Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109941/2/Br/Da

Linz, 08.09.2003

 

 

 VwSen-109941/2/Br/Da Linz, am 8. September 2003

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J K, geb., F, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 2. August 2004, VerkR96-916-2004 zu Recht:

  1. Der Berufung wird im Punkt 1. mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen, der Schuldspruch jedoch bestätigt wird.

Im Punkt 2. wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 51e Abs.3 Z3 VStG.

Zu II: § 65 u. § 66 Abs.1 u. 2 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber zwei Geldstrafen verhängt (58 u. 29 Euro und für den für den Fall der Uneinbringlichkeit neunzehn und zehn Stunden Ersatzfreiheitsstrafen) und ihm zur Last gelegt, er habe am 16.8.2003 um 11.55 Uhr in Leopoldschlag, Grenzkontrollposten Wullowitz, B 310 beim km 55,270, PKW-Einreisespur den Pkw mit dem Kennzeichen KI gelenkt und dabei

1. die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrfläche überfahren und

2. den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens nach rechts nicht angezeigt, wodurch sich andere Straßenbenützer auf diesen Vorgang nicht einstellen hätten können.

1.1. Die Behörde erster Instanz folge den Darstellungen in der Anzeige, wonach der Berufungswerber an einem vor ihm kurz anhaltenden Fahrzeug - dessen Fahrer Werbematerial entgegennahm - vorbeifuhr, ohne diesen Vorgang durch Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers anzuzeigen und er dabei die Sperrfläche überfuhr. Im Anschluss habe er die Bezahlung eines Organmandates verweigert. Die Behörde erster Instanz verwies in der Beweiswürdigung auf die zeugenschaftlichen Ausführungen des Meldungslegers, welcher diese unter Hinweis auf den Diensteid und die Wahrheitspflicht tätigte.

2. Der Berufungswerber schildert in seiner fristgerecht per E-Mail eingebrachten Berufung und auch schon im Rahmen seiner Verantwortung im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens den Vorfall anders. Demnach sei er an zwei anhaltenden Pkw´s, deren Fahrer ausgestiegen waren, vorbeigefahren, was zwingend das Überfahren der Sperrfläche nach sich zog. Es sei nämlich nicht abzuschätzen gewesen wie lange die beiden Lenker nicht weiterfahren würden. Dies sei aus Gründen der Erhaltung des Verkehrsflusses erforderlich gewesen.

3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.

Eine Berufungsverhandlung konnte hier unter Hinweis auf die im Ergebnis unstrittige Beweislage iVm § 51e Abs.3 Z3 VStG unterbleiben.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt in hinreichender Deutlichkeit.

4. Zum Sachverhalt hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Unstrittig ist hier, dass der Berufungswerber im Zuge der Einreise aus Tschechien beim Grenzübergang Wullowitz an zwei vor ihm anhaltenden Fahrzeugen nach rechts ausweichend und dabei die Sperrfläche überfahrend, 40 m vor dem Abfertigungskiosk, vorbeifuhr. Dies offenbar in der Absicht, die nach seiner Einschätzung doch etwas längere Zeit in Anspruch nehmende Interaktion zweier anhaltender Fahrzeuglenker nicht abwarten zu wollen. Dabei wurde laut Berufungswerber der Fahrtrichtungsanzeiger sehr wohl kurzfristig betätigt, was allenfalls vom Meldungsleger wegen der Verdeckung durch die anderen Fahrzeuge unsichtbar geblieben sein könnte. Es ist nicht anzunehmen, dass durch das Vorbeifahren ein allfälliger Hintermann des Berufungswerbers irritiert worden sein konnte.

Der Berufungswerber wurde folglich vom Grenzorgan, dem Meldungsleger, wegen dieses Verhaltens beanstandet. Es wurde ihm eine Organmandatsstrafe offeriert. An eine Ermahnung dachte der Meldungsleger offenbar nicht. Ebenfalls lässt sich aus der Anzeige nicht nachvollziehen worin mit diesem Verhalten, welches ja grundsätzlich nicht als verkehrsuntypisch bezeichnet werden kann, eine nachteilige Auswirkung verbunden gewesen sein sollte. Zu bemerken ist, dass doch wohl auch nicht Ziel und Sinn einer Grenzabfertigung sein kann hinter zwei 40 m vor der Abfertigungsstelle stehen bleibende Fahrzeuge, dessen Lenker offenbar ausstiegen, zu verweilen und damit sinnlos die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu behindern und unnötige Wartezeit zu erzeugen. Andererseits wäre es dem Berufungswerber aber auch zuzumuten gewesen sich zumindest Klarheit über den Grund dieses Stehenbleibens zu verschaffen und damit ein Minimum an Geduld auf sich zu nehmen, ehe er über die Sperrfläche dieses derart entstehende Hindernis offenbar unverzüglich umfahren hat.

Aus der Anzeige ist auch nicht erkennbar, dass der Meldungsleger Überlegungen angestellt hätte über dieses aus der Sicht des Meldungsleger strafwürdige Fehlverhalten einen zur Befriedung der Situation führenden Dialog versucht zu haben und allenfalls mit einer bloßen Ermahnung des Auslangen finden zu wollen. Auch dieses wäre einer sachgerechten Erledigung adäquat und als sozialtypisch anzusehen gewesen.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. § 9 Abs.1 StVO lautet: Sperrlinien (§ 55 Abs.2) dürfen nicht überfahren, Sperrflächen (§ 55 Abs. 4) nicht befahren werden.

Nach § 9 Abs.1 iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO wird damit eine Schutznorm übertreten, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs diente und ist wohl grundsätzlich nicht bloß von geringfügiger Natur. Im gegenständlichen Fall, wo der Berufungswerber lediglich an - aus welchen Gründen auch immer - kurz anhaltenden Fahrzeugen vorbeifuhr, können in dieser Tatsache keine nachteiligen Folgen erkannt werden. Jedenfalls ist es durchaus allgemein begreiflich, andererseits wäre es dem Berufungswerber zuzumuten gewesen, sich allenfalls durch Gesten über den Grund des Anhaltens zu informieren, ehe an diesen Fahrzeugen vorbeizufahren um sich vor diesen einzureihen.

Das Überfahren einer Sperrlinie wäre wohl dann nicht rechtswidrig, wenn dies etwa im Umfahren eines Hindernisses erforderlich wäre. Davon kann aber angesichts der hier vorliegenden Beweislage noch nicht ausgegangen werden (vgl. Erk. UVS-Tirol, v. 9.10.2001, 2000/17/027-10).

Nach § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde trotzdem ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Hinsichtlich dieses Punktes des Straferkenntnisses liegen sämtliche einen Rechtsanspruch begründende Elemente zur Anwendung dieses Rechtsinstitutes vor (vgl. dazu VwGH 27.2.1992, 92/02/0033).

Wie selbst aus dem Tenor des o.a. Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes hervorleuchtet, zielt die Rechtsnorm des § 21 VStG auf eine zu ermöglichende Einzelfallgerechtigkeit ab.

Der § 11 Abs.2 StVO lautet:

"Der Lenker eines Fahrzeuges hat die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt."

Das wesentliche Tatbestandsmerkmal einer Übertretung nach § 11 Abs.2 StVO liegt im Umstand begründet, ob der Fahrzeuglenker die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung so rechtzeitig angezeigt bzw. anzuzeigen hat, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können (VwGH 22.3.1995, 94/03/0319).

Es ist hier nicht erkennbar inwiefern sich hier durch das allenfalls Unterbleiben oder nur kurzfristige Anzeigen des Vorbeifahrens andere Fahrzeuglenker - welche hier unbestritten gestanden sind - auf diesen Vorgang hätten "rechtzeitig" einstellen können müssen. Dem Gesetz kann im Gegensatz zur offenkundigen Auffassung des Meldungslegers nicht zugesonnen werden, dass sich das Anzeigen der Fahrtrichtungsänderung auf einen bloßen Selbstzweck beschränken sollte, wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob ein kurzfristiges Blinken vom 40 m entfernt stehenden Meldungsleger nicht doch durch die beiden vor dem Berufungswerber befindlichen Fahrzeuge nicht sichtbar war und allenfalls übersehen wurde. Da in diesem Vorwurf ein Verstoß gegen die obgenannte Schutzvorschrift nicht vorliegt, war diesbezüglich das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen gewesen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 
 

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