Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-109778/11/Fra/He

Linz, 19.10.2004

 

 

 VwSen-109778/11/Fra/He Linz, am 19. Oktober 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn MB in D-....., L vertreten durch die Damen und Herren Rechtsanwälte und Notare M E & P gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. Mai 2004, VerkR96-10815-2002, betreffend Übertretungen der StVO, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 5. Oktober 2004, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Die Berufung wird hinsichtlich der Fakten 1 (§ 52 lit.a Z10a StVO 1960), 5 und 7 (jeweils § 20 Abs.2 StVO 1960) hinsichtlich der Schuld als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Strafen wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe hinsichtlich des Faktums 1 (§ 52 lit.a Z10a StVO 1960) auf 350 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden), die Geldstrafe hinsichtlich des Faktums 5 (§ 20 Abs.2 StVO 1960) auf 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) und die Geldstrafe hinsichtlich des
    Faktums 7 (§ 20 Abs.2 StVO 1960) auf 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe
    48 Stunden) herabgesetzt wird.
  2. Hinsichtlich der Fakten 2, 4, 6 und 8 (jeweils § 18 Abs.1 StVO 1960) und 3
    (§ 52 lit.a Z10a StVO 1960) wird der Berufung Folge gegeben. Diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

     

  3. Hinsichtlich der Verfahren zu den Fakten 1 (§ 52 lit.a Z10a StVO 1960), 5 und 7 (jeweils § 20 Abs.2 StVO 1960) ermäßigt sich der Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren auf jeweils 10 % der neu bemessenen Strafen, das sind insgesamt 60 Euro. Für die Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat sind hinsichtlich dieser Fakten keine Kostenbeiträge zu zahlen.

Zu den Verfahren hinsichtlich der Fakten 2, 4, 6 und 8 (jeweils § 18 Abs.1 StVO 1960) und 3 (§ 52 lit.a Z10a StVO 1960) entfällt für den Berufungswerber die Verpflichtung zur Entrichtung eines Kostenbeitrages sowohl für das erstinstanzliche als auch für das Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG; § 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG.

zu II.: §§ 64, 65 und 66 Abs.1 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:
 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen

  1. Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 508 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 168 Stunden),
  2. Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 180 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden),
  3. Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 218 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden),
  4. Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 180 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden),
  5. Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 109 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden),
  6. Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 180 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden),
  7. Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 218 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) und
  8. Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 180 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden), verhängt, weil er

am 25.3.2002 das Kraftfahrzeug auf der A 1 in Fahrtrichtung Wien gelenkt und dabei

  1. um 12.53 Uhr im Gemeindegebiet Ansfelden bei Strkm. 168,100 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 71 km/h überschritten hat,
  2. um 12.55,30 Uhr im Gemeindegebiet Linz bei Strkm. 164,200 keinen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten hat, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird, weil er lediglich eine Fahrzeuglänge zum Vorderfahrzeug eingehalten habe,
  3. um 12.55,52 Uhr im Gemeindegebiet St. Florian bei Strkm. 163,300 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 50 km/h überschritten habe,
  4. um 12.56,05 Uhr im Gemeindegebiet St. Florian bei Strkm. 163,000 lediglich einen Sicherheitsabstand von einer Fahrzeuglänge zum Vorderfahrzeug eingehalten habe,
  5. um 1.56,39 Uhr im Gemeindegebiet St. Florian bei Strkm. 161,650 die höchste zulässige Geschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h um 32 km/h überschritten habe,
  6. um 12.57,00 Uhr im Gemeindegebiet St. Florian bei Strkm. 160,800 lediglich einen Sicherheitsabstand von einer Fahrzeuglänge zum Vorderfahrzeug eingehalten habe,
  7. um 12.58,14 Uhr im Gemeindegebiet Enns bei Strkm. 157,900 die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 46 km/h überschritten habe und
  8. um 12.58,23 Uhr im Gemeindegebiet Enns bei Strkm. 157,350 lediglich einen Sicherheitsabstand von einer Fahrzeuglänge zum Vorderfahrzeug eingehalten habe.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 5. Oktober 2004 erwogen:

Zu den Fakten 1 (§ 52 lit.a Z10a StVO 1960), 5 und 7 (jeweils § 20 Abs.2 StVO 1960):

Diese Fakten sind erwiesen. Der Oö. Verwaltungssenat stützt sich insofern auf die Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, Verkehrsabteilung, Außenstelle Haid, vom 25.4.2002, GZ-647/02-He, die im Akt befindlichen Lichtbilder sowie auf die zeugenschaftliche Aussage des Meldungslegers RI H bei der Berufungsverhandlung. Lt. der oa. Anzeige wurde die inkriminierten Tatbestände durch Nachfahren im annähernd gleichbleibenden Abstand mittels ProVida-Anlage festegestellt. Bei der Berufungsverhandlung befragt, gab der Zeuge an, dass er sich bei der in den Lichtbildern links unten eingeblendeten Geschwindigkeit um die zuletzt gespeicherte Durchschnittsgeschwindigkeit des Dienstkraftwagens handelt. Dies sei wahrscheinlich die Durchschnittsgeschwindigkeit bei der Aufholfahrt gewesen. Die auf den Lichtbildern rechts unten eingeblendete Geschwindigkeit stellt die jeweils eingehaltene Geschwindigkeit des Dienstkraftwagens dar. Da die Videoaufzeichnungen bei der Berufungsverhandlung nicht mehr zur Verfügung standen, weil sie bereits überspielt wurden, wurde der Zeuge eingehend darüber befragt, ob der Nachfahrabstand gleichbleibend war. Der Zeuge schilderte glaubhaft, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen, welche mittels ProVida-Anlage festgestellt werden, nur dann zur Anzeige gebracht werden, wenn der Abstand zum verfolgten Fahrzeug annähernd glich ist. Ihm sein klar, dass, wenn sich das Zivilstreifenfahrzeug noch im Aufholvorgang befindet, dieser Umstand nicht tauglich für den Beweis einer Geschwindigkeitsfeststellung des Vorderfahrzeuges und durch den Film auch leicht widerlegbar wäre. Was die konkreten angezeigten Sachverhalte betrifft, so sei der Abstand zum Beschuldigtenfahrzeug mit Sicherheit annähernd konstant gewesen. Der Nachfahrabstand betrage in der Regel ca. 100 Meter.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat keine Veranlassung, diese unbedenklichen Aussagen hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes in Zweifel zu ziehen. Der Zeuge wirkte äußerst sachlich und es kann kein Grund gefunden werden, dass dieser den ihm unbekannten Beschuldigten wahrheitswidrig belasten sollte. Zudem ist zu bedenken, dass der Zeuge seine Aussagen unter Wahrheitspflicht abgelegt hat.

 

Die dem Bw zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen sind sohin erwiesen, wobei ergänzend auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird, wonach das Nachfahren mit einem Dienstkraftfahrzeug in annähernd gleichbleibendem Abstand auf einer entsprechend langen Wegstrecke, wo mehrere hundert Meter ausreichend sind, ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung eines von einem Fahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit darstellt. Und zwar selbst dann, wenn der Tachometer ungeeicht ist, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung 20 bis 40 km/h beträgt, weil auch bei Einrechnung einer allgemein üblichen Toleranz für ungeeichte Tachometer dennoch Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten gegeben sind. Was das Faktum 1 anlangt, wurde von der angezeigten geeichten Nachfahrgeschwindigkeit eine Toleranz von 5 % abgezogen, woraus die Geschwindigkeit von 172 km/h resultiert. Dasselbe gilt für die Fakten 5 und 7.

 

Was die Strafbemessung anlangt, so folgt der Oö. Verwaltungssenat mangels anderer Angaben der Einschätzung der Behörde insoferne, als der Bw ein monatliches Einkommen von 1.200 Euro bezieht, vermögenslos ist sowie keine Sorgepflichten hat. Zutreffend hat bereits die belangte Behörde die lange Verfahrensdauer als strafmildernd berücksichtigt. Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates wurde jedoch zu wenig der Umstand der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit berücksichtigt. Dieser fällt als strafmildernd besonders ins Gewicht. Erschwerende Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Strafen waren daher tat- und schuldangemessen herabzusetzen.

 

Dem Einwand des Bw, dass die "Angelegenheit verjährt sei" ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. September 2002 eine rechtzeitige und taugliche Verfolgungshandlung gesetzt hat und diesbezüglich die Verjährungsfrist unterbrochen wurde.

 

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Faktum 3 (§ 52 lit.a z10a StVO 1960):

Auf dem Originallichtbild ist erkennbar, dass der Pkw des Bw abgebremst wird, da die Bremslichter leuchten. Die angezeigte Nachfahrgeschwindigkeit des Zivilstreifenwagens von 131 km/h (138 km/h minus 5 %) kann sohin nicht auf den Pkw des Bw übertragen werden. Da nicht bekannt ist, wie lange die Bremsphase dieses Pkw´s dauerte und wie stark abgebremst wurde, kann auch zur Geschwindigkeit des Bw keine Aussage getroffen werden. Auch der Zeuge konnte bei der Berufungsverhandlung nicht ausschließen, dass sich der Nachfahrabstand zum Beschuldigten-Pkw verringert habe.

Zu den Fakten 2, 4, 6 und 8 (jeweils § 18 Abs.1 StVO 1960):

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Wesentliche Vorraussetzung der Erfüllung der hier zu beurteilenden Tatbildmäßigkeit ist somit die plötzliche Abbremsung des vorderen Fahrzeuges. In der Umschreibung des Faktums 2 ist dieses Tatbestandsmerkmal enthalten, jedoch nicht in der Umschreibung der Fakten 4, 6 und 8, weshalb diese Tatbeschreibungen nicht den Kriterien des § 44a Z1 VStG entsprechen. Zu dieser Bestimmung gibt es eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. So muss nach dieser Rechtsprechung der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass der Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt und die als erwiesen angenommene Tat alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes enthalten muss, dh. sie ist nach allen Wesenmerkmalen zu kennzeichnen. Die hier relevanten Fakten sind auch insofern mangelhaft umschrieben, als sie zwar eine Feststellung des Abstandes enthalten, nicht jedoch die erforderliche Relation zur eingehaltenen Geschwindigkeit herstellen. Diese Verknüpfung kann auch nicht zu den vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitungen hergestellt werden, da jene andere Tatörtlichkeiten betreffen. Während der Verfolgungsverjährungsfrist wurde keine ausreichend taugliche Verfolgungshandlung gesetzt. Dem Beschuldigten die Pflicht aufzulegen, aus einer unzureichenden Verfolgungshandlung interpretativ zu ermitteln, was ihm konkret zur Last gelegt wird, muss aus Rechtschutzüberlegungen abgelehnt werden. Hinsichtlich dieser Fakten ist sohin Verfolgungsverjährung eingetreten, die der Oö. Verwaltungssenat von Amts wegen aufzugreifen hatte, weshalb die Verfahren nach § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen waren.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 
II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 

Dr. F r a g n e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum