Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109186/13/BMa/Be

Linz, 21.06.2004

 

 

 VwSen-109186/13/BMa/Be Linz, am 21. Juni 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Berufung des Herrn J K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G K, vom 29. Juli 2003, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Wels vom 15. Juli 2003, Zl.
III-S-10.834/01/StVO B, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2004, zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als Spruchpunkt 2 und auch die gemäß Spruchpunkt 2 verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe aufgehoben wird. Im Übrigen wird die Berufung hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
  2.  

  3. Für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Spruchpunkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses in Höhe von 20% der verhängten Geldstrafe, d.s. 43,60 Euro, zu entrichten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 iVm. §§ 24, 51c, 51e, 64, 65 und 66 Verwaltungsstrafgesetz - VStG, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr.117/2002.
 
 
 

Entscheidungsgründe:
 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 14. Oktober 2001 um 19.45 Uhr in Gunskirchen, auf der B1 bei Strkm. 220,220 in Fahrtrichtung Wels als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen

  1. nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden habe, nicht sofort angehalten und
  2. nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden habe, es unterlassen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: zu 1) § 4 Abs.1 lit.a StVO und zu 2) § 4 Abs.2 StVO.

Über ihn wurden jeweils gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO Geldstrafen von 218 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 84 Stunden verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von insgesamt 43,60 Euro verpflichtet.

 

1.2. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, Herr Löschenkohl habe am 14. Oktober 2001 um 19.45 Uhr in Gunskirchen auf der B1 Wiener Bundesstraße bei Strkm. 220,220 das Fahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen in Fahrtrichtung Wels gelenkt. Er habe einen Lkw überholt, obwohl ihm der Pkw mit dem Kennzeichen, gelenkt von Herrn B S, entgegen gekommen sei. Herr S sei dadurch genötigt worden, nach rechts in ein Feld auszuweichen. Die Beifahrerin des Herrn S, M R, sei bei dem Fahrmanöver im Bereich der Halswirbelsäule verletzt worden.

Bei dem falsch formulierten Schuldvorwurf (Fahrtrichtung Lambach) in der Strafverfügung handle es sich offensichtlich um einen Schreibfehler im Sinne des

§ 62 Abs.4 AVG, der richtig gestellt werde. In der zugrundeliegenden Anzeige sei die Fahrtrichtung (Wels) richtig angeführt worden. Die Tatörtlichkeit sei dem Gesetz entsprechend (und zwar punktgenau) genügend konkretisiert.

Der Vorwurf gemäß § 94 Abs.1 StGB (Imstichlassen eines Verletzten) sei vom Strafgericht allein aus dem Grund fallen gelassen worden, weil die Verletzte erst am nächsten Tag Schmerzen verspürt habe und nicht, wie in dem Vorbringen des Bw vom 9. Jänner 2003 angeführt worden sei, weil sich ergeben habe, er habe nichts davon bemerkt, dass das entgegenkommende Fahrzeug von der Fahrbahn abgekommen sei. Wegen dieses Vorfalles habe es bereits eine Verhandlung vor dem Bezirksgericht Lambach gegeben. Das Gericht habe den Schuldvorwurf des
§ 94 Abs.1 StGB für nicht gerechtfertigt gehalten und habe wegen des Deliktes gem. § 88 Abs.1 StGB (fahrlässige Körperverletzung) die Durchführung einer Diversion als adäquat erachtet.

Unter Zugrundelegung der Aussagen der Zeugen könne keine Rede davon sein, dass der Bw den Unfall des ihm entgegenkommenden Fahrzeuges, gelenkt von Herrn S, nicht bemerkt habe. Seine diesbezügliche Verantwortung sei als reine Schutzbehauptung anzusehen. Als Überholender müsse er den entgegenkommenden Verkehr gesehen haben, insbesondere dann, wenn es mit diesem fast zu einer Kollision gekommen sei. Jede andere Schlussfolgerung sei gänzlich außerhalb jeglicher Lebenserfahrung

 

Dies gelte gleichermaßen für § 4 Abs.1 und Abs.2 StVO; insbesondere sei nicht erforderlich, dass der Lenker schon wisse, bei dem Verkehrsunfall sei jemand verletzt worden. Für die Strafbarkeit nach § 4 Abs.2 StVO spiele es keine Rolle, dass die Verletzung einer Person erst am nächsten Tag bekannt geworden sei. Aus dem Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dipl.Ing. K habe sich ergeben, für alle Insassen des Fahrzeuges S sei eine Verletzungswahrscheinlichkeit gegeben gewesen, dies sei entscheidend. Da der Bw es unterlassen habe sich zu vergewissern, ob Personen verletzt worden seien, und den Unfall zu melden, sei die Strafbarkeit nach § 4 Abs.2 StVO gegeben.

Gegenstand des konkreten Verfahrens sei der Handlungsabschnitt, der an das Überholmanöver anschließe, daher verstoße eine Verurteilung wegen § 4 Abs.2 StVO nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot nach Art.4 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK.

Bei der Strafbemessung sei mildernd gewertet worden, dass über den Bw keine Vormerkungen über rechtskräftige Verwaltungsstrafen aufscheinen würden. Die verhängte Geldstrafe entspreche jeweils dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Übertretung. Bei der Strafbemessung sei davon ausgegangen worden, dass der Bw über kein relevantes Vermögen verfüge, keine Sorgepflichten habe und ein monatliches Einkommen von ca. 1.150 Euro beziehe.

 

1.3. Gegen diesen ihm am 17. Juli 2003 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende am 29. Juli 2003 (und damit rechtzeitig) zur Post gegebene Berufung.

 

1.4. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, das angefochtene Straferkenntnis sei mit Nichtigkeit behaftet. So sei das Strafverfahren mit Strafverfügung vom 28. November 2001 eingeleitet worden. In dieser Strafverfügung sei dem Bw vorgeworfen worden, in Gunskirchen auf der B1 als Lenker eines Kraftfahrzeuges in Fahrtrichtung Lambach nicht sofort angehalten, bzw es unterlassen zu haben, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. 18 Monate später werfe ihm das angefochtene Straferkenntnis vor, er habe sein Fehlverhalten in Fahrtrichtung Wels begangen. Diesbezüglich sei Verfolgungsverjährung eingetreten. Darüber hinaus sei er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt, da ihm am 17. Juli 2003 die Möglichkeit eingeräumt worden sei, Akteneinsicht zu nehmen, das Straferkenntnis sei jedoch vor diesem Datum erlassen worden.

 

Überdies sei das Verfahren mangelhaft, weil die Behörde ohne Begründung seinen Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins vom 7. Dezember 2001 übergangen habe, so hätten die Ausführungen des Kfz-Sachverständigen an Ort und Stelle demonstriert werden können. Es habe niemals ein Passieren der beiden Fahrzeuge auf der B1 gegeben. Da die Scheinwerfer des Pkw des Herrn S aus der Fahrtrichtung gewesen seien, habe dem Bw die Schleuderbewegung mit dessen Pkw nicht nur nicht auffallen müssen, sondern er habe diese überhaupt nicht wahrnehmen können. Die Drehbewegung des Fahrzeuges um 180 ° habe sich unmittelbar nach Beginn seines Überholmanövers ereignet, da er sonst mit dem Lkw kollidiert wäre. Das Überholmanöver könne nicht von dem ihm angelasteten Tatbestand getrennt werden. Durch die Nichtbehandlung seines Beweisantrages sei der angefochtene Bescheid mangelhaft.

Weiters werden unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht. Die belangte Behörde habe auf Feststellungen zum Überholmanöver, zur Örtlichkeit und zur Uhrzeit verzichtet. Dadurch entziehe ihm die Behörde einerseits die Möglichkeit Feststellungen, auf die sich deren Entscheidung gründet, zu überprüfen, andererseits würden Verfahrensergebnisse (Kfz-Gutachten, Feststellungen der Gendarmerie an Ort und Stelle) zu seinem Nachteil unberücksichtigt bleiben.

So habe die an die Straße angrenzende Böschung eine Höhe von 0,55 m; er habe das Fahrzeug des Herrn S nicht mehr wahrnehmen können, weil es sich unter dem Straßenniveau befunden habe.

Der entgegenkommende Pkw habe eine Drehbewegung um 180 ° gemacht, diese Feststellung hätte die belangte Behörde zum Schluss veranlassen müssen, der Berufungswerber habe das Fahrzeug nicht wahrnehmen können, da es in der Finsternis für ihn nicht beleuchtet entgegengekommen sei und in diesem Zustand die Fahrbahn verlassen habe.

Durch die Rekonstruktion des Unfallgeschehens durch den Kfz-Sachverständigen werde seine immer gleichbleibende Verantwortung bestätigt, er habe während des Überholvorgangs kein Fahrzeugs aus der Gegenrichtung wahrgenommen. Er habe somit auch nicht damit rechnen müssen, einen Verkehrsunfall zu verursachen bzw. verursacht zu haben.

Überdies werde unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Die Verurteilung nach § 4 Abs.1 lit.a und Abs.2 StVO und die daran geknüpfte Doppelbestrafung wiederspreche den gesetzlichen Vorschriften. Denn der Schuldvorwurf, der Berufungswerber hätte sein Fahrzeug nicht sofort angehalten, konsumiere den Vorwurf, er hätte die Behörden nicht unverzüglich verständigt.

Der Grundsatz "ne bis in idem" gelte in der Gesamtbeurteilung des Ablaufs der gegenständlichen Ereignisse.

Die belangte Behörde habe keine Feststellungen dahingehend getroffen, der Bw hätte das Unfallgeschehen bemerken müssen.

Ein weiterer Begründungsmangel, der sich in der rechtlichen Beurteilung niedergeschlagen habe, werde darin gesehen, dass die Behörde zwei Tatbestände verknüpfe, ohne diese Verknüpfung zu begründen.

Die verhängte Geldstrafe für zwei Delikte werde auch angefochten, da jedes dieser Delikte nur für sich alleine bestehen könne.

 

Somit wird beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen;

in eventu das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen;

in eventu den Ausspruch über die Strafe im angefochtenen Straferkenntnis schuld- und unrechtsangemessen herabzusetzen.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat am 2. Juni 2004 eine öffentliche mündliche Verhandlung am Ort des Unfallgeschehens in Gegenwart des Bw, der in Begleitung seines Vaters gekommen ist, seines Rechtsvertreters Dr. G K und des Vertreters der belangten Behörde Mag. E durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den bezughabenden Verwaltungsakt, dem auch Auszüge aus dem Akt des Bezirksgerichts Lambach, Zl. 3 U 78/02 k, betreffend die Strafsache gegen den Bw wegen § 88 Abs. 1 und § 94 Abs.1 StGB in Kopie angeschlossen sind. Als Zeuge wurde H einvernommen.

 

  1. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Auf Grund der aktenkundigen Beweislage und der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung geht das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates von folgendem erwiesenen Sachverhalt aus:

 

4.1.1. Am 14. Oktober 2001 um 19.45 Uhr lenkte Herr L das Fahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen in Gunskirchen auf der Wiener Bundesstraße in Fahrtrichtung Wels. Im Verlauf der Kurve im Bereich der roten Kapelle überholte der Berufungswerber einen Lkw. Der Überholvorgang hielt in der Kurve an und war erst nach der Kurve beendet.

Die Abkommensstelle des entgegenkommenden PKW des Herrn S von der Fahrbahn war im Bereich der Kilometrierung 220,2.

Der Tiefenabstand der entgegenkommenden Fahrzeuge vor dem Abkommen von der Fahrbahn betrug ca. 30 m. Für den Berufungswerber wäre bei entsprechender Aufmerksamkeit das Abkommen des entgegenkommenden mit Abblendlicht beleuchteten Fahrzeuges von der Fahrbahn, jedenfalls bis zur Vollführung einer Drehung um nahezu 90°, eindeutig erkennbar gewesen.

 

4.1.2. Der festgestellte Sachverhalt wurde aus der Schilderung des Berufungswerbers, dem Akteninhalt und der Zeugenaussage des Zeugen H sowie Befund und Gutachten des Amtssachverständigen abgeleitet, wobei die Zeugenaussage dem Vorbringen des Berufungswerbers teilweise wesentlich wiedersprach.

Die Schilderung des Unfallherganges durch den Zeugen H war glaubwürdig und aus technischer Sicht, unter Zugrundelegung der vom Zeugen getätigten Angaben, auch nachvollziehbar.

Obwohl der Zeuge zu Beginn seiner Einvernahme angegeben hatte, sich an den gegenständlichen Vorfall nicht mehr so genau erinnern zu können, da das Ereignis bereits nahezu drei Jahre zurückliege, konnte er in wesentlichen Punkten dennoch klare und sichere Angaben machen. (Tonbandprotokoll, Seite 2: "Im Bereich der Roten Kapelle war er jedenfalls noch am Überholen, das kann ich sicher sagen. Der Berufungswerber war dort jedenfalls noch auf der linken Fahrspur. Für mich und meine Beifahrerin war es völlig klar, dass dieser Überholvorgang absolut riskant ist. Als der Berufungswerber mit seinem Pkw ausgeschert ist, habe ich zu meiner Beifahrerin noch gesagt: "Oh Gott, jetzt wird etwas passieren" - dies jedoch nur sinngemäß. Beide haben wir in dem Sinn eine Bemerkung gemacht, "jetzt krachts").

 

Die dem Zeugen widersprechende Aussage des Berufungswerbers, das Überholmanöver sei in Höhe einer Häusergruppe gewesen und habe vor der Bushaltestelle geendet, in der anschließenden Kurve [im Bereich der roten Kapelle] sei nicht überholt worden, er wisse nicht, wo das [entgegenkommende] Auto in den Graben gefahren sei, wird als Schutzbehauptung gewertet. Die Darstellung des Vertreters des Berufungswerbers, der Lenker des dem Berufungswerber entgegenkommenden Fahrzeuges habe seinen Pkw in Folge einer Schockreaktion auf das Blenden durch die Lichter des Lkw einerseits und die auftauchenden Lichter des Pkw des Berufungswerbers andererseits verrissen, ist eine Denkvariante zur Stützung des Vorbringens des Berufungswerbers. Dieser Variante ist jedoch unter Berücksichtigung der Angabe des Zeugen H, er habe das Unfallgeschehen vorhersehen können und auch tatsächlich wahrgenommen (Seite 3 des Tonbandprotokolls) und der daran anknüpfende Aussage des technischen Amtssachverständigen, das entgegenkommenden Fahrzeug sei im zentralen Sichtfeld des Berufungswerbers gewesen (Seite 4 des Tonbandprotokolls), nicht zu folgen.

Insbesondere gab der Sachverständige an, dass jahreszeitlich bedingt (am 14. Oktober um 19.45 Uhr) am entgegenkommenden Fahrzeug zumindest das Abblendlicht eingeschaltet sein muss. Unter weiterer Berücksichtigung des Abstandes des Fahrzeuges des Berufungswerbers vom entgegenkommenden Fahrzeug vor dessen Abkommen von der Fahrbahn - ca. 30 Meter - hatte der Beschwerdeführer einen direkten Blick auf das entgegenkommende Fahrzeug.

Dementsprechend legte der Sachverständige schlüssig dar, dass dem Berufungswerber - entsprechende Aufmerksamkeit vorausgesetzt - das Abkommen des entgegenkommenden Fahrzeuges sowie das anschließende Schleudern desselben zumindest solange, bis es eine Drehung um nahezu 90° vollführt hatte, erkennbar gewesen sein muss.

Im Ergebnis war nach Berücksichtigung aller aktenkundigen Beweismittel und der Abwägung aller wichtigen Begleitumstände den Schilderungen des Zeugen mehr Glauben zu schenken als jenen des Berufungswerbers. Die Angaben des Zeugen H waren technisch vom Sachverständigen ohne Probleme nachzuvollziehen und in sich schlüssig.

 

4.1.3. Durch das Ausweichen des Herrn S nach rechts in ein Feld wurde die Beifahrerin des Herrn S, M R, im Bereich der Halswirbelsäule verletzt und am Pkw des Herrn S entstand Sachschaden. Die Schmerzen hat Frau R erst in der Nacht bemerkt und ist am nächsten Tag ins Krankenhaus gegangen (Hauptverhandlungsprotokoll BG Lambach Seite 3).

Der Berufungswerber hat nach Passieren der Unfallstelle seinen Pkw weiter Richtung Wels gelenkt, ohne anzuhalten.

 

4.1.4. Diese Darstellung wurde vom Berufungswerber nie bestritten.

 

    1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

4.2.1. Zunächst ist zu prüfen, ob ein Verfolgungshindernis gemäß § 45 Abs.1 Z.3 VStG vorliegt, da dem Bw in der Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungs-verjährungsfrist, nämlich der Strafverfügung vom 28. November 2001 vorgeworfen wurde, er habe seinen Pkw in Fahrtrichtung Lambach gelenkt, wogegen er nach dem

angefochtenen Straferkenntnis sein Fahrzeug in Fahrtrichtung Wels gelenkt hat.

Gemäß ständiger Judikatur des VwGH hat nicht nur der Tatvorwurf im Straferkenntnis die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten, sondern dies gilt auch für die vorangegangenen Verfolgungshandlungen. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Durch die konkrete Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat soll zweifelsfrei klargestellt werden, wofür der Täter bestraft wird, um ihm eine gezielte Verteidigung zu ermöglichen und die Möglichkeit auszuschließen, etwa wegen der selben Handlung nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Im konkreten Fall war es für den Berufungswerber durch Angabe von Zeit und Ort eindeutig nachvollziehbar, welches Verhalten ihm als Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift vorgeworfen wurde. Bereits aufgrund der Anzeige, von der er nachweislich Kenntnis hatte (siehe niederschriftliche Einvernahme des J L am 17.10.2001 bei der BPD Wels), war klargestellt, dass ihm ein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Verhalten auf einer Fahrt von Lambach Richtung Wels vorgeworfen wurde. Damit war der Tatvorwurf für den Berufungsweber ausreichend konkretisiert und nachvollziehbar.

 

4.2.2. Zur Darstellung der relevanten Vorschriften des § 4 Abs.1 lit.a und § 99 Abs.2 lit.a StVO wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das bekämpfte Straferkenntnis verwiesen.

 

4.2.3. Im gegebenen Fall veranlasste der Berufungswerber Herrn S seinen Pkw bei Kilometrierung 220,2 in ein Feld zu lenken, wodurch Sachschaden an dessen Pkw und - wie sich erst später herausstellte - eine Verletzung seiner Beifahrerin im Bereich der Halswirbelsäule verursacht wurde. Damit hat der Berufungswerber tatbildlich im Sinne des § 4 Abs.1 lit.a StVO gehandelt.

 

4.2.4. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Da es dem Berufungswerber nach den Feststellungen möglich gewesen wäre, während seines Überholmanövers durch direkten Sichtkontakt den entgegenkommenden ausschleudernden Pkw des Herrn S und damit den von ihm verursachten Verkehrsunfall wahrzunehmen, hat er, was die subjektive Tatseite anlangt, fahrlässig gehandelt und damit den ihm vorgeworfenen Tatbestand erfüllt.

 

4.3. Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 haben jene Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang steht, unter anderem sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen (Satz 2).

Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Wort "sofort" nach seiner eigentümlichen Bedeutung, also streng auszulegen, sodass etwa eine Meldung erst ca. eine Stunde nach dem Unfall als nicht ausreichend erkannt wurde (Vgl. VwGH vom 23. Februar 1990, Zl. 85/18/0185). Sinn der genannten Bestimmung sei es, dass die verständigte Sicherheitsdienststelle sofort die notwendigen Erhebungen am Unfallort veranlassen bzw. vornehmen kann. Dieser Zweck könne nicht mehr erreicht werden, wenn die Verständigung der Sicherheitsdienststelle erst so spät erfolgen kann, dass eine Unfallsaufnahme an Ort und Stelle nicht mehr zielführend ist (VwGH vom 20. September 1995, Zl.94/03/0150). In seinem Erkenntnis vom 10. November 1989, Zl. 89/18/0121, erachtete der Verwaltungsgerichtshof eine Meldung zweieinhalb Tage nach dem Unfall als nicht mehr zielführend, weil nicht zu erkennen sei, welchen Zweck diese Meldung haben hätte sollen, zumal die Beteiligten nach dem Unfall übereinstimmend angegeben hätten, dass "niemand verletzt worden sei" und einander die Identität nachgewiesen hätten, wobei die Polizei vom Verkehrsunfall nicht verständigt worden sei.

Im konkreten Fall ereignete sich der Verkehrsunfall am 14. Oktober 2001 um 19.45 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt verspürte die Beifahrerin des verunglückten Fahrzeuges noch keine Schmerzen (Hauptverhandlungsprotokoll BG Lambach - Seite 3, sie habe die Schmerzen erst in der Nacht bemerkt). Die ambulante Behandlung der Verletzung erfolgte laut Erstbefund des Krankenhauses Wels am 15. Oktober 2001 um 17.35 Uhr, also ca. 22 Stunden nach dem Unfall.

Eine Verständigung der Sicherheitsdienststelle, um eine Unfallaufnahme an Ort und Stelle vorzunehmen, wäre im konkreten Fall nahezu einen ganzen Tag nach dem Unfall nicht mehr zielführend gewesen.

Zum Unfallzeitpunkt hinwieder kann die subjektive Tatseite des § 4 Abs.2 StVO 1960 nicht bejaht werden. Denn nach den Feststellungen klagte die Verletzte nach dem Unfall nicht einmal über Schmerzen, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Vorliegen eines Personenschadens (für dritte Personen) erkennbar war.

Das angefochtene Straferkenntnis war somit in diesem Punkt zu beheben.

 

4.4. Bei der Strafbemessung (§ 19 VStG) handelt es sich laut ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den dort festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheids soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

Auszugehen ist von den von der belangten Behörde festgestellten Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Insbesondere begegnet die von dieser vorgenommene Festsetzung des Einkommens des Berufungswerbers keinen Bedenken. Im Übrigen bringt der Berufungswerber dagegen auch gar nichts vor.

Dem Berufungsvorbringen, das sich auf die verhängten Geldstrafen bezieht, war insofern stattzugeben, als mangels Strafbarkeit des zweiten vorgeworfenen Delikts auch die deswegen verhängte Geldstrafe aufgehoben wurde.

Die Verhängung der Geldstrafe in Höhe von 218 Euro ist unter den von der belangten Behörde dargelegten Abwägung angemessen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde auf 218 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat hat der Rechtsmittelwerber einen Kostenbeitrag von 20% der verhängten Strafe zu leisten.

 

 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann

 
 

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