Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109660/6/Fra/Da

Linz, 30.06.2004

 

 

 VwSen-109660/6/Fra/Da Linz, am 30. Juni 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn M B, R, R, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. N N, R, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23. Februar 2004, VerkR96-1113-2003-Br, betreffend Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 17. Juni 2004, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 und 2 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 726 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt, weil er am 3.5.2003 um 14.50 Uhr auf der B310 bei Strkm 34,157 im Ortschaftsbereich von Galgenau, Gemeinde Kefermarkt, Fahrtrichtung Linz, als Lenker des Motorrades das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) missachtet habe, indem er bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h laut Lasermessung eine Geschwindigkeit von 151 km/h gefahren sei. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Im Rechtsmittel wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Meldungsleger Bezirksinspektor K im Widerspruch zum Anzeigeninhalt ausgeführt habe, sein Standort sei bei Strkm 34,324 gewesen. Unter Berücksichtigung der Messdistanz von 172 m würde dies sohin unter der Bedingung, dass der in Fahrtrichtung Linz abfließende Verkehr gemessen wurde und die Kilometrierung in Fahrtrichtung Linz fällt als richtigen Tatort 34,152 ergeben. Überdies sei mit keiner für das Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit gewährleistet, dass tatsächlich er und nicht der dahinter befindliche Zeuge N gemessen wurde. Zu der niederschriftlichen Einvernahme des Meldungslegers Inspektor W vom 26.11.2003 verweist der Bw darauf, dass dieser angab, das Motorrad mit dem Kennzeichen über Anweisung seines Kollegen BI K angehalten zu haben. Eine derartige Identitätsüberprüfung sei bei einem im Annäherungsverkehr befindlichen Motorrad aber nicht möglich. Es sei nicht bewiesen, dass das Messergebnis tatsächlich von seinem Motorrad mit dem behördlichen Kennzeichen stamme. Weiters verweise er darauf, dass das Lasermesserprotokoll zwar mehrfach den Messort "B310, Galgenau" aufweise, dies aber in einer Zeitspanne von 13.5.2003 bis 24.6.2003. Der wesentliche angebliche Tatzeitpunkt 3.5.2003 sei in diesem Messprotokoll nicht enthalten. Zu dem bringt der Bw vor, zum angeblichen Tatzeitpunkt mit einer Gruppe von ca. 20 befreundeten Motorradfahrern unterwegs gewesen zu sein. Ziel der Fahrt war in der Nähe von Steyr. Dort wollten sie in einem Gasthaus übernachten und am nächsten Tag die Heimfahrt antreten. Er sei mit dem Motorrad an vorletzter Stelle innerhalb der Gruppe gefahren. Kurz vor dem Ortsausgang Freistadt sei seine Gruppe auf Grund der Verkehrsverhältnisse zwischen ihm und seinem Vordermann abgerissen. Er sei davon ausgegangen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h in Verbindung mit einer Betriebsausfahrt gegolten habe. Da es die ruhige Verkehrslage erlaubt habe, habe er mit seinem Motorrad beschleunigt, um wieder zu den anderen aufzuschließen. Da es sich bei diesem Ausflug um die erste im Jahre 2003 handelte und ihm deshalb sein Motorrad noch etwas ungewohnt war, habe er wohl das Beschleunigungsvermögen seines Motorrades unterschätzt. Als er das Schild "zulässige Höchstgeschwindigkeit 70 km/h aufgehoben" passierte, erschrak er, da er schon nach der Betriebsausfahrt beschleunigt hatte. Er sei vom Gas gegangen und habe gebremst. Kurz darauf seien er und der letzte Fahrer in der Gruppe, Herr R N, von einer Polizeistreife in einer Bushaltestelle zum Anhalten aufgefordert worden. Anschließend habe ihn der Beamte über die Lasermessung informiert. Als er ihm die festgestellte Geschwindigkeit genannte habe, sei er sehr erschrocken gewesen, da er mit einer so hohen Geschwindigkeit nicht gerechnet hatte. Ihm sei auf Grund des unterschätzten Beschleunigungsvermögens klar gewesen, dass er wohl schneller als 70 km/h war, doch die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeit habe ihn doch sehr geschockt. Er sei ein sehr besonnener Fahrer, der sich an Geschwindigkeitsbeschränkungen und Verkehrsregeln halte. Auch in Flensburg habe er noch keinerlei Eintragungen. Er sei vom Beamten noch darüber informiert worden, dass in derartigen Fällen eine Anzeige gemacht werden müsse. Ein anderer Beamter sei inzwischen bei Herrn R N gewesen. Dieser habe ein Organmandat bezahlt. Abschließend stellt der Bw u.a. einen Antrag das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, dies nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung in Verbindung mit einem Lokalaugenschein am 17. Juni 2004 erwogen:

 

Das Beweisverfahren hat weder mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ergeben, dass a) eine richtige Tatörtlichkeit angelastet wurde, b) dass das vom Bw gelenkte Motorrad gemessen wurde und c) dass die Messung verwertbar war.

 

Was die Tatörtlichkeit anlangt, ist auf die erste Widersprüchlichkeit insoferne hinzuweisen, als in der Anzeige der Verkehrsabteilung - Außenstelle Neumarkt im Mühlkreis vom 3.5.2003 angeführt ist, der Standort des Meldungslegers sei bei Strkm 34,329 gewesen, während BI K in seiner zeugenschaftlichen Aussage vom 27. November 2003 vor der Bezirkshauptmannschaft Freistadt angegeben hat, sein Standort sei bei Strkm 34,324 gewesen. Bei der Berufungsverhandlung hat der Zeuge BI K eine "Nachmessung" des Standortes vorgenommen. Dies sowohl hinsichtlich der Kilometrierung 34,200 als auch 34,380. Bei beiden Messergebnissen konnten weder der in der Anzeige angegebene Standort Strkm 34,324, noch der in der zeugenschaftlichen Angabe des Meldungslegers angegebene Standort 34,329 verifiziert werden. Unter Berücksichtigung der nicht nachprüfbaren Messdistanz von 172 m kann sohin der Tatort nicht ausreichend objektiviert werden.

 

Das Beweisverfahren hat auch nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren nötigen Sicherheit ergeben, dass die Messung tatsächlich das Motorrad des Bw betraf. Der Zeuge BI K hat nicht ausreichend darlegen können, auf Grund welcher Tatsachen er das Motorrad des Bw gemessen haben soll. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der Meldungsleger BI K bei der Berufungsverhandlung angegeben hat, dass eine Gruppe von ca. acht Motorradfahrern auf der B310 von Richtung Freistadt in Richtung Linz gefahren sei. Diese Motorradfahrer habe er nicht gemessen. Nach ca. einer Minute sei dann wieder ein Motorradfahrer gekommen, den er auch nicht gemessen habe. Er habe gehört, dass noch einer nachkommt, das war seiner Erinnerung nach der Bw. Er habe seinem Kollegen durchgegeben, dass noch ein Motorradfahrer komme. Das Kennzeichen habe er nicht sehen können, weil man dieses bei dieser Geschwindigkeit nicht entziffern könne. Dieses durchaus glaubhafte Vorbringen steht jedoch im Widerspruch mit der Aussage des Insp. W im erstinstanzlichen Verfahren vom 26. November 2003 insoferne, als dieser Beamte angegeben hat, "von seinem Kollegen die Mitteilung bekommen zu haben, dass der Beschuldigte, der das Motorrad mit dem Kennzeichen auf der B310 im Ortschaftsbereich von Galgenau, Gemeinde Kefermarkt, in Richtung Linz gelenkt hat, laut der von ihm durchgeführten Lasermessung eine Geschwindigkeit von 156 km/h gefahren ist". BI brachte bei der Berufungsverhandlung vor, gewusst zu haben, welchen Helm der Motorradfahrer, den er gemessen hat, getragen habe und welche Lederbekleidung. Er habe den Standort abgebrochen und sei zu seinem Kollegen gefahren. Diesem habe er gesagt, dass er den letzten Motorradfahrer gemessen habe. Demgegenüber brachte der Bw, der von Deutschland zur Berufungsverhandlung angereist ist, im Rahmen dieser vor, dass er in einer Gruppe von ca. 20 Motorradfahrern unterwegs gewesen sei. Er sei an vorletzter Stelle gefahren, hinter ihm Herr R N. Bei der Betriebseinfahrt habe er die 70 km/h Beschränkung wahrgenommen. Es sei richtig, dass er auf die Gruppe wieder aufschließen habe wollen, weshalb er beschleunigt habe. Bei der Bushaltestelle sei er zur Seite gewunken worden, ebenfalls der hinter ihm fahrende Herr R N. Er habe sicher nicht mehr Herrn BI K sondern mit Insp. W gesprochen. Herr N habe ein Organmandat bezahlen müssen. Aus seiner Sicht müsste BI K den letzten Fahrer der Gruppe gemessen haben. Es sei Herr N gewesen.

 

Auf Grund dieser widersprüchlichen Aussagen, kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass Herr BI K tatsächlich das vom Bw gelenkte Motorrad gemessen hat.

 

Zur Unverwertbarkeit der Messung ist festzustellen:

Laut im Akt befindlichen Eichschein wurde das Messgerät Bauart, Type: LTI 20.20 TS/KM-E, Identifikations Nr. 7355, verwendet. Laut Punkt 2.7 der Verwendungsbestimmungen für dieses Gerät sind für die einwandfreie Funktion des Laser-VKGM mehrere näher beschriebene Kontrollen vor Beginn der Messung, während der Messungen mindestens jede halbe Stunde, sowie nach jedem Wechsel des Aufstellungsortes zur Überprüfung vorgeschrieben. Wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden, gilt das Laser-VKGM als fehlerhaft und darf nicht weiterverwendet werden. Die Durchführung der Kontrollen ist demnach eine notwendige Bedingung für die Wertung der danach folgenden Geschwindigkeitsmessungen als richtig. Beim im Akt befindlichen Messprotokoll fällt Folgendes auf: Die Chronologie des Messprotokolls "passt" insoferne nicht, als dieses in der ersten Zeile eine Messung vom 13.5.2003 und in der letzten Zeile eine Messung vom 24.6.2003 aufweist. Eine Messung vom 3.5.2003 ist in der zehnten Zeile "eingeflickt". Nach diesem Protokoll war Messbeginn 15.21 Uhr und Messende 16.00 Uhr. In der Rubrik "Messorgan Unterschrift und Datum" befindet sich der Namenszug "K". Der Meldungsleger BI K verwies zu dieser unstimmigen Chronologie auf seinen Kollegen W. Er sagte auch aus, dass der Namenszug "K" von seinem Kollegen W eingetragen wurde. Auch zu den Eintragungen unter den Rubriken Messbeginn und Messende und darüber befragt, ob zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt "14.50 Uhr" ein Messprotokoll existiert, gab der Meldungsleger u.a. an, nachgeschaut zu haben, aber keines gefunden zu haben.

 

Auf Grund dieser vielen Ungereimtheiten kommt der Oö. Verwaltungssenat zur Überzeugung, dass hier keine verwertbare Messung vorliegt, die Tatörtlichkeit sowie der Umstand nicht einwandfrei feststeht, ob tatsächlich der Bw gemessen wurde, weshalb aus den angeführten Gründen spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

Dr. F r a g n e r