fahrbahnteiler einer vierspurigen Straße befindet und den ankommenden Verkehr beobachtet, diesen Schutzweg auch benützen will. Dennoch kommt es aber für die Erkennbarkeit des Überquerungswillens im Einzelfall auf das konkrete Verhalten des jeweiligen Fußgängers an. Die Behauptung der Berufungswerberin, sie habe die Fußgängerin bereits aus ca. 200 m Entfernung auf dem Fahrbahnteiler stehen gesehen, kann nicht widerlegt werden. Auch die Polizeibeamten haben die Fußgängerin erstmals gesehen, als sie bereits auf dem Fahrbahnteiler stand. Dies war zu einem Zeitpunkt, als sie noch so weit vom Schutzweg entfernt waren, dass der Lenker des Polizeiwagens diesen bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h noch völlig problemlos vor dem Schutzweg anhalten konnte. Nach dem Anhalten war noch ausreichend Zeit, um mit der Fußgängerin Blickkontakt aufzunehmen und ihr ein Handzeichen zu geben. Erst danach hat der Polizeibeamte die Berufungswerberin im Rückblickspiegel gesehen, dh sie hat sich auch zu diesem Zeitpunkt noch hinter dem Polizeifahrzeug befunden. Vor dem Polizeifahrzeug waren keine anderen Fahrzeuge. Aus dieser Situation ergibt sich, dass die Fußgängerin doch einen längeren Zeitraum zur Verfügung hatte, um mit dem Überqueren der Fahrbahn gefahrlos zu beginnen. Da sie in dieser Zeit aber keinerlei Anstalten dazu gemacht hat, war tatsächlich für einen objektiven Durchschnittsbetrachter nicht klar erkennbar, ob sie den Schutzweg zu diesem Zeitpunkt benützen will. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um eine augenscheinliche gesunde, normal gehfähige Person gehandelt hat und keine Hinweise auf eventuelle Überängstlichkeit der Fußgängerin objektiv erkennbar waren. Auch hat die Berufungswerberin eine angepasste bzw. für die örtliche Situation im Vergleich zu den übrigen Verkehrsteilnehmern sogar eine eher leicht unterdurchschnittliche Geschwindigkeit eingehalten, sodass sich auch aus ihrer Annäherungsgeschwindigkeit kein objektiver Grund für das Zögern der Fußgängerin ableiten lässt.

 

Zusammengefasst war daher in der gegenständlichen Situation auch für einen objektiven Durchschnittsbetrachter nicht klar erkennbar, ob die Fußgängerin den Schutzweg tatsächlich benützen wollte. Die Tatsache, dass der Lenker des Polizeifahrzeuges subjektiv von einer Querungsabsicht der Fußgängerin ausgegangen ist, ändert in diesem Zusammenhang nichts daran, dass aus dem Verhalten der Fußgängerin diese Querungsabsicht eben objektiv nicht erkennbar war, weshalb die Berufungswerberin die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung des § 9 Abs.2 StVO 1960 nicht begangen hat. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass gemäß § 17 Abs.3 StVO 1960 das Vorbeifahren an Fahrzeugen verboten ist, die vor einem Schutzweg anhalten, um Fußgängern das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Diese Verwaltungsübertretung gemäß § 17 Abs.3 StVO 1960 hat die Berufungswerberin nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zwar begangen, sie kann dafür aber nicht bestraft werden, weil ihr ein derartiger Tatvorwurf innerhalb der Verjährungsfrist nicht gemacht wurde. Aus diesem Grund musste das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Z ö b l

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