Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109795/2/Ki/Wü

Linz, 16.06.2004

 

 

 VwSen-109795/2/Ki/Wü Linz, am 16. Juni 2004

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des H S, O, S, vertreten durch Rechtsanwälte, Dr. G Z und Dr. R Z, M, R, vom 25.5.2004 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 10.5.2004, VerkR96-3791-2003, wegen einer Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 45 Abs.1 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 3 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft hat mit Straferkenntnis vom 10.5.2004, VerkR96-3791-2003, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe im Zeitraum von mindestens 4.7.2003, 15.49 Uhr, bis 4.7.2003, 16.13 Uhr, den Sattelanhänger mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet St. Marienkirchen/Schärding auf der A 8 Innkreis Autobahn auf der Richtungsfahrbahn Passau bei Strkm 72,150 ohne Zugfahrzeug ohne Ladetätigkeit auf der Fahrbahn stehen gelassen, obwohl unbespannte Fuhrwerke, Anhänger ohne Zugfahrzeuge sowie Transportbehälter zur Güterbeförderung (wie Container, Lademulden u. dgl.) nur während des Beladens und Entladens auf der Fahrbahn stehen gelassen werden dürfen. Er habe dadurch § 23 Abs. 6 StVO 1960 verletzt.

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro ( Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden ) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung des Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 5 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 25.5.2004 Berufung mit den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat wie folgt erwogen:

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos Oö. (Außenstelle Ried/Innkreis) vom 4.7.2003 zu Grunde. Danach wurde vom Meldungsleger festgestellt, dass der im Spruch des Straferkenntnisses bezeichnete Sattelanhänger ohne Zugfahrzeug am 4.7.2003 von 15.49 Uhr bis 16.13 Uhr im Bereich des festgestellten Tatortes abgestellt war.

Dies wird vom Berufungswerber auch nicht bestritten, er vertritt jedoch die Auffassung, dass der Vorwurf der Verwaltungsübertretung zu Unrecht erfolgt sei.

Er argumentiert, dass § 23 Abs 6 StVO ausdrücklich zwischen Parkplätzen und Fahrbahn unterscheide. Es sei aus dieser Bestimmung die Sinnhaftigkeit nicht abzuleiten weshalb das Abstellen von Fahrzeugen auf einem Parkplatz mit angehängter Zugmaschine der mehr Parkraum benötige nicht sanktioniert wäre, während das Abstellen von Fahrzeugen auf einer als Parkplatz gekennzeichneten Fläche gesetzwidrig sein soll.

Abgesehen davon handle es sich beim gegenständlichen Transport um einen genehmigungspflichtigen Schwertransport, welcher ein Verlassen der vorgesehen Fahrtroute verbiete. Ein Weiterfahren sei nicht gestattet, ebenso wenig ein Verlassen der Autobahn. Worin die Sinnhaftigkeit liegen solle wenn das komplette Fahrzeuggespann auf dem Parkplatz abgestellt werde, womit nur mehr Parkfläche verwendet werde, als bei einem nicht angekoppelten Sattelzugfahrzeug, lasse die Entscheidung unbegründet.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, dass eine als Parkplatz gekennzeichnete Fläche zum Abstellen von Fahrzeugen diene, unabhängig davon ob nun die Zugmaschine vom Anhänger getrennt sei oder nicht. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher die Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, dass das Abstellen des Sattelauflegers auf einer als Parkplatz gekennzeichneten Fläche jedenfalls zulässig sei, nicht zuletzt auch deshalb weil auf Grund des speziellen Schwertransportes ein Verlassen der vorgegebenen genehmigten Route rechtswidrig gewesen wäre.

Die Bezirkshauptmannschaft Schärding führt in der Begründung ihres Straferkenntnisses an, dass eine Ladetätigkeit auf einem gegenständlichen Parkplatz unmöglich sei und somit das Verbot nach § 23 Abs. 6 StVO auch für Autobahnparkplätze gilt. Es sei unerheblich, ob mit einem Anhänger ein Schwertransport durchgeführt werde oder nicht.

Auch ein Parkplatz sei ein für den Fahrzeugverkehr bestimmter Teil der Straße und somit Fahrbahn im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 StVO. Auf diesen Umstand habe auch die Wirtschaftskammer in der Zeitschrift "Straßengüterverkehr" in Ausgabe 2/99 hingewiesen, das Verbot gelte auch für einen Sattelanhänger. Aus diesem Grund sei das Parken eines Anhängers ohne Zugfahrzeug auch für einen Parkplatz (unabhängig davon, ob es sich um einen Kurzzeit- oder Langzeitparkplatz handle) prinzipiell untersagt. Anhänger würden nur auf privaten, nicht für den öffentlichen Verkehr freigegebenen Abstellplätzen ohne Zugfahrzeug abgestellt werden dürfen.

Es sei Sache der firmeninternen Logistik, dafür zu sorgen, dass bei einem im Grenzbereich erforderlichen Abstellen eines Sattelanhängers ein geeigneter legal zu benützender privater und nicht für den öffentlichen Verkehr freigegebener Abstellplatz zur Verfügung stehe. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, das gegenüber dem Shellautohof in Suben ein vom Shellautohofverwalter verwalteter Abstellplatz für Lastkraftfahrzeuge und Anhänger existiere, welcher abgeschrankt und somit nicht dem öffentlichen Verkehr freigegeben sei.

Der Berufungswerber habe auch nicht auf unbillige Wirtschaftserschwernis oder sonstige wichtige Gründe für das Stehenlassen geltend machen können, da diese Kriterien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit einer am Abstellort durchzuführenden, Ladetätigkeit stehen müssten.

Der Berufungswerber habe auch nicht glaubhaft machen können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

Gemäß § 23 Abs. 6 StVO 1960 dürfen unter anderem Anhänger ohne Zugfahrzeug nur während des Beladen oder Entladens auf der Fahrbahn stehen gelassen werden, es sei denn, das genannte Fahrzeug kann nach der Ladetätigkeit nicht sofort entfernt werden, das Entfernen wäre eine unbillige Wirtschaftserschwernis oder es liegen sonstige wichtige Gründe für das Stehenlassen vor.

Unbestritten war der verfahrensgegenständliche Sattelanhänger am festgestellten Tatort während der festgestellten Tatzeit ohne Zugfahrzeug abgestellt. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding vermeint, dies ist jedenfalls aus der Begründung des Straferkenntnisses abzuleiten, dass sich der Berufungswerber nicht auf unbillige Wirtschafterschwernis oder sonstige wichtige Gründe für das Stehenlassen berufen könne, da diese Kriterien ausschließlich in Verbindung mit einer am Abstellort durchzuführenden Ladetätigkeit stehen müssten.

Dieser Auffassung schließt sich der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. nicht an. Ausdrücklich ist in § 23 Abs.6 StVO 1960 festgehalten, dass außer während des Beladens oder Entladens des Fahrzeuges ein Stehenlassen dann zulässig ist, wenn die dort genannten Fahrzeuge nach der Ladetätigkeit nicht sofort entfernt werden können oder das Entfernen eine unbillige Wirtschaftserschwernis wäre oder es sonstige wichtige Gründe für das Stehenlassen gibt. Dem Wortlaut dieser Bestimmung nach ist daher nicht nur zu prüfen, ob eine Ladetätigkeit, sondern auch, ob allenfalls eine unbillige Wirtschafterschwernis oder ein sonstiger wichtiger Grund für das Stehenlassen vorliegt.

Im vorliegenden Falle hat sich der Berufungswerber dahingehend gerechtfertigt, es habe sich um einen genehmigungspflichtigen Schwertransport gehandelt, welcher ein Verlassen der vorgesehen Fahrtroute verbiete. Die Berufungsbehörde vertritt die Auffassung, dass dieser Umstand durchaus ein wichtiger Grund im Sinne des § 23 Abs.6 StVO 1960 sein könnte. Um den Fall endgültig beurteilen zu können, wären konkretere Ermittlungen erforderlich, aus welchem Grund der Anhänger tatsächlich am Parkplatz abgestellt wurde bzw. welche Umstände sonst eine allfällige Rechtmäßigkeit des Verhaltens begründen würden.

In diesem Zusammenhang ist der Argumentation der Bezirkshauptmannschaft Schärding beizupflichten, das entsprechende Umstände durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und die Beibringung von Beweismitteln bzw. Stellung konkreter Beweisanträge glaubhaft zu machen sind. Diesbezüglich sind die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers jedenfalls knapp gehalten.

Ungeachtet dieser Problematik ist jedoch der Berufung aus folgendem Grund Folge zu geben.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch (eines Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Beschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen bzw. sich rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Demnach ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die vorgeworfene Tat in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale exakt beschrieben wird.

Wie bereits dargelegt wurde, ist das Abstellen eines Anhängers ohne Zugfahrzeug auf der Fahrbahn nur zulässig, wenn entweder das Fahrzeug beladen oder entladen wird, das Fahrzeug nach der Ladetätigkeit nicht sofort entfernt werden kann, das Entfernen eine unbillige Wirtschaftserschwernis wäre oder sonst wichtige Gründe für das Stehenlassen vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, dass das Fehlen eines wichtigen Grundes für das Stehenlassen eines Anhängers auf der Fahrbahn ein wesentliches Sachverhaltselement darstellt, das gemäß § 44a Z1 VStG in den Bescheidspruch aufzunehmen ist (VwGH 25.9.1986, 86/02/0055).

Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat zwar in der Begründung ihres Straferkenntnisses auch zum Ausdruck gebracht, dass im vorliegenden Falle kein wichtiger Grund für das Abstellen des Fahrzeuges auf der Fahrbahn vorliegt, im Spruch des Straferkenntnisses findet sich ein entsprechender Hinweis aber nicht und es wurde diesbezüglich innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Verfolgungsverjährungfrist (§ 31 Abs.2 VStG) keine taugliche Verfolgungshandlung  (§ 32 Abs.2 VStG) vorgenommen.

Nachdem gemäß § 31 Abs.1 VStG die Verfolgung einer Person unzulässig ist, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist, ist es dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö verwehrt, den Schuldspruch im Hinblick auf das fehlende wesentliche Tatbestandsmerkmal zu ergänzen und es kann daher im vorliegenden Falle auch dahingestellt bleiben, in wie weit tatsächlich ein wichtiger Grund zum Abstellen des Fahrzeuges vorgelegen wäre.

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Entsprechend dieser Bestimmung war daher der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Der Ordnung halber wird der Berufungswerber jedoch darauf hingewiesen, dass entgegen seiner Auffassung es sich bei der verfahrensgegenständlichen Verkehrsfläche sehr wohl um eine Fahrbahn im Sinn der Definition des § 2 Abs.1 Z2 StVO 1960 handelt, zumal es sich bei dieser Fläche um einen für den Fahrzeugverkehr bestimmten Teil der Strasse handelt. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oö. ist unter Fahrzeugverkehr sowohl der fließende als auch der ruhende Verkehr zu verstehen.

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. K i s c h

 

 

Beschlagwortung:

§ 23 Abs.6 StVO 1960 - "sonstige wichtige Gründe" - wesentliches Tatbestandsmerkmal.