Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109870/9/Ki/Wü

Linz, 28.09.2004

 

 

 VwSen-109870/9/Ki/Wü Linz, am 28. September 2004

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des P S, R, W v.d. M vom 21.06.2004 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 04.06.2004, VerkR96-2847-2003-Hof, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 23.09.2004 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird in allen Punkten behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit Straferkenntnis vom 04.06.2004, VerkR96-2847-2003; Hof, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 31.10.2003 um 20.30 Uhr im Gemeindegebiet von Altenfelden auf der B 127 von Linz kommend in Richtung Rohrbach zwischen Strkm 37,650 und 37,950 mit dem PKW

 

  1. behördliches Kennzeichen vor einer unübersichtlichen Stelle eine Fahrzeugkolonne überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.
  2.  

  3. Weiters hätte er dabei die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 20 km/h überschritten.
  4.  

  5. Bei der unter Punkt 1) angeführten Fahrt habe er in weiterer Folge vor einer unübersichtlichen Stelle zwischen Strkm. 38,900 - 39,400 eine Fahrzeugkolonne von mehrspurigen Fahrzeugen überholt.

 

Er habe dadurch

  1. § 16 Abs.1 lit c StVO i.V.m. § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960,
  2. § 20 Abs.2 StVO i. V. m § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960
  3. § 16 Abs.2 lit. b StVO i.V. m § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960 verletzt.

Gemäß § 99 Abs.3 lit a StVO 1960 wurden Geld bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, weiters wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach stützt die Schuldsprüche des Straferkenntnisses im Wesentlichen auf eine Privatanzeige von Herrn B P bzw. auf die Rechtfertigungsangaben des Berufungswerbers, wonach er eine Geschwindigkeit von 120 km/h auf seinem Tacho habe ablesen können.

 

I.2 Der Rechtsmittelwerber erhob gegen das Straferkenntnis mit Schreiben vom 21.06.2004 Berufung, er strebt die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses an.

 

I.3 Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat zunächst eine Berufungsvorentscheidung (VerkR96-2847-2003-Hof) erlassen, auf Grund eines Vorlageantrages des Berufungswerbers vom 16.07.2004 wurde dann die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4 Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 23.09.2004 an Ort und Stelle. An dieser Verhandlung nahm der Berufungswerber teil, als Zeugen wurden B P sowie der Bruder des Berufungswerbers, T S, einvernommen. Eine Vertretung der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach ist nicht erschienen.

 

I.5 Der Berufungswerber bestritt im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung die vom Anzeiger festgestellten Tatorte. Er habe zwar entsprechende Überholmanöver durchgeführt, dies jedoch an übersichtlichen Stellen und ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden bzw. zu behindern. Entgegen dem Vorbringen des Zeugen, er habe den ersten Überholvorgang bei Strkm 37,650 begonnen, habe er diesen Vorgang erst im Bereich der zweiten Ausfahrt der Firma W (nach Strkm 38,0) begonnen. Dort sei ein gefahrloses Überholen für ihn möglich gewesen, er habe während dieses Überholvorganges niemanden gefährdet oder behindert.

 

Ebenso sei der zweite im Straferkenntnis vorgeworfene Überholvorgang bezüglich Tatort nicht richtig, in diesem Falle habe er nämlich bereits vor der vom Anzeiger bezeichneten Stelle den Überholvorgang begonnen und er habe diesen noch vor der unübersichtlichen Kurve beenden können, dies ohne jemanden zu gefährden.

 

Bezüglich der vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Rechtsmittelwerber bereits in seiner Berufung vorgebracht, dass allgemein bekannt wäre, dass jeder Kfz- übliche Tachometer bei der von ihm in seinen Rechtfertigungsangaben angeführten Geschwindigkeit um mindesten 10 km/h mehr anzeigen würde, dies ließe sich auch durch Messungen belegen, die selbst durchgeführt worden seien.

 

Herr P blieb bei seiner zeugenschaftlicher Befragung bei den in der Anzeige gemachten Angaben, der Berufungswerber hätte den ersten Überholvorgang bereits etwa im Bereich der ersten Zufahrt zur Firma W begonnen und es sei im Bereich der in Richtung Rohrbach gelegenen Überführung über die B 127 zu einer gefährlichen Begegnung mit einem Gegenverkehr gekommen bzw. der Berufungswerber habe den ersten Überholvorgang erst nach der Überführung beendet. Auch hinsichtlich des zweiten Überholvorganges bestätigte der Zeuge, dass der Überholvorgang an einer unübersichtlichen Stelle begonnen worden wäre bzw. dass im diesem Falle eine ausreichende Überholsicht nicht gegeben gewesen wäre.

 

Befragt bezüglich gefahrener Geschwindigkeit der Fahrzeugkolonne, in welcher sich der Zeuge mit seinem PKW befunden hat, erklärte dieser, die Kolonne sei gefühlsmäßig mit ca. 100 km/h unterwegs gewesen, auf den Tacho habe er jedoch nicht geschaut.

 

Der Bruder des Berufungswerbers erklärte bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme, er könne sich an den Vorfall noch erinnern, er sei Beifahrer gewesen und habe die Überholmanöver in keiner Weise als gefährlich empfunden.

 

I.6 Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VstG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Dazu wird zunächst festgestellt, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zu Grunde zu legen ist. Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, so hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

 

Es liegen im vorliegenden Falle die differierenden Aussagen einerseits des Berufungswerbers bzw. seines Bruders und anderseits des Herrn P, welcher die Anzeige erstattet hat, vor. Es obliegt sohin der entscheidenden Berufungsbehörde, die einzelnen Aussagen einer freien Beweiswürdigung zu unterziehen. Dazu wird zunächst festgestellt, dass an den im Schuldspruch festgestellten Tatörtlichkeiten ein gesetzeskonformer Überholvorgang nicht möglich gewesen wäre. Andererseits ist an den vom Berufungswerber bezeichneten Stellen - bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen - es durchaus möglich, andere Fahrzeuge zu überholen.

 

Was nun die einzelnen Aussagen anbelangt, so sind sowohl die Rechtfertigungsangaben des Berufungswerbers, als auch die Aussagen der Zeugen durchaus schlüssig. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich kann jedoch im vorliegenden Falle nicht ausschließen, dass die Angaben des Zeugen P, ohne diesem eine vorsätzlich unrichtige Aussage unterstellen zu wollen, doch subjektiv beeinflusst sein könnten. Letztlich, so hat er im Verfahren angegeben, sei ihm im Rückspiegel aufgefallen, dass sich der Berufungswerber mit angeblich höherer Geschwindigkeit der Fahrzeugkolonne genähert und er dann in der Folge die beschriebenen Überholvorgänge durchgeführt hat.

 

Der Berufungswerber konnte sich zwar in jede Richtung hin verteidigen, dieser Umstand darf jedoch letztlich nicht gegen ihn gewertet werden. Wie bereits dargelegt wurde, waren auch seine Angaben bezüglich der durchgeführten Überholmanöver schlüssig und er erweckte auch im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung einen durchaus soliden Eindruck. Darüber hinaus hat auch der Bruder des Berufungswerbers, dies in Kenntnis der Konsequenzen einer allfälligen falschen Zeugenaussage, erklärt, dass bei den durchgeführten Überholmanövern es zu keinerlei Gefährdungen gekommen sei.

 

Wenn auch Zeuge P von seiner Aussageversion überzeugt war, so kann der Unabhängige Verwaltungssenat im vorliegenden konkreten Falle diese nicht mit endgültiger Sicherheit der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Zeuge den ersten Überholvorgang bloß im Rückspiegel wahrnehmen konnte. Unter Berücksichtung des Umstandes, dass sich der Zeuge wohl auch auf das unmittelbar vor ihm liegende Verkehrsgeschehen zu konzentrieren hatte, ist nicht auszuschließen, das sich der Zeuge doch in seinen Wahrnehmungen geirrt hat, und wie bereits erwähnt wurde, auch subjektive Elemente eingeflossen sind, dies trifft auch für den zweiten Überholvorgang zu. Weitere Beweise standen nicht zu Verfügung.

 

Nachdem nach Durchführung aller möglichen Beweise und eingehender Beweiswürdigung im vorliegenden Falle die Täterschaft des Berufungswerbers nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, war der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden.

 

Hinsichtlich der vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung (Faktum 2). Hat der Beschuldigte wohl in seinen Rechtfertigungsangaben vor der Erstbehörde eine am Tacho abgelesene Geschwindigkeit von 120 km/h eingestanden, dem Grunde nach ist jedoch seiner Argumentation zu folgen, dass die Tachoanzeige alleine nicht ausreicht, das tatsächliche Ausmaß der gefahrenen Geschwindigkeit festzustellen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit unter dem vorgeworfenen Ausmaß gelegen war, dies auch unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen P, wonach er die von der Kolonne eingehaltene Geschwindigkeit (ca. 100 km/h) bloß gefühlsmäßig geschätzt habe. Es kann daher auch in diesem Falle nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit eine tatsächliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nachgewiesen werden.

 

I.7 Zusammenfassend wird festgestellt, das in allen 3 Punkten des Straferkenntnisses die dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht als erwiesen angesehen werden können, in dubio pro reo war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. K i s c h

 

 

 
 

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