Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109363/10/Fra/He

Linz, 23.06.2004

 

 

 VwSen-109363/10/Fra/He Linz, am 23. Juni 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn F B, vertreten durch die Damen und Herren Rechtsanwälte P M & Partner, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17. Oktober 2003, VerkR96-3285-2003/Her, betreffend Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 250 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) verhängt, weil er am 27.3.2003 um 13.16 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der A 1 Westautobahn gelenkt hat, wobei er im Bereich von Kilometer 199,500, Gemeindegebiet von Eberstalzell, hinter dem nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten hat, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil er bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 81 km/h lediglich einen Sicherheitsabstand von 0,36 Sekunden (6 Meter) zu dem vor ihm Fahrenden eingehalten hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Über die dagegen durch die ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig eingebrachte Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) erwogen:

Aus der Anzeige des LGK für Oö., Verkehrsabteilung, vom 27.3.2003, GZ: A1/1596/2003, sowie aus der Aussage des Meldungslegers vom 25.8.2003 ergibt sich, dass die inkriminierte Übertretung mit einer ProVida-Anlage aufgezeichnet wurde. Der geschätzte Abstand zu dem vor dem Beschuldigtenfahrzeug fahrenden Kraftwagenzug habe max. eine Mittelleitlinienlänge (6 Meter) betragen. Bei einer Geschwindigkeit von 81 km/h errechne sich ein Abstand von 0,36 Sekunden. Ein zeitlicher Abstand von 2 Sekunden wäre jedoch notwendig gewesen.

 

Im Rechtsmittel bringt der Bw im Wesentlichen vor, dass an der Tatörtlichkeit der vor ihm zunächst auf der rechten Spur befindliche Lkw völlig überraschend und unerwartet auf den linken Fahrstreifen gewechselt habe. Er habe nicht auszuschließen vermocht, dass sich der beteiligte Lkw durch den Spurwechsel dergestalt unmittelbar vor sein Fahrzeug gesetzt habe, dass gerade im Zeitpunkt der Abstandsmessung kein ausreichender Abstand iSd § 18 Abs.1 StVO 1960 bestanden habe. Er habe aufgrund des nachfolgenden Verkehrs kein abruptes Bremsmanöver durchführen können. Er habe jedoch den mitunter verkürzten Sicherheitsabstand zunehmend wieder vergrößert, ohne dabei den nachfolgenden Verkehr durch eine abrupte und drastisch reduzierte Geschwindigkeit zu gefährden. Diese seine Verantwortung sei unwidersprochen geblieben. Selbst der Meldungsleger habe über den entsprechenden Vorhalt lediglich angegeben, anhand der Lichtbilder sei erkennbar, dass in einem Zeitraum von 12 Sekunden (gemeint zwischen 13:16:00 und 13:16:12) kein Spurwechsel erfolgt sei und sich der Abstand nicht vergrößert habe. Dies schließe nicht aus, dass der Lkw unmittelbar vor dem ersten Videoausdruck mit der Uhrzeit 13:16:00 sehr wohl unvermittelt auf die Überholspur gewechselt habe. Er bestreite ausdrücklich, dass der geringste Abstand zum Tatzeitpunkt lediglich ca. 6 Meter betragen habe. Aus den vorliegenden Lichtbildern sei dieser Tiefenabstand nicht abschätzbar. Er bringe vor, dass auch die Meldungsleger keine hinreichenden Bezugspunkte hätten, um anhand der Bodenmarkierungen verlässlich feststellen zu können, wie groß der Abstand zwischen seinem Fahrzeug und dem vor ihm fahrenden Lkw tatsächlich war. Es sei ausgeschlossen, dass der Meldungsleger gleichzeitig beide Fahrzeuge und die rechts daneben befindliche Mittelleitlinie beobachten habe können, zumal - dies sei aus den Lichtbildern abzuleiten - die rechte hintere Seite des Lkw´s für den Meldungsleger überhaupt nicht sichtbar gewesen sei. Diese sei vielmehr von seinem Fahrzeug, welches seitlich etwas versetzt zum Lkw spurte, verdeckt gewesen.

 

Aufgrund des oa Vorbringens hat der Oö. Verwaltungssenat ein Gutachten eines Verkehrstechnikers zu der Frage eingeholt, ob die vorgebrachten Argumente technisch möglich und bejahendenfalls nachvollziehbar sind.

 

Der Amtsachverständige für Verkehrstechnik, Herr Ing. H, hat zu diesem Ersuchen dem Oö. Verwaltungssenat mitgeteilt, dass die gegenständliche Videoaufzeichnung bereits gelöscht und nicht mehr verfügbar ist. Dies sei ihm von Herrn Benda, dem Unterzeichner der gegenständlichen Anzeige, mitgeteilt worden. Die gegenständliche Videoaufzeichnung sei auch nicht wie ursprünglich vermutet auf einem anderen Datenträger gespeichert worden, sodass im gegenständlichen Fall nur die vorliegenden Fotos zur Auswertung herangezogen werden können. Eine Auswertung des Videobandes sei nicht möglich, da die Aufzeichnung nicht archiviert worden ist. Eine alternative fotogrammetische Auswertung der beiden Fotos sei nicht möglich, da keine geeigneten Fahrzeugkonturen (Schatten, Radaufstandspunkte) und Referenzmasse (Leitlinien) aus den Fotos angenommen werden können. Aufgrund nicht eindeutig zuordbarer Fahrzeugkonturen und fehlender Referenzmaße sei auch eine augenscheinliche, zumindest größenordnungsmäßige Bestimmung des Fahrzeugabstandes nicht möglich. Der augenscheinlich am Foto erkennbare Abstand des Fahrzeuges sei im gegenständlichen Fall auch wegen der Zoom-Einstellung der Kamera ohne Hilfsmittel (Fotogrammetrie) aus technischer Sicht nicht objektivierbar. Unter Berücksichtigung der Messtoleranzen müssten vom eingeblendeten Geschwindigkeitswert auf den Fotos noch 5 km/h abgezogen werden. Die vorwerfbare Geschwindigkeit würde dann 81 km/h betragen. Für diese reduzierte Geschwindigkeit wäre der Sekundenabstand zu bestimmen. Über welchen Zeitraum der Beschuldigte mit welcher Geschwindigkeit hinter dem Lkw nachgefahren ist, sei aus technischer Sicht nicht eruierbar, da die Fotos Momentaufnahmen darstellen.

 

Unter Zugrundelegung der oa gutachtlichen Äußerung des Verkehrstechnikers kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Bw tatbildlich gehandelt hat. Es fehlt für diese Annahme die Videoaufzeichnung. Die alternative fotogrammetische Auswertung der vorhandenen Fotos kann - wie der Sachverständige schlüssig ausgeführt hat - nicht vorgenommen werden. Auch wegen nicht eindeutig zuordbarer Fahrzeugkonturen und fehlender Referenzmaße ist aufgrund des oa Gutachtens auch eine größenordnungsmäßige Bestimmung des Fahrzeugabstandes nicht möglich. Der augenscheinlich am Foto erkennbare Abstand kann wegen der Zoom-Einstellung der Kamera ohne Hilfsmittel (fotogrammetische Auswertungen) ebenfalls aus technischer Sicht nicht objektiviert werden.

 

Da sohin die vorhandenen Beweismittel für den inkriminierten Tatbestand nicht ausreichend beweiskräftig sind, war in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" zu entscheiden.

 
3. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r