Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109567/18/Kof/Hu

Linz, 13.01.2005

 

 

 VwSen-109567/18/Kof/Hu Linz, am 13. Jänner 2005

DVR.0690392
 
 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn WM vertreten durch
Herrn Rechtsanwalt Dr. ML gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 27.1.2004, VerkR96-6013-2002, nach Durchführung der mündlichen Verhandlungen vom 29.3.2004 und vom 11.1.2005 einschließlich Verkündung des Erkenntnisses zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu bezahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG

§ 5 Abs.1 VStG

§ 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis wie folgt erlassen:

"Sie haben

am

30.9.2002

um (von - bis)

16.50 Uhr

in

Linz, A7, Richtungsfahrbahn Nord, km 15,7 - Fußgängerübergang Koglerweg

als Lenker eines Fahrzeuges beim Fahren hinter dem nächsten, vor Ihnen fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, dass Ihnen jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, da Sie bei einer Fahrgeschwindigkeit von 117 km/h einen Sicherheitsabstand von lediglich 14 Meter zum Vorderfahrzeug einhielten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 18 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960)

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

180,00 Euro


falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

58 Stunden

Freiheitsstrafe von


Gemäß
§ 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

18,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/............) beträgt daher 198,00 Euro."

Der Bw hat gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 3.2.2004 eingebracht.

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:

Am 29.3.2004 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung -
in Anwesenheit des Bw sowie dessen Rechtsvertreters - durchgeführt und dabei die Videoaufzeichnung der gegenständlichen Abstandsmessung sowie der gesamten ca. 15 Sekunden langen Verkehrssituation besichtigt.

Aufgrund eines vom Bw gestellten Beweisantrages wurde diese Verhandlung vertagt.

Am 11.1.2005 wurde beim UVS eine neuerliche mündliche Verhandlung -
in Anwesenheit des Bw, dessen Rechtsvertreters sowie des verkehrstechnischen Amtssachverständigen - durchgeführt.

Auch bei dieser mündlichen Verhandlung wurde die Videoaufzeichnung mehrmals eingehend begutachtet.

Daraus ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

 
"Die Mühlkreisautobahn A7, Richtungsfahrbahn Freistadt weist im gegenständlichen Bereich drei Fahrstreifen (rechter, mittlerer, linker) auf.

Der Berufungswerber führte ab 16:50:27 Uhr einen Fahrstreifenwechsel vom mittleren auf den linken Fahrstreifen durch.

Dieser Fahrstreifenwechsel wurde durch das rechtswidrige Verhalten eines anderen KFZ-Lenkers, welcher vom rechten auf den mittleren Fahrstreifen unter Übertretung des § 11 Abs.1 StVO sowie ohne zu blinken gewechselt ist, erzwungen.

Der Wechsel des Bw auf den linken Fahrstreifen war spätestens bei Sek. 31 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Abstand vom Bw zum Vorderfahrzeug
ca. 5 Meter, die Geschwindigkeit des Berufungswerbers hat ca. 130 km/h betragen.

Bei Sek. 37 hat der Abstand des Bw zum Vorderfahrzeug ca. 14 Meter,
die Geschwindigkeit ca. 117 km/h betragen.

Voraussetzung für die Strafbarkeit ist ua fahrlässiges Verhalten iSd § 5 Abs.1 VStG.

Der Bw hätte durch "Weggehen vom Gas" bzw. eine "leichte Bremsung" den Sicherheitsabstand zum vorderen Fahrzeug noch weiter vergrößern können.

Die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt kann dem Bw nur dann vorgeworfen werden, wenn es ihm unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles auch zuzumuten war, diese (Sorgfalt) tatsächlich aufzuwenden. Sorgfaltsmaßstab ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Bw versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hätte der Bw folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch,
an seiner Stelle anders verhalten hätte;

siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band II, 2. Auflage, E 40 und
E 41 zu § 5 VStG (Seite 62f) zitierten VwGH-Entscheidungen.

Der Lenker eines nachkommenden Pkw braucht nicht damit zu rechnen, dass ein grob verkehrswidrig in die sich vor ihm befindliche Lücke schneidender dritter Verkehrsteilnehmer den für das gefahrlose Anhalten nötigen Tiefenabstand verkürzen werde; VwGH vom 29.8.1990, 89/02/0221.

Der Lenker des Nachfolgeverkehrs hat für Folgen, die auf eine für ihn nicht vorhersehbare Verkürzung seines Anhalteweges zurückgehen, nicht einzustehen, sofern sein Abstand zu einem rechtzeitigen Anhalten ohne diese Verkürzung ausgereicht hätte; VwGH vom 15.5.1979, 358/79 - zitiert in Messiner, StVO,
10. Auflage, E 15 zu § 18 StVO (Seite 413).

Falls ein Kraftfahrzeuglenker auf einen etwaigen - krassen - Fahrfehler eines anderen Straßenbenützers nicht optimal reagiert, bedeutet dies nicht zwingend, dass dieser Kfz-Lenker fahrlässig im Sinne des § 5 Abs.1 VStG gehandelt hat;

vgl. VwGH vom 22.9.1977, Gz. 0183/76.

Jene Verkehrssituation, welche dem Bw im erstinstanzlichen Straferkenntnis zur Last gelegt wurde, ist (zumindest nahezu) zur Gänze auf das grob rechtswidrige Fahrverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers - welcher (wie dargelegt) eine Übertretung des § 11 Abs.1 StVO begangen hat - zurückzuführen.

Dem Bw kann daher - selbst wenn er nicht in allen Einzelheiten optimal reagiert haben sollte - ein fahrlässiges Verhalten iSd § 5 Abs.1 VStG nicht vorgeworfen werden!

Es war daher der Berufung stattzugeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben, das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen und spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 66 Abs.1 VStG hat der Bw keine Verfahrenskostenbeiträge zu bezahlen.

 
 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Kofler

 
Beschlagwortung:
§ 18 Abs.1 StVO; § 5 Abs.1 VStG - KEIN fahrlässiges Verhalten

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