Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109262/6/Br/Gam/Sta

Linz, 11.11.2003

VwSen-109262/6/Br/Gam/Sta Linz, am 11. November 2003

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Herrn G K, I d W, S, vertreten durch Rechtsanwalt G K, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 13. Mai 2003, Zl.: VerkR96-31646-2002, nach der am 11. November 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der letzte Satz des Spruches zu entfallen hat.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 63,80 Euro (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 319 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden, sowie Verfahrenskosten in Höhe von 31,90 Euro verhängt, weil er am 7.9.2002 um
23.21 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der Westautobahn A 1 in Fahrtrichtung Salzburg bei Strkm 234.399 lenkte, wobei er im Gemeindegebiet von Seewalchen die durch Vorschriftszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von
60 km/h, um 64 km/h überschritten habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei dabei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden.

1.1. Die Behörde erster Instanz erachtete die Verwaltungsübertretung auf Grund ihres Ermittlungsverfahrens, an welchem der Berufungswerber - der Halter des Fahrzeuges ist - nicht mitwirkte iVm der Radarmessung als erwiesen.

Die Behörde erster Instanz legte der Bestrafung ein Monatseinkommen von
1.200 Euro, keine Sorgepflichten und kein Vermögen zu Grunde.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit der durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, mangels Zustellnachweis als fristgerecht erhoben zu wertenden, Berufung. Im Ergebnis begehrte der Berufungswerber lediglich die Übermittlung ergänzender Beweise, wobei er gleichzeitig die Nachreichung einer Begründung seiner Berufung ankündigte, was aber unterblieb.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war hier in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte insbesondere zwecks unmittelbarer Beweisaufnahme durch Anhörung des Berufungswerbers geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshaupt-mannschaft Vöcklabruck, Zl.: VerkR96-31646-2002.

Dem Akt angeschlossen findet sich die Anzeige des LGK für Oö. und die nachfolgend am 22.11.2002 gegen den Fahrzeughalter erlassene Strafverfügung. Diese wurde vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers mit einem unbegründet bleibenden Einspruch angefochten. Die nachfolgend dem Berufungswerber im Wege seines Rechtsvertreters am 4. Februar 2002 übermittelte Aufforderung zur Rechtfertigung ließ dieser unbeantwortet. Schließlich wurde am 13. Mai 2003 das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

Dagegen wurde wiederum am 10. Juni 2003 eine gänzlich inhaltsleer bleibende Berufung erhoben. In einem Schreiben der Behörde erster Instanz vom 25. Juni 2003 wurde dem Berufungswerber im Ergebnis die Mitteilung gemacht, dass seine Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Berufungsentscheidung vorgelegt würde.

Dies geschah schließlich mit erheblicher Verzögerung erst am 1. September 2003. Der Oö. Verwaltungssenat hat schließlich vorerst für den 21. Oktober 2003 eine Berufungsverhandlung anberaumt, wobei in der Ladung auf die Folgen der Säumigkeit und die Zweckmäßigkeit des persönlichen Erscheinens hingewiesen wurde.

Am 20.10.2003 um 10.45 Uhr begehrte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers fernmündlich gegenüber dem Oö. Verwaltungssenat um Verlegung des Verhandlungstermins. Im Verlaufe dieses Gesprächs wurde auch der Verfahrensgang erörtert und insbesondere darauf hingewiesen, dass die im Zuge dieses Gesprächs erstmals erwähnte Möglichkeit, wonach nicht der Fahrzeughalter der Lenker gewesen sein könnte, dieser Einwand im Rahmen der Berufungsverhandlung durch den Berufungswerber entsprechend glaubhaft zu machen wäre. Die Verhandlung wurde schließlich einvernehmlich auf den 11.11.2003 um 11.00 Uhr verlegt.

Etwa eine Stunde vor dem Termin teilte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers schließlich per E-Mail mit, dass er begehre "den Verhandlungstermin aufzuheben". Gleichzeitig wurde als angeblicher Lenker ein Herr I T, K, T, P R, benannt. Abschließend begehrte der Berufungswerber in diesem Schreiben eine Mitteilung hinsichtlich der allfälligen Notwendigkeit einer notariellen Bestätigung dieser Darstellung.

5. Unstrittig ist hier die Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem vom Berufungswerber gehaltenen Fahrzeug.

Es ergeben sich aus der Aktenlage keine Hinweise auf einen Funktionsmangel des Messgerätes. Dieses Gerät würde etwa täglich im Rahmen des Austauschens der Filmbox augenscheinlich kontrolliert und nach Bestückung mit einem neuen Film nach systembedingter routinemäßiger Erstellung von Kalibrierungsfotos wieder in Funktion gesetzt. Hierbei handelt es sich um amtsbekannte Vorgangsweisen in der Bedienung der fixen Messstationen. Da sich hier kein wie immer gearteter konkreter Anhaltspunkt einer Fehlmessung oder eines Funktionsmangels ergibt und insbesondere der Berufungswerber auch nur in Ansätzen nichts derartiges zu konkretisieren vermochte, kann hier an der Richtigkeit der Messung nicht gezweifelt werden.

Seit nunmehr einem Jahr wusste in diesem Verfahren der Berufungswerber vom nunmehr namhaft gemachten Lenker offenbar nicht zu berichten. Wäre diese Person - für deren Gelegenheit zum Lenken der Berufungswerber auch jetzt noch keine Fakten vorlegte - tatsächlich der Lenker gewesen, wäre es wohl naheliegend gewesen, diese Mitteilung spätestens bei der Erhebung des Einspruches schon gemacht zu haben. Dies war etwa drei Monate nach der fraglichen Fahrt, wobei es der Lebensnähe entspricht, dass es dem Berufungswerber nach dieser Zeitspanne sehr wohl evident gewesen sein müsste, ob er diese nächtliche Fahrt durch Österreich tätigte oder nicht. Auffällig ist ferner, dass sich der Berufungswerber während des gesamten Verfahrens nicht inhaltlich äußerte, sondern lediglich diverse Anträge auf Übermittlung von Aktenteilen stellte, wodurch das Verfahren verzögert wurde.

Schließlich besuchte er trotz ursprünglicher Vertagungsbitte auch die Berufungsverhandlung nicht, sodass darin nur der Schluss zu ziehen war, dass er offenbar nicht geneigt war an seinem eigenen Verfahren in konstruktiver Form mitzuwirken und seine Verantwortung auch inhaltlich der gerichtsförmigen Berufungsbehörde mitzuteilen. Seiner nunmehr im Rahmen des gestellten Antrages auf "Aufhebung des Verhandlungstermins" (was nicht in seiner Disposition der Partei steht) und der damit gleichzeitig übermittelten Darstellung, über die angebliche Lenkereigenschaft einer anderen Person, konnte daher nicht gefolgt werden.

6. Rechtlich verweist der unabhängige Verwaltungssenat auf die von der Erstbehörde in zutreffender Weise getätigte Subsumption des Tatverhaltens unter § 52a Z10a StVO 1960 und die Strafnorm nach § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960.

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Radarmessung grundsätzlich ein taugliches Mittel zur Feststellung der Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges. Die Verkehrsfehlergrenze bei der hier gemessenen Fahrgeschwindigkeit von +/- 5% ergibt gerundet eine um 7 km/h zu reduzierende Fahrgeschwindigkeit (vgl. VwGH 23.3.1988, 87/02/0200).

Der Berufungswerber machte weder im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens noch anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung konkrete Angaben zur gänzlich pauschal bleibenden bestreitenden Verantwortung, noch nahm er am Berufungsverfahren persönlich teil um allenfalls bei diesem Anlass einerseits darzutun, warum er glaubt nicht so schnell unterwegs gewesen zu sein andererseits seine Lenkereigenschaft in Abrede zu stellen. Dies verwundert umso mehr als er die Berufungsverhandlung vertagen ließ, um diese dann dennoch nicht zu besuchen.

Der Verfahrensgrundsatz, dass die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat (§ 24 VStG iVm § 39 Abs.2 AVG, § 25 Abs.1 VStG), befreit die Partei nicht von ihrer Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, wobei diese Mitwirkungspflicht auch den Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren trifft. Die Mitwirkungspflicht hat insbesondere dort Bedeutung, wo - so wie hier - ein aus der Sicht der Partei strittiger Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden könnte.

Dies erfordert, dass der Beschuldigte seine Verantwortung nicht darauf beschränken kann, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten. So löst etwa das bloße globale Bestreiten des Beschuldigten, ohne nähere Konkretisierung und Stellung von Beweisanträgen, in einem durch eine Meldung eines Sicherheitswachebeamten eingeleiteten Verfahren keine weitere Ermittlungspflicht aus. Unterlässt der Beschuldigte die gebotene Mitwirkung im Verwaltungsstrafverfahren, so bedeutet es auch dann keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Erhebungen mehr durchführt (unter vielen VwGH vom 20.9.1999, 98/21/0137). Der Berufungswerber hätte im Rahmen der hier für anberaumten Berufungsverhandlung seine Darstellung durch persönlichen Vortrag glaubhaft machen können.

Der letzte Satz des Spruches hatte zu entfallen zumal die Frage der Berücksichtigung des Verkehrsfehlers kein Tatbestandsmerkmal iSd § 44a Z1 VStG darstellt.

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Mit einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit in einem Autobahn-Baustellenbereich im Umfang von 64 km/h sind - abstrakt besehen - schwerwiegende nachteilige Beeinträchtigungen gesetzlich geschützter Werte verbunden. Auch die subjektive Tatschuld ist im anzunehmenden Bewussten der Inkaufnahme dieser an der Tachoanzeige um über 100% überschrittenen Fahrgeschwindigkeit als qualifiziert zu werten. Da von einem Fahrzeuglenker ferner auch eine Baustelle nicht gleichsam übersehen werden konnte, sind die Überlegungen zur vorsätzlichen Tatbegehung zweifelsfrei begründet.

Der objektive Tatunwert lässt sich etwa anschaulich in nachfolgender Berechnung objektivieren. Ausgehend von einer im Regelfall als realistisch anzunehmenden erreichbaren Bremsverzögerung von 7,5 m/sek2 und einer durchschnittlichen Reaktionszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden, liegt der Anhalteweg aus 60 km/h bei 36,84 Meter. Demgegenüber gelangt das Fahrzeug unter den gleichen Reaktionsbedingungen bei der vom Berufungswerber unter Berücksichtigung der Verkehrsfehlergrenze gelenkten Geschwindigkeit von
124 km/h erst nach knapp unter 117 m zum Stillstand. Der Punkt, bei welchem ein Fahrzeug mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit bereits zum Stillstand gelangt, wird mit der hier zur Last liegenden Fahrgeschwindigkeit noch mit der Ausgangsgeschwindigkeit durchfahren, indem bei dieser Geschwindigkeit der Reaktionsweg länger ist als der gesamte Anhalteweg aus 60 km/h (Berechnung mit Analyzer Pro 4).

Daraus ist erhellt, dass mit einer solchen Geschwindigkeitsüberschreitung das abstrakte Gefährdungspotenzial stark erhöht und der damit einhergehende Unwertgehalt einer solchen Übertretung als schwerwiegend zu erachten ist. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass aus der Blickperspektive der übrigen Verkehrsteilnehmer mit einer derart hohen Fahrgeschwindigkeit in einem Baustellenbereich nicht gerechnet werden muss. Ein geringer Fehler eines Dritten kann daher bereits der Auslöser eines Verkehrsunfalls mit schwerwiegenden Folgen sein.

Die Unfallstatistik belegt, dass vielfach Geschwindigkeitsüberschreitungen in Baustellenbereichen Unfallauslöser sind, insbesondere weil dadurch unfallvermeidende Abwehrhandlungen nicht mehr wirksam werden bzw. zu spät kommen. Dies trifft hier vermehrt noch für die Nachtzeit zu.

Im Hinblick darauf ist aus Gründen der Generalprävention grundsätzlich mit einer empfindlichen Bestrafung vorzugehen.

Selbst angesichts des Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit und unter des mit 1.200 Euro überdurchschnittlich gering eingeschätzten Monatseinkommens des Berufungswerbers, kann ein Ermessensfehler in dieser Strafzumessung nicht erblickt werden.

II. Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.

Abschließend wird festgestellt, dass die Festsetzung der Geldstrafe mit "319" Euro nur schwer nachvollziehbar ist. Dies erhöht lediglich die Gefahr des Unterlaufens von Rechenfehlern und erschwert letztlich durch erhöhten Berechnungsaufwand die Administration des Aktes.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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