Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109930/6/Br/Da

Linz, 08.09.2004

 

 

 VwSen-109930/6/Br/Da Linz, am 8. September 2004

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M K, geb., H, S, vertreten durch Herrn a. Univ.Prof. Dr. M W, Verteidiger in Strafsachen, c/o U, A, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr, vom 16. Juli 2004, Zl. S 1285/ST/04, nach der am 8. Sepember 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004- AVG iVm § 19, § 24, § 51e Abs.1 Z1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 13,20 Euro (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.
 


Rechtsgrundlage:
§ 64 Abs.1 und 2 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 66 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden verhängt und ihm zur Last gelegt, er habe am 16.2.2004 gegen 06.15 Uhr in Steyr, Haratzmüllerstraße beim Kreisverkehr Rederbrücke, Schutzweg nächst dem Geschäft Bauhaus und dem ehemaligen ÖAMTC, Fahrtrichtung stadtauswärts, als Lenker des PKW SR einem Fußgänger, der sich auf dem Schutzweg befunden habe, nicht das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte ihre Entscheidung auf die Angaben des Anzeigers. Dieser legte sie die Annahme zu Grunde, dass sich der Anzeiger am Schutzweg etwa in Mitte der Fahrbahn befunden habe als der Berufungswerber sich ihm mit unverminderter Fahrgeschwindigkeit angenähert habe. Da der Berufungswerber keine Anstalten machte seine deutlich überhöhte Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren, habe der Anzeiger einen Schritt nach rückwärts gemacht. Der Strafzumessung wurde ein monatl. Nettoeinkommen von 1.500 Euro, keine Sorgepflichten und kein Vermögen grundgelegt.

 

2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit der fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung.

Darin bemängelt er 1) eine unrichtige Tatsachenfeststellung, 2) die Verletzung von Verfahrensvorschriften, 3) unrichtige (fehlende) Beweiswürdigung und 4) Ausführungen, wonach eine Weg-Zeit-Rechnung die angefochtene Entscheidung nicht tragen könne. Es wurde die Durchführung einer Berufungsverhandlung unter persönlicher Ladung des Berufungswerbers beantragt.

Konkret wurden kurz zusammenfassend die Darstellungen des Anzeigers als unschlüssig und dem Weg-Zeit-Ablauf als nicht nachvollziehbar erachtet. Insbesondere wurde die Beweiswürdigung d. Behörde erster Instanz mangels Überlegungen zu den Weg-Zeit-Abläufen wegen der bloßen Bezugnahme auf die Wahrheitspflicht des Zeugen als hülsenhaft bemängelt.

 

3. Eingangs ist zu bemerken, dass auf dem angefochtenen Straferkenntnis die Behördenadresse nicht vermerkt ist. Anstatt dieser findet sich bloß die E-Mailadresse am Straferkenntnis. Aus h. Sicht kann es nicht als zweckmäßig erachtet werden, wenn ein Berufungswerber dadurch zur Einbringung per E-Mail verhalten werden soll bzw. er sich die Postzustelladresse etwa selbst suchen muss.

Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates wurde mit der Berufungsvorlage begründet.

Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war einerseits wegen des gesonderten Antrages, andererseits angesichts der Bestreitung der zu Last gelegten Übertretungshandlung in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den oben genannten Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Beigeschafft aus dem System Doris wurde eine Übersichtsaufnahme vom Kreisverkehr woraus sich insbesondere auch die Straßen- bzw. Fahrbahnbreiten in ausreichender Klarheit nachvollziehen ließen. Beweis erhoben wurde ferner durch die zeugenschaftliche Einvernahme des Anzeigers. Der Berufungswerber nahm trotz des gesonderten Antrages seiner persönlichen Einladung angeblich aus beruflichen Gründen und die Behörde erster Instanz laut vorheriger telefonischer Mitteilung aus dienstlichen Gründen an der Berufungsverhandlung nicht teil.

 

5. Nachfolgender Sachverhalt gilt als erwiesen:

 

Zur Örtlichkeit:

An der hier verfahrensrelevanten Örtlichkeit weist die stadtauswärts führende Straße im Bereich des weiträumigen Kreisverkehrs zwei durch Leitlinien gekennzeichnete Fahrspuren auf. Laut dem Ergebnis der im System Doris eröffneten Messoption ist von einer Straßenbreite von 7,4 m und demnach von einer Breite jeder Fahrspur von 3,6 m auszugehen (siehe das im Zuge der Berufungsverhandlung erörterte Luftbild).

 

Zum Sachverhalt:

Der Berufungswerber lenkte sein Fahrzeug aus Richtung der "Steyrer-Werke" auf der vorher in einem Gefälle verlaufenden Wegstrecke in Richtung stadtauswärts. Als der Zeuge Mag. Z beim Schutzweg eintraf befand sich das mit seiner Ansicht überhöhter Geschwindigkeit fahrende Fahrzeug 30 bis 50 m vom Schutzweg entfernt. Er betrat den Schutzweg in der Meinung, dass der Pkw-Lenker seine Fahrgeschwindigkeit etwas reduzieren würde, um entsprechend einer realistischen Verkehrspraxis hinter ihm auf der rechten Fahrspur den Schutzweg zu passieren. Als er erkannte, dass der Lenker jedoch mit unverminderter Geschwindigkeit die Fahrt fortsetzen würde, entschloss er sich etwas zurückzuweichen. Dabei hat er sich etwa in Mitte der rechten Fahrspur befunden, während der Lenker des angezeigten Fahrzeuges etwas nach links ausweichend auf der linken Fahrspur den Schutzweg passierte.

Sehr wohl lässt sich diese Darstellung des Anzeigers auch rechnerisch gut nachvollziehen. Ausgehend von einer in der Mitte der zeugenschaftlich vorgenommenen Schätzung der Fahrgeschwindigkeit von 60 km/h und der Entfernung des Pkw´s zum Zeitpunkt seines Eintreffens am Rande des Schutzweges von 40 m, benötigte der Berufungswerber bis zum Erreichen des Schutzweges 2,4 Sekunden. Unter objektiver und logischer Betrachtung muss davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber zu diesem Zeitpunkt den Fußgänger wahrgenommen hat bzw. jedenfalls wahrgenommen haben müsste. Folgt man nun weiter der sachgerechten Annahme, dass bei einer normalen Schrittgeschwindigkeit (1,1 m/sek) der Zeuge während dieser Zeitspanne 2,64 m zurücklegte, erweist sich schon dadurch seine Darstellung "sich etwa in Mitte der rechten Fahrspur befunden zu haben als der Pkw vor ihm auf die linke Fahrspur ausweichend vorbeifuhr" als schlüssig. Wäre der Berufungswerber noch etwas schneller oder allenfalls zum Zeitpunkt des Betretens des Schutzweges durch den Zeugen diesem bereits etwas näher gewesen, trifft es exakt zu, dass der Fußgänger sich in der Mitte der rechten Fahrspur befand. Da bei der hier zu beurteilenden Begehung eines Fahrlässigkeitsdeliktes nur zu beurteilen ist, ob der Berufungswerber "den Fußgänger am unbehinderten Überqueren behindert hat, bedurfte es keiner exakteren Rekonstruktion der Weg-Zeit-Abläufe. Es ist bei sachgerechter Beurteilung auszuschließen, dass durch die Erstellung eines entsprechenden Fachgutachtens der Wahrheitsfindung näher gekommen werden könnte, als dies im Rahmen der Berufungsverhandlung vom Zeugen dargestellt wurde. Ein diesbezüglich beigezogener Sachverständiger wäre wohl auch wiederum auf Annahmen bzw. Annahmenvarianten die in der Vorgabe der Beweiswürdigung zu gründen hätten, welche wiederum aus den zeugenschaftlichen Angaben zu schöpfen wären. Faktum ist, dass hier die Schilderung des Vorfalls durch den Zeugen Mag. Z an sich schon glaubwürdig und gut nachvollziehbar ist, wobei diese auch einer rechnerischen Überprüfung standhält.

Einem Fußgänger kann an sich schon durchaus zugemutet werden zu beurteilen, ob er entweder - so wie hier - am Schutzweg behindert oder er vor dem Schutzweg am "ungehinderten" Überqueren behindert wurde.

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

6.1. § 9 Abs.2 StVO unterscheidet zwischen Fußgängern die sich auf einem Schutzweg befinden und solchen, die sich noch nicht auf diesem befinden (argum. diesen erkennbar benützen wollen). Der Gesetzgeber wollte mit der Änderung dieser Schutzvorschrift den Schutzbereich des Fußgängers über die als Zebrastreifen markierte Fläche hinaus ausdehnen. Für den Fahrzeuglenker besteht grundsätzlich ein Unterschied, ob sich ein Fußgänger auf dem Schutzweg oder beim Schutzweg befindet. Beim Fußgänger, der sich auf dem Schutzweg befindet, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob dieser den Schutzweg "erkennbar" benützen will, sondern es stellt sich nur eingeschränkt die Frage, ob trotz Weiterfahrt dessen ungehinderte und ungefährdete Überquerung möglich ist. Im Gegensatz dazu hat der Fahrzeuglenker beim Herannahen eines Fußgängers zum Schutzweg bzw. beim direkt beim Schutzweg befindlichen Fußgänger zu beurteilen, ob dieser den Schutzweg erkennbar benützen möchte oder ob dieser zu erkennen gibt, dass er auf den Vorrang verzichtet und ob allenfalls eine berechtigte Weiterfahrt zulässig ist.

Da § 9 Abs.2 StVO sowohl den Vorrang des auf dem Schutzweg befindlichen als auch des herannahenden Fußgängers regelt, ist von zwei unterschiedlichen Tatbeständen auszugehen.

Die zit. Bestimmung in der Fassung der 19. Novelle hat insofern eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht, dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist. Für den Fahrzeuglenker, insbesondere KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zur Beobachtung des Geschehens nicht nur auf, sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgängern, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, die Überquerung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez. 1994, S 357). Wenn hier offenbar keine Geschwindigkeitsreduzierung in der unmittelbaren Annährungsphase erfolgte die bereits ein Vorbeifahren hinter dem Fußgänger ermöglicht hätte, sondern die Vorbeifahrt vor dem Fußgänger erfolgte und dieser dadurch zu seinem Schutz genötigt wurde zurückzuweichen, kann ein Zweifel an der Verletzung des Schutzziels nicht bestehen (vgl. auch h. Erk. v. 21. September 2000, VwSen-107121/2/SR/Ri). Dabei muss es wohl als unerheblich gelten, ob allenfalls ein Weitergehen eine Kollision noch gerade nicht ausgelöst hätte. Diese Feststellung galt es mit Blick auf die Verantwortung des Berufungswerbers zu treffen, dass die Darstellungen des Berufungswerbers nicht nachvollziehbar wären.

Mit Blick darauf ist zu dem vom Rechtsvertreter gestellten Beweisantrag auf Beiziehung eines Sachverständigen zwecks Errechnung eines Weg-Zeit-Diagramms entgegen zu halten, dass einem im Ergebnis auf einen bloßen Erkundungsbeweis hinauslaufenden Beweisantrag nicht gefolgt werden muss (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 339, E 6a zu § 46 AVG zitierte Rechtsprechung des VwGH).

 

7. Zur Strafzumessung:

 

Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

7.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Selbst wenn hier dem Berufungswerber als strafmildernder Umstand die Unbescholtenheit zu Gute kommt, ist mit Blick auf die doch an der Grenze zur groben Rücksichtslosigkeit einzuordnenden Verletzung des Schutzziels dieser Rechtsvorschrift die verhängte Geldstrafe sehr maßvoll und milde bemessen zu erachten und keinesfalls darin ein Ermessensfehler zu erblicken. Auch generalpräventive Aspekte sprechen angesichts der Wertigkeit des vom Gesetzgeber einem Fußgängerübergang verstärkt zugedachten Schutzziels für eine entsprechende Ahndung.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r