Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109501/4/Ki/Pe VwSen520456/9/Ki/Pe

Linz, 27.01.2004

 

 

 VwSen-109501/4/Ki/Pe
VwSen-520456/9/Ki/Pe
Linz, am 27. Jänner 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufungen des Herrn T S, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. B S, vom 25.11.2003, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 11.11.2003, VerkR96-26368-2003, wegen einer Übertretung der StVO 1960, sowie gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 7.11.2003, VerkR21-528-2003, wegen Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung nach dem FSG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 22.1.2004 zu Recht erkannt:

 

 

I. Den Berufungen wird Folge gegeben, sowohl das angefochtene Straferkenntnis als auch der Bescheid betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung werden behoben, das Verwaltungsstrafverfahren wird überdies eingestellt.

 

II. Betreffend das angefochtene Straferkenntnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z und 51 VStG; §§ 66 Abs 4 und 67a AVG iVm § 24 FSG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 11.11.2003, VerkR96-26368-2003, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 19.7.2003 um 20.40 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von 0,71 mg/l Atemluftalkoholgehalt (= 1,42 Promille Blutalkoholkonzentration) in Seewalchen a.A. auf der sogenannten "Pfarrwiese" unterhalb der ESSO-Tankstelle in Betrieb genommen. Er habe dadurch § 5 Abs 1 StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs 1a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 900 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 90 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

I.1.2. Weiters hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Bescheid vom 7.11.2003, VerkR21-528-2003, dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, E, F und G für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab 21.8.2003, das ist bis einschließlich 21.11.2003, entzogen und angeordnet, er habe sich auf seine Kosten einer Nachschulung bei einer vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ermächtigten Stelle zu unterziehen.

 

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen diese Bescheide mit Schriftsatz jeweils vom 25.11.2003 Berufung mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben. Begründet wird das Rechtsmittel im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Pfarrwiese um keine Straße mit öffentlichen Verkehr im Sinne des § 1 StVO 1960 handle. Beantragt wurde die zeugenschaftliche Einvernahme des Pfarrers der Marktgemeinde Seewalchen a.A.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufungen samt der Verfahrensakte dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung am 22.1.2004. An dieser Verhandlung nahm der Berufungswerber im Beisein seines Rechtsvertreters teil, die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat sich entschuldigt. Als Zeuge wurde der Pfarrer der Marktgemeinde Seewalchen a.A. einvernommen.

 

Der Berufungswerber bestritt nicht, dass er das KFZ am festgestellten Tatort in dem festgestellten alkoholisierten Zustand in Betrieb genommen hat, er bestreitet jedoch, dass es sich bei der Pfarrwiese um eine Straße mit öffentlichen Verkehr im Sinne des § 1 StVO 1960 handelt. Am Vorfallstag habe in Seewalchen a.A. ein Seespektakel stattgefunden und er sei mit Freunden dorthin gefahren. Sie hätten zunächst einen Parkplatz gesucht, aber feststellen müssen, dass bei allen Parkplätzen eine Gebühr zu entrichten sei. Sie hätten dann bemerkt, dass auf der Pfarrwiese bereits drei oder vier Autos gestanden sind und die schon anwesenden Leute befragt, ob man dort stehen bleiben dürfe. Es sei ihnen mitgeteilt worden, dass der Pfarrer die Erlaubnis erteilt hätte, man dürfe die Fahrzeuge dort abstellen. Sie hätten sich dann ebenfalls dort aufgehalten und vom Autoradio Musik gehört. In der Folge seien dann noch weitere Fahrzeuge (ca. 25) hinzugekommen. Als er bemerkte, dass die Batterie des Fahrzeuges leer werde, habe er dieses gestartet um die Batterie wieder aufzuladen. Dann sei ein Gendarmeriebeamter gekommen, dieser habe ihn zum Alkotest aufgefordert.

 

Bei der sogenannten "Pfarrwiese" handelt es sich um ein etwas abschüssiges Wiesengrundstück neben der B 151. Das Grundstück wird durch einen zum See führenden Zufahrtsweg aufgeschlossen, auf diesem Zufahrtsweg gilt ein allgemeines Fahrverbot (ausgenommen Anrainer). Diese Feststellung wird nach Einsichtnahme von im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgeführten Fotos (abgespeichert auf einer CD) getroffen.

 

Der Pfarrer der Marktgemeinde Seewalchen a.A. bestätigte bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme, dass die ggstl. Pfarrwiese zu den Pfarrpfründen Seewalchen gehört. Die Wiese werde von einem Nachbarbauern betreut, dieser mähe sie gelegentlich ab. Im konkreten Falle hätten ihn einige junge Leute ersucht, ob sie ihr Fahrzeug auf der Wiese abstellen dürften bzw. ob sie auch über Nacht bleiben könnten. Er habe ihnen die Erlaubnis erteilt, eine generelle Erlaubnis habe es jedoch nicht gegeben. Offenbar hätten in der Folge weitere Personen gesehen, dass dort eine Möglichkeit zum Abstellen der Fahrzeuge bestehe. Er habe dies dann nicht mehr verhindern können bzw. habe er die anderen nicht wegschicken wollen, wenn er den anderen vorher gestattet habe, ihr Fahrzeug abzustellen. Normalerweise komme es jedoch nicht vor, dass auf der Pfarrwiese Fahrzeuge abgestellt werden und es seien auch keinerlei Hinweisschilder angebracht, welche auf einen Parkplatz hinweisen würden.

 

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 872 Euro bis 4.360 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.5) angenommen werden muss, dass sie aufgrund ihrer Sinnesart beim Lenken von KFZ die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 leg.cit. zu gelten, wenn jemand ein KFZ gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß (§ 5 i.V.m.) § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz zu beurteilen ist.

 

Unbestritten bleibt, dass der Berufungswerber ein KFZ in Betrieb genommen hat, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand. Voraussetzung für die Strafbarkeit dieses Verhaltens bzw. das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, welche den Entzug der Lenkberechtigung bzw. die Anordnung der Nachschulung begründet, ist jedoch, dass sich das vom Berufungswerber in Betrieb genommene KFZ auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr befunden hat (§ 1 Abs.1 StVO 1960 bzw. § 1 Abs.1 FSG).

 

Als Straßen mit öffentlichem Verkehr gelten Straßen, die von jedermann unter gleichen Bedingungen benützt werden können. Auf die Eigentumsverhältnisse am "Straßengrund" kommt es nicht an.

 

Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs.1 Z1 StVO 1960 ist die Straße eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen.

 

Straßen sind demnach Landflächen, die dem Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr dienen, also der räumlichen Fortbewegung von einem Ort zu einem anderen Ort durch Personen oder Fahrzeuge (aus den vielfältigsten Motiven), wobei als Zweck der Fortbewegung die Raumüberwindung im Vordergrund stehen muss (siehe VwGH 2003/02/0073 v. 20.5.2003).

 

Im vorliegenden Falle handelt es sich bei der zu beurteilenden Grundfläche um ein Wiesengrundstück, welches zu den Pfarrpfründen Seewalchen a.A. gehört und seiner Bestimmung nach in keiner Weise als Abstellplatz für KFZ vorgesehen ist. Der Pfarrer hat ausnahmsweise einigen jungen Personen die Erlaubnis erteilt, auf diesem Grundstück die Nacht zu verbringen und damit notwendigerweise auch ihre KFZ abzustellen. Dass in der Folge weitere Personen ihre Fahrzeuge dort abgestellt haben, ändert nichts an der Ausnahmesituation. Im Vordergrund stand daher konkret nicht das Abstellen der Fahrzeuge, sondern das Verweilen auf dem Grundstück zum Zwecke des bloßen Aufenthaltes dort. Das Abstellen der Fahrzeuge war hier nur Nebenzweck und es kann sohin nicht davon ausgegangen werden, diese Wiese sei eine Landfläche, die der räumlichen Fortbewegung, insbesondere der Raumüberwindung, diente. Außerdem gab es seitens des Verfügungsberechtigten über das Grundstück keine generelle Erlaubnis zum Abstellen von Fahrzeugen, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Fläche von jedermann unter gleichen Bedingungen benützt werden konnte.

 

Aus den dargelegten Gründen vertritt der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Auffassung, dass es sich bei der ggstl. Pfarrwiese um keine Straße mit öffentlichem Verkehr in Sinne des § 1 StVO 1960 handelt, weshalb das dem BW zur Last gelegte Verhalten keine Verwaltungsübertretung und folglich auch keine bestimmte Tatsache betreffend Entzug der Lenkberechtigung und Anordnung der Nachschulung bildet. Es waren daher in Stattgebung der Berufungen sowohl das Straferkenntnis als auch der Bescheid betreffend Entzug der Lenkberechtigung und Anordnung der Nachschulung zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (§ 45 Abs.1 Z1 AVG).

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Sonstiges:

Es wird darauf hingewiesen, dass für die Berufung gegen den Bescheid bzgl. Entzug der Lenkberechtigung und Anordnung der Nachschulung eine Gebühr in Höhe von 13 Euro zu entrichten ist. Es wird ersucht, diese Gebühr mittels beiliegenden Zahlschein binnen zwei Wochen einzuzahlen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. K i s c h

 

 

Beschlagwortung:

"Pfarrwiese" keine öffentliche Verkehrsfläche iSd § 1 StVO 1960

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