Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109201/8/Kof/He

Linz, 03.02.2004

 

 

 VwSen-109201/8/Kof/He Linz, am 3. Februar 2004

DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung der Frau E K, B, A, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. H B, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 14.7.2003, VerkR96-4910-2002, wegen Übertretung des § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO 1960 nach Durchführung der mündlichen Verhandlung einschließlich Lokalaugenschein vom 29.1.2004 sowie Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Die Berufungswerberin hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat

20 % der verhängten Geldstrafe zu zahlen.

 

Die Berufungswerberin hat somit zu entrichten:

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt 36 Stunden.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG;

§ 64 Abs.2 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat über die nunmehrige Berufungswerberin (Bw) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis wie folgt erlassen:

 

 
"Sie haben am 9.7.2002 um 9.20 Uhr in A., im Kreuzungsbereich A.Landesstraße - Güterweg H., bei Strkm. 4,000 als Lenker des Pkws mit dem Kennzeichen ...... auf dem Güterweg H. den auf der A. Landesstraße fahrenden Fahrzeuglenker W. Z. trotz des Vorschriftszeichens "Vorrang geben" durch Einbiegen zu unvermitteltem Bremsen/zum Ablenken seines Fahrzeuges genötigt.
 
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 und § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960
 
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

109,00 Euro

36 Stunden

§ 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

 
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
10,90
Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);
 
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
119,90 Euro
."
 
Die Bw bringt in der rechtzeitig eingebrachten Berufung vom 12.8.2003 vor, dass die Fahrtgeschwindigkeit des Unfallgegners erheblich höher gewesen sein müsse als dies dem Sachverständigengutachten zu entnehmen sei. Somit könne ihr eine Vorrangverletzung nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie eines Lokalaugenscheines.

 
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:
 
Die Bw lenkte zur Tatzeit einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw auf dem Güterweg H., Gemeinde A. von Richtung H. kommend zur Kreuzung mit der
A. Landesstraße und wollte nach links, in Richtung L. einbiegen.
Der Güterweg H. ist mit dem Vorschriftszeichen "Vorrang geben" abgewertet.
 
Zur gleichen Zeit lenkte Herr W.Z. einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw auf der A. Landesstraße von Richtung L. kommend Richtung A.
Auf der A. Landesstraße besteht im gegenständlichen Bereich eine
Geschwindigkeitsbeschränkung 50 km/h.
 
 
Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass gemäß § 19 Abs.4 StVO an der gegenständlichen Kreuzung Herr W.Z. Vorrangberechtigter und die Bw Wartpflichtige war.
 
Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen
(§19 Abs.7 StVO).

Die Bw fuhr mit ihrem Kfz in den Kreuzungsbereich ein, sodass es zum Zusammenstoss mit dem von Herrn W.Z. gelenkten Pkw kam.

 
Herr W.Z. konnte trotz einer Notbremsung eine Kollision mit dem im Kreuzungsbereich befindlichen Pkw der Bw nicht mehr verhindern.
Ein Ausweichmanöver war gemäß den Angaben des Herrn W.Z. aufgrund eines entgegenkommenden Pkw nicht möglich.
 
Bei diesem Verkehrsunfall wurde die Bw erheblich verletzt und mit der Rettung in das UKH L. eingeliefert, wobei mehrere Prellungen diagnostiziert wurden.
Die Bw wurde 12 Tage im UKH L. stationär behandelt.
An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden.
 
Herr W.Z. hat bei der ersten Einvernahme (Gendarmerieposten G. vom 9.7.2002) angegeben, eine Geschwindigkeit von ca. 70 km/h eingehalten zu haben und diese Angabe bei der mündlichen Verhandlung vom 29.1.2004 wiederholt bzw. bestätigt.
 
Der gerichtliche beeidete Sachverständige für Verkehrssicherheit, Fahrzeugschäden und Bewertung, Herr Dipl.-Ing. A.K. hat mit Gutachten vom 30.1.2003 u.a. nachstehendes festgestellt:
"Vom Kreuzungsbereich des Güterweges H./ A. Landesstraße beträgt die Sicht in Richtung L. ca. 100 Meter."

Diese Angabe ist - wovon sich der Verhandlungsleiter, die Bw und deren Rechtsvertreter anlässlich des Lokalaugenscheines überzeugt haben - zutreffend.
 
Der Sachverständige führt weiters aus, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des Herrn W.Z. zumindest 72 km/h betragen hat.
Reagiert hat Herr W.Z. etwa 36 Meter von der Anstoßstelle entfernt, zeitlich etwa
1,9 bis 2,0 Sekunden vor dem Zusammenstoß.
 
Herr W.Z. hätte bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit (50 km/h) sein Fahrzeug mühelos vor der Einfahrtslinie der Bw anhalten können.
 
Andererseits hätte die Bw bereits ca. 2 Sekunden vor ihrem Losfahren den Pkw des Herrn W.Z. über den Verkehrsspiegel und unmittelbar vor dem Losfahren sogar in direkter Sicht sehen können. Sie hätte also den gegenständlichen Unfall durch Abstandnahme vom Einfahren in die bevorrangte Fahrbahn auch verhindern können (Gutachten Seite 6).
 
Als die Bw begonnen hat, aus der Halteposition vor der Kreuzung in diese einzufahren, war Herr W.Z. mit seinem Pkw etwa 47 bis 55 Meter von der späteren Unfallstelle entfernt. Bezogen auf die für die Bw mögliche Sicht bedeutet dies, dass Herr W.Z. bereits mehr als 2 Sekunden im Sichtbereich war, ehe die Bw begonnen hat, in die Kreuzung einzufahren (Gutachten Seite 5).
 
Die Bw bringt in der Berufung sowie in der mündlichen Verhandlung vor, dass die Fahrtgeschwindigkeit des Herrn W.Z. erheblich höher gewesen sei, als dies dem Sachverständigengutachten zu entnehmen sei.
Die Bw war jedoch nicht in der Lage, für dieses Vorbringen einen schlüssigen Beweis anzubieten.
 
Aber selbst wenn Herr W.Z. eine(angenommene) Fahrtgeschwindigkeit von 100 km/h eingehalten hätte, ist auf nachstehendes zu verweisen:
Von der Kreuzung des Güterweges H. in Richtung L. beträgt die Sicht ca. 100 Meter.
Bei einer Fahrtgeschwindigkeit von 100 km/h beträgt die Fahrzeit für eine Strecke von 100 Meter ...... 3,6 Sekunden.
 
Herr W.Z. hätte somit - selbst wenn dieser tatsächlich eine Geschwindigkeit von 100 km/h eingehalten hätte - vom Erscheinen im Sichtraum der Bw bis zur Unfallstelle einen Zeitraum von 3,6 Sekunden zuzügl. Bremsverzögerung durch die von ihm eingeleitete und durchgeführte Notbremsung benötigt!
 
Ein Zeitraum von 3,6 Sekunden zuzügl. Bremsverzögerung hätte jedoch für die Bw in jedem Fall ausreichen müssen, um den linken Fahrstreifen zu überqueren und damit zumindest den Verkehrsunfall zu verhindern!
 
Die Bw befand sich beim Zusammenstoß - was den im Akt enthaltenen Fotos zu entnehmen ist - noch nicht mit der gesamten Fahrzeuglänge (somit ca. 2,5 bis 3 Meter) im Kreuzungsbereich.
Die Bw behauptet, Herr W.Z. hätte sich zu jenem Zeitpunkt als sie in die Kreuzung eingefahren ist, noch nicht in ihrem Sichtraum befunden, d.h. er wäre mindestens 100 Meter von der Kreuzung entfernt gewesen.
 
Es ist geradezu denkunmöglich, dass Herr W.Z. - im selben Zeitraum, den die Bw benötigt hat um eine Strecke von 2,5 bis 3 Meter zurückzulegen (übliches Anfahrtstempo vorausgesetzt) - mindestens 100 Meter gefahren ist und dabei auch noch eine Vollbremsung von ca. 20 Meter Länge durchgeführt hat!
 
Es steht daher fest, dass die Bw in die Kreuzung erst eingefahren ist, als Herr W.Z. sich bereits in ihrem Sichtraum befunden hat!
 
Die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen
Geschwindigkeit des Herrn W.Z.: ca. 72 km/h
Geschwindigkeit der Bw: ca. 15 bis 20 km/h
Entfernung des W.Z. vom Kreuzungsbereich/Unfallstelle im Zeitpunkt des Einfahrens durch die Bw: ca. 47 bis 55 Meter
sind daher schlüssig und widerspruchsfrei.
 
Nach der Rechtsprechung des OGH wiegt ein Verstoß gegen die Vorrangregelung schwerer als andere Verkehrswidrigkeiten, zB eine Geschwindigkeitsüberschreitung; Veit-Veit, EKHG, 4. Auflage, E31 zu § 11 (Seite 167f) und die dort zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen.
Die Verschuldensteilung zu Lasten eines gegen die Vorrangregel verstoßenden Lenkers, der mit einem mit relativ überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Vorrangberechtigten zusammenstößt, beträgt nach der ständigen Rechtsprechung des OGH 1 zu 2 oder 1 zu 3; siehe Veit-Veit, aaO, E123, 124, 125, 126; 212, 213 und 215.
 
Die Bw (= Wartepflichtige) hat somit Herrn W.Z. (= Vorrangberechtigter) durch Einbiegen iSd § 19 Abs.7 StVO zu unvermitteltem Bremsen genötigt, wobei nochmals ausdrücklich zu betonen ist, dass Herr W.Z. dieses unvermittelte Bremsen auch vorgenommen hat, jedoch einen Verkehrsunfall nicht verhindern konnte.
 
Betreffend die Strafbarkeit ist auszuführen, dass gemäß § 99 Abs.6 lit.a StVO eine Verwaltungsübertretung dann nicht vorliegt, wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist und weitere - hier nicht relevante - Vorraussetzungen vorliegen.
 
Die Rechtswohltat des § 99 Abs.6 lit.a StVO kann dann nicht eintreten, wenn auch nur eine Person verletzt worden ist, weil Voraussetzung ist, dass lediglich Sachschaden entstanden ist; VwGH vom 11.9.1974, 379/74, ZVR 1975/76 - zitiert in Messiner, StVO, 10. Auflage, E236 zu § 99 StVO (Seite 1410).
 
Da die Bw - wie eingangs dargelegt - beim Verkehrsunfall verletzt und 12 Tage im UKH L. stationär behandelt wurde, liegt ein Verkehrsunfall mit "nur Sachschaden" nicht vor!
 
Die Berufung war daher hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abzuweisen.
 
Bei der Strafbemessung sind gemäß § 19 VStG die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (1.200 Euro netto Pension, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) zu berücksichtigen.
Als mildernd ist die bisherige Unbescholtenheit der Bw zu werten.
 
Grundlage für die Bemessung der Strafe ist weiters das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
 
Bei einer Vorrangverletzung wird die Verkehrssicherheit erheblich reduziert, da diese immer wieder Ursache schwerer Verkehrsunfälle ist.
Auch hat die gegenständliche Tat nachteilige Folgen (Verletzung der Bw, Totalschaden an beiden Pkw) nach sich gezogen.
 
Die von der belangten Behörde festgesetzte Geldstrafe (109 Euro) beträgt "nur" 5 % der gesetzlichen Höchststrafe (= 2.180 Euro gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO).
 
Auch unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit der Bw ist die von der belangten Behörde festgesetzte Geldstrafe nicht als überhöht zu bezeichnen, sodass die Berufung auch hinsichtlich des Strafausmaßes als unbegründet abzuweisen war.
 
Gemäß § 64 Abs.2 VStG betragen die Verfahrenskosten I. Instanz 10 % der verhängten Strafe (= 10,90 Euro) und die Kosten für das Berufungsverfahren 20 % der verhängten Strafe (= 21,80 Euro).
 
Es war daher die Berufung abzuweisen, das erstinstanzliche Straferkenntnis zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.
 
 
Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung nicht zulässig.
 
Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
Mag. Kofler
 
Beschlagwortung:

§ 19 Abs.4 iVm Abs.7 StVO - Vorrangverletzung

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